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Chinas Aufrüstung: Eine Nachricht an den Westen und Taiwan?


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China rüstet auf
"Es führt sich im Wesentlichen wie ein Tyrann auf"


Aktualisiert am 29.03.2024Lesedauer: 5 Min.
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Chinesisches Militärorchester in Peking: China hat seine Militärausgaben weiter erhöht. (Quelle: Artyom Ivanov/imago-images-bilder)

Die Volksrepublik erhöht konsequent ihre Militärausgaben. Ein Friedensforscher sieht vor allem eine Region bedroht.

Anfang März hat China seine Militärausgaben erneut erhöht. Dan Smith, Direktor des renommierten Sipri-Instituts, erklärt im Gespräch mit t-online, ob dies eine Bedrohung für die Welt darstellt, wo die Stärken und Schwächen des chinesischen Militärs liegen und wieso ein Zwischenfall im Südchinesischen Meer einen Krieg zwischen China und den USA auslösen könnte.

t-online: China hat gerade seinen Militärhaushalt um 7,2 Prozent erhöht – das ist deutlich mehr als sein Wirtschaftswachstum. Warum gibt das Land so viel für seine Verteidigung aus?

Dan Smith: China hat seine Militärausgaben 28 Jahre lang in Folge erhöht (Anm. d. Red.: Seitdem zeichnet Sipri Daten auf). Es ist das einzige Land der Welt, das seine Militärausgaben über einen so langen Zeitraum kontinuierlich erhöht hat. Deswegen hat China heute eine Armee, Marine und Luftwaffe, die mit modernster Technologie ausgestattet sind, sowohl mit nuklearen als auch mit konventionellen Waffen. Ein Grund, wieso China so viel für sein Militär ausgibt, ist: um international Macht zu demonstrieren. Ein anderes Ziel ist, den Druck auf Taiwan zu erhöhen und das Land vermutlich dazu zu bringen, Pekings Wünschen einer Vereinigung mit dem Festland nachzugeben. Zum Teil sind die hohen militärischen Ausgaben auch eine Reaktion auf das, was die USA, Südkorea und Japan tun. Sie alle rüsten ebenfalls auf.

Wir befinden uns also in einer Art von globalem Wettrüsten?

Alle geben mehr aus. Die weltweiten Militärausgaben sind in den letzten acht Jahren in Folge gestiegen. Ich denke, das bringt das Dilemma unserer Zeit auf den Punkt: Auf der einen Seite gibt es steigende Militärausgaben, auf der anderen Seite dann dadurch Ängste und ein Gefühl der Bedrohung, woraufhin beide Seiten dann mehr aufrüsten. Robert McNamara, der in den 1960er-Jahren US-Verteidigungsminister war, bezeichnete dies als "Aktions-Reaktions-Spirale". Wenn man nicht eingreift, wenn es nicht möglich ist, die Militärausgaben und die Modernisierung der Streitkräfte zu begrenzen, gibt es theoretisch kein Ende dieser Aktions-Reaktions-Spirale.

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(Quelle: imago-images-bilder)

Zur Person

Dan Smith ist Direktor des Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI). Er forscht und schreibt seit vier Jahrzehnten über Sicherheit, Konflikte und Frieden. Vor seiner Zeit in Stockholm war er unter anderem für die UN, an der Universtität Manchester und am internationalen Friedensforschungsinstitut von Oslo tätig.

Sind Chinas erhöhte Ausgaben dann überhaupt eine Bedrohung für die Welt, wenn alle mehr ausgeben?

China steht nach unseren Daten weltweit an zweiter Stelle der Militärausgaben, gibt aber immer noch deutlich weniger aus als die USA. Aber dennoch: Chinas Militärausgaben steigen seit drei Jahrzehnten. Dies hat das strategische Gleichgewicht in Nordostasien, in Südostasien und im Südchinesischen Meer sowie das globale strategische Gleichgewicht verändert. Das ist in gewisser Weise beunruhigend. Ich würde allerdings nicht sagen, dass Chinas Militärausgaben eine größere Bedrohung für den Weltfrieden darstellen als viele andere Dinge.

Ihre Meinung überrascht. Können Sie das bitte näher erläutern?

China und seine Rüstungsausgaben sind Teil eines globalen Umfelds der gegenseitigen Bedrohung, auf das im Moment jeder sowohl mit Angst als auch mit neuen Waffen und mit höheren Ausgaben reagiert. Ich glaube nicht, dass China vorhat, einen Krieg gegen die USA zu führen. Und ich glaube auch nicht, dass die USA vorhaben, einen Krieg gegen China zu führen. Aber die Dynamik einer "Aktions-Reaktions-Spirale" läuft darauf hinaus, dass jeder zu der Bedrohung beiträgt, die der andere wahrnimmt. Und das ist das Paradox des Wettrüstens: Je mehr man sich bewaffnet, umso gefährlicher wird die Welt. Sie wird dadurch nicht sicherer. Um auf Ihre Frage zurückzukommen: Chinas starkes Militär ist eine Bedrohung für die Welt, ebenso wie das der USA oder Russland oder andere Länder auch.

