Zustand weiter kritisch Fico erneut operiert – jedoch weiterhin in Lebensgefahr
Der slowakische Regierungschef ist erneut operiert worden. Sein Gesundheitszustand soll weiter kritisch sein.
Der slowakische Regierungschef Robert Fico ist nach dem Attentat auf ihn nach offiziellen Angaben erneut operiert worden. Der Zustand des Ministerpräsidenten sei weiterhin "sehr ernst", teilte Vize-Regierungschef Robert Kalinak am Freitag in Banska Bystrica mit. Der Regierungschef war am Mittwoch von vier Kugeln getroffen worden; seine Verletzungen seien schwerwiegend. Jedoch sei es den Ärzten für den Moment gelungen, Ficos Gesundheitszustand zu "stabilisieren", sagt Kalinak.
Fico sei aber noch nicht außer Lebensgefahr. Klinikdirektorin Miriam Lapunikova warnte, die Folgen der Schussverletzungen könnten eine Genesung erschweren. Ein erfahrener Chirurg, der nicht zum Behandlungsteam gehört, sagte der slowakischen Zeitung "Dennik N", die nächsten drei bis vier Tage dürften entscheidend sein. Der 59-jährige Fico befindet sich nach einer fünfstündigen Operation weiter auf der Intensivstation des Universitätskrankenhauses in Banska Bystrica.
Regierungsamt warnt vor Falschinformationen
Nähere Informationen über den Gesundheitszustand des 59 Jahre alten Politikers werde man bekannt geben, "wenn das die Situation ermöglicht", teilte das Regierungsamt in Bratislava weiter mit und rief Medien, Politiker und die breite Öffentlichkeit dazu auf, nur offiziell bestätigte Informationen zu verbreiten. So seien in Medien auch irreführende Falschinformationen und Spekulationen berichtet worden, kritisierte die Behörde.
Über das weitere Vorgehen, etwa eine Verlegung in die Hauptstadt Bratislava, müsse ein ärztliches Konsilium entscheiden, sagte die Klinikdirektorin Miriam Lapunikova der Zeitung "Dennik N". Das Gremium werde voraussichtlich am Montag zusammenkommen.
Sollte es zum Rücktritt des Regierungschefs aus gesundheitlichen Gründen kommen, würde damit gemäß der slowakischen Verfassung automatisch die gesamte Regierung zu Fall gebracht. Dass ein Ministerpräsident wegen eines Attentats die Amtsgeschäfte nicht fortführen kann, scheinen die Väter der slowakischen Verfassung nicht berücksichtigt zu haben.
Stellvertreter führt Regierungsgeschäfte vorerst weiter
Allerdings könnte der Wechsel an der Spitze der Regierung 2018 als Muster dienen. Damals hatte Fico unter öffentlichem Druck nach dem Mord am Journalisten Jan Kuciak sein Amt niedergelegt. Die Koalitionsparteien einigten sich auf Peter Pellegrini als gemeinsamen Kandidaten für die Nachfolge, der dann von der Präsidentin ernannt wurde. Solange Fico bis zur vollen Genesung nur pausiert, führen seine Stellvertreter in der Zeit die Regierungsgeschäfte weiter – mit Kalinak als Erstem in der Reihenfolge.
Gegen den mutmaßlichen Attentäter wurden strafrechtliche Ermittlungen wegen versuchten Mordes aufgenommen. Es handelt sich um einen 71-Jährigen aus der Kleinstadt Levice. Der Mann sei ein "einsamer Wolf", der mit der politischen Entwicklung in der Slowakei unzufrieden sei, sagte Innenminister Matus Sustaj Estok. Er sei jedoch kein Mitglied einer radikalisierten politischen Gruppierung, weder einer rechten noch einer linken.
Experten kritisieren Sicherheitsvorkehrungen
Das Augenmerk richtet sich inzwischen auch auf mögliche Versäumnisse bei den Sicherheitsmaßnahmen in der Kleinstadt Handlova, wo es nach einer Kabinettssitzung zu den Schüssen kam, als Fico an einem Zaun versammelten Anhängern die Hände schütteln wollte. Die Behörden prüfen, ob seine Personenschützer den Regierungschef nicht ausreichend geschützt haben oder Vorfälle dieser Art in einer offenen Gesellschaft schlicht kaum zu verhindern sind.
Mehrere Experten kritisierten die Sicherheitsvorkehrungen vor Ort oder sprachen sogar von einem "Versagen". Manche Medien warfen zudem die Frage auf, wie ein offenbar auf einer Polizeiwache – möglicherweise sogar von einem Beamten – aufgenommenes Video des mutmaßlichen Attentäters an die Öffentlichkeit gelangen konnte. Mehr dazu lesen Sie hier.
Präsidentin ruft zu Zusammenhalt auf
Unterdessen luden die scheidende Staatspräsidentin Zuzana Čaputová und ihr gewählter Nachfolger Pellegrini die politischen Parteien zu gemeinsamen Gesprächen ein. "Lassen Sie uns aus dem Teufelskreis des Hasses und der gegenseitigen Beschuldigungen aussteigen", appellierte Čaputová in Bratislava.
Pellegrini rief die Parteien auf, ihren Wahlkampf vor der Europawahl am 9. Juni vorerst auszusetzen oder zumindest einzuschränken. Im Nachbarland Tschechien sagten die Gewerkschaften einen für den 21. Mai geplanten Protesttag mit Demonstrationen aus Rücksicht auf die Situation in der Slowakei ab.
- Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und AFP