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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Droht ein neuer Krieg? Nicht nur die Ukraine fürchtet Trumps Wankelmut

Chinas Staatschef Xi Jinping will sich Taiwan einverleiben, notfalls mit Gewalt. US-Präsident Trump lässt offen, ob er den Inselstaat verteidigen würde.
Die plötzliche Abkehr der Trump-Regierung von der Ukraine löst nicht nur in Kiew und im Rest Europas große Sorgen aus. Auch in Taiwan beobachtet man das Verhalten des US-Präsidenten genau.
Taipeh fürchtet, dass sich China schon bald ein Beispiel an seinem Verbündeten Russland nehmen und versuchen könnte, sich den Inselstaat mit seinen 23 Millionen Einwohnern gewaltsam einzuverleiben – die Vereinigung beider Länder ist das erklärte Ziel von Chinas Staatschef Xi Jinping.
Dabei haben die Taiwaner gute Erinnerungen an Trumps erste Amtszeit. Seine Strafzölle gegen China haben Taiwans Position in Asien gestärkt, zum Beispiel in der Halbleiterindustrie. "Diese war vor Trumps Zöllen in China konzentriert", heißt es in einer Analyse der Denkfabrik Institut Montaigne. "Seither hat sich diese Branche wieder stärker in Taiwan angesiedelt." So produziert das Land heute etwa 60 Prozent aller Computerchips weltweit und liegt damit vor Südkorea und den USA.
Trump unterstützte Taiwan stärker als Obama
In seiner ersten Amtszeit von 2017 bis 2021 hat Trump Taiwan auch politisch stark unterstützt. Schon vor seinem Amtsantritt nahm er Ende 2016 einen Anruf von Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen an – und löste damit scharfen Protest aus China aus.
Trump lieferte Taipeh auch deutlich mehr Waffen als sein Vorgänger Barack Obama, der in seinen acht Amtsjahren Ausfuhren in Höhe von 14 Milliarden Dollar genehmigte. Trump schickte in seinen vier Jahren Kriegsgerät im Wert von 18 Milliarden Dollar, darunter F-16-Kampfjets, Patriot-Raketen zur Luftverteidigung und Anti-Schiffswaffen vom Typ Harpoon.
Offiziell hielt Trump an der seit 1979 geltenden Ein-China-Politik fest, in deren Zuge die USA ihre diplomatische Vertretung von Taiwan nach China verlegt hatten. Doch mit dem Taiwan Travel Act von 2018 wertete er Taiwan diplomatisch auf und erleichterte offizielle Reisen und Treffen zwischen Vertretern beider Staaten.
Eigentlich müsste Taipeh also optimistisch auf Trumps zweite Amtszeit blicken. Doch seine jüngsten Äußerungen dürften dort bestenfalls gemischte Gefühle auslösen.
Trump-Äußerungen zu Taiwan lassen aufhorchen
"Dazu äußere ich mich nie und das will ich auch nicht", sagte Trump am Mittwoch im Weißen Haus auf die Frage eines Journalisten, ob es seine Politik sei, dass China Taiwan niemals erobern dürfe. Und wenn er sich dazu äußern würde, dann sicher nicht in der Öffentlichkeit, so Trump. Er habe "ein großartiges Verhältnis" zu Staatschef Xi und wolle, dass China in den USA investiert. "Wir werden sehr gute Beziehungen zu China pflegen", so Trump weiter.
Für sich genommen klingen Trumps Worte nicht sonderlich bedrohlich. Doch im Zusammenhang mit Trumps Wahlkampfäußerungen nähren sie in Taiwan die Furcht vor dem Wankelmut des 78-Jährigen – und seiner Vorliebe für wenig ausgegorene "Deals".
"Ich kenne die Taiwaner gut", hatte Trump im Juli der Nachrichtenagentur Bloomberg gesagt. "Sie haben unsere Chipindustrie zu 100 Prozent übernommen. Ich finde, Taiwan sollte uns dafür bezahlen, dass wir sie beschützen. Wir sind nichts anderes als eine Versicherungsgesellschaft für sie. Aber Taiwan gibt uns dafür nichts zurück."
"Trump hat diese Botschaft verstärkt"
Es sind Töne, die Trump zuletzt auch gegenüber der Ukraine angeschlagen hat – militärische Unterstützung soll es nur noch geben, wenn der Empfänger dafür zahlt. In Taipeh äußerte man sich schon vor Trumps zweiter Amtseinführung besorgt, dass die Unterstützung aus den USA versiegen könnte.
"Wir sind sehr besorgt. Er ist höchst unberechenbar", sagte Chen Ming-chi, der im Sicherheitsrat der früheren Präsidentin Tsai Ing-wen saß, dem Portal "weltkirche.de". "Angesichts des Größenunterschieds sind wir nicht in der Lage, Chinas Übernahme Taiwans zu verhindern – wir können es nur bis zu einem gewissen Punkt irgendwie schaffen, aber dann brauchen wir Hilfe von außen."
Besorgt äußerte sich auch Daniel Russel, der unter Präsident Obama Mitglied im Nationalen Sicherheitsrat der USA war: "Chinas Kampagne gegen Taiwan beruht darauf, Taipeh zu zeigen, dass die USA ein unzuverlässiger Unterstützer seien und Chinas Kontrolle über die Insel unausweichlich", sagte Russel der Nachrichtenagentur AP. "Trump hat diese Botschaft verstärkt, indem er signalisiert hat, dass seine Unterstützung für Taiwan verhandelbar ist."
Ob sich die USA tatsächlich von Taiwan abwenden, ist bislang allerdings unklar. Womöglich will Trump das Land auch dazu drängen, seine Verteidigungsausgaben zu erhöhen – ähnlich wie im Fall der Nato. Zudem gehört es seit jeher zur Taiwan-Strategie der USA, eine Intervention im Falle eines chinesischen Überfalls auf die Insel offenzulassen. Das soll die Regierung in Peking im Ungewissen lassen – und letztlich von einem Angriff abhalten.
- Eigene Recherche
- institutmontaigne.org: Taiwan and Trump 2.0: Partner or Bargaining Chip?
- bloomberg.com: The Donald Trump Interview Transcript
- weltkirche.de: Taiwan bangt um Unterstützung bei der Verteidigung gegen China
- apnews.com: Trump’s abrupt change of US policy on Ukraine raises questions about Taiwan support
- reuters.com: Trump declines to answer question about China and Taiwan