Sie erwähnten Taiwan. Wenn die chinesischen Militärausgaben keine Bedrohung für die Welt sind, sind sie dann eine Bedrohung für Taiwan?

Ich denke schon. Wenn Taiwan keine Streitkräfte hätte, dann würde China wahrscheinlich einfach einmarschieren und die Macht übernehmen. Das ist also eine Bedrohung seiner Autonomie, und die taiwanischen Streitkräfte sind eine Antwort auf diese Bedrohung. Die Frage "Ist China eine Bedrohung für Taiwan?" wird oft implizit gestellt. Sie lautet: "Ist es wahrscheinlich, dass China in nächster Zeit eine Offensive gegen Taiwan starten wird?" Ich denke, ehrlich gesagt, die Antwort auf diese Frage ist: nein. Es ist zwar nicht unmöglich, aber auch nicht wahrscheinlich.

Warum nicht?

Erstens, weil China seit fast einem halben Jahrhundert nicht mehr in einen echten Krieg verwickelt war, seit seine Armee 1979 im Vietnamkrieg gekämpft hat. Die chinesische Militärführung und die politische Führung haben gute Gründe, sich nicht sicher zu sein, wie gut ihre Streitkräfte sich schlagen würden. Zweitens sind die taiwanischen Streitkräfte sehr gut ausgerüstet, organisiert und vorbereitet. Sie würden sich in der Defensive befinden, und die Defensive ist in der Regel stärker als die Offensive.

Chinas Soldaten fehlt es also an Kriegserfahrung. Und deshalb zögert China auch, Taiwan oder andere Länder anzugreifen?

Wenn ein Staat über Streitkräfte verfügt, die regelmäßig im Einsatz sind, dann ist er einigermaßen selbstbewusst und weiß, was die Streitkräfte können und was nicht. Wenn ein Staat hingegen seit Jahrzehnten nicht mehr in einen aktiven Krieg verwickelt war, dann weiß er nicht, wie gut seine Streitkräfte kämpfen werden. Es ist wie bei einem Fußballspiel: Wie man sich im Training schlägt, ist eine Sache, wie man sich im Match schlägt, ist eine andere.

In welchen Bereichen seines Militärs kann China mit dem Westen konkurrieren und wo gibt es noch Defizite?

Chinas militärisch-industrieller Komplex ist insgesamt konkurrenzfähiger, da sich das Land mehr und mehr auf die Produktion von Waffen im eigenen Land statt auf Waffenimporte verlässt. Die Daten dazu sind oft schwer zu bekommen und schwer zu vergleichen, aber unter den zehn größten Rüstungskonzernen der Welt gibt es mittlerweile drei chinesische Unternehmen. Um Ihnen ein weiteres Beispiel zu geben: China investiert sehr stark in Atomwaffentechnologie. Es gibt Anzeichen dafür, dass die Zahl der ballistischen Interkontinentalraketen deutlich zunimmt. Einige Schätzungen gehen davon aus, dass die Zahl der Sprengköpfe sehr stark gestiegen ist. Sie begannen vor einiger Zeit mit 300 Sprengköpfen und streben nun danach, einige Hundert mehr zu haben. Was Chinas Streitkräfte betrifft, so sieht die Marine sehr, sehr beeindruckend aus.

Die chinesische Marine stieß im Südchinesischen Meer mit einem philippinischen Schiff zusammen, um es zu provozieren. China beansprucht 90 Prozent des Meeres für sich, obwohl ein Gerichtsverfahren vor dem Schiedsgericht in Den Haag 2016 diesen Ansprüchen widersprochen hat. Könnte ein Zwischenfall in diesen Gewässern zu einem größeren Konflikt zwischen China und den USA, einem starken Sicherheitspartner der Philippinen, führen?

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Chinas Verhalten im Südchinesischen Meer nach Standards des internationalen Rechts ist völlig inakzeptabel. Es führt sich im Wesentlichen wie ein Tyrann auf, der versucht, kleinere und schwächere Länder wie die Philippinen einzuschüchtern. Ich denke, es besteht durchaus die Möglichkeit, dass es zu einem wirklich ernsten Zwischenfall, zu Missverständnissen, zu einer potenziellen Fehlkommunikation und dann möglicherweise zu einer Eskalation kommt. Aber diese Gebiete werden auch vom Weltraum aus sehr genau beobachtet. Sollte es also zu einem ernsthaften Zwischenfall kommen, könnten sowohl China als auch die USA leicht beobachten, was tatsächlich passiert ist, und verstehen, dass es sich um einen Unfall handelte, und sich zurückziehen. Es hängt nur davon ab, ob sie daran interessiert sind.

Herr Smith, danke für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Dan Smith
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