"Gegen unfaire Praktiken wehren" EU leitet Untersuchung wegen billiger E-Autos aus China ein
Die EU will Abhängigkeiten von China abbauen. Dazu sollen nun staatliche Subventionen für E-Autos in den Fokus rücken.
Die EU leitet eine Untersuchung wegen staatlicher Unterstützung für Elektroautos aus China ein. "Der Preis dieser Autos wird durch riesige staatliche Subventionen künstlich gedrückt – das verzerrt unseren Markt", sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Europaparlament in Straßburg. Das sei nicht akzeptabel. Die Weltmärkte würden von billigeren chinesischen Elektroautos überschwemmt.
Eine Antisubventionsuntersuchung kann dazu führen, dass beispielsweise Strafzölle erhoben werden. Derzeit laufen in mehreren Wirtschaftsbereichen Maßnahmen, um die Abhängigkeit der EU von Staaten wie China zu verringern und heimische Unternehmen zu schützen.
"Wir müssen uns gegen unfaire Praktiken wehren"
Im März hatte die EU-Kommission etwa einen Vorschlag für ein Gesetz zur Rohstoffversorgung vorgestellt. Damit soll sichergestellt werden, dass die EU bei wichtigen Rohstoffen nicht von Importen aus einzelnen Ländern wie China abhängig bleibt. Europa sei offen für Wettbewerb, aber nicht für einen ungleichen Unterbietungswettlauf, sagte von der Leyen. "Wir müssen uns gegen unfaire Praktiken wehren."
Zugleich betonte sie, es sei unabdingbar, mit China im Dialog zu bleiben. Es gebe Themen, bei denen man zusammenarbeiten müsse. Sie werde bei einem geplanten EU-China-Gipfel in diesem Jahr den Standpunkt vertreten, man solle Risiken minimieren, sich aber nicht abkoppeln.
Will von der Leyen Kommissionspräsidentin bleiben?
Zu ihrer eigenen Zukunft hat sich von der Leyen in ihrer jährlichen Rede zur Lage der Union nicht dazu geäußert, ob sie nach der Europawahl im kommenden Juni eine weitere Amtszeit anstrebt.
Zu den anstehenden Wahlen äußerte sich von der Leyen lediglich allgemein. "In weniger als 300 Tagen werden die Europäerinnen und Europäer in unserer einzigartigen und bemerkenswerten Demokratie zu den Wahlurnen gehen", sagte sie. Wie bei jeder Wahl werde dies der Moment sein, "wenn die Menschen über die Lage in unserer Europäischen Union nachdenken werden – und darüber, was jene geleistet haben, die unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger vertreten". Zudem werde es auch der Moment sein, darüber zu entscheiden, welche Zukunft und welches Europa die Wählerinnen und Wähler sich wünschen.
Um weitere fünf Jahre an der Spitze der EU-Kommission bleiben zu können, müsste sich die CDU-Politikerin von der Leyen nach derzeitigem Stand der Dinge als Spitzenkandidatin der europäischen Parteienfamilie EVP für die Europawahl aufstellen lassen. Zu dieser gehören neben der deutschen CDU und CSU unter anderem die österreichische ÖVP, die italienische Forza Italia oder Spaniens konservative Volkspartei PP.
Bislang ist von der Leyen öffentlich allen Fragen nach einer möglichen zweiten Amtszeit ausgewichen. Als ein möglicher Grund gilt, dass die 64-Jährige nicht jetzt schon mit dem Wahlkampf beginnen will, sondern noch einige Monate wichtige EU-Projekte vorantreiben möchte. Spekuliert wird aber auch, dass vor allem die US-Regierung sie gerne als Nachfolger von Jens Stoltenberg als Nato-Generalsekretär sehen würde und sie sich diese Möglichkeit noch offenhalten will. Der Norweger will sein Amt nach dem nächsten großen Bündnisgipfel im Sommer 2024 in Washington endgültig abgeben. Als frühere Verteidigungsministerin gilt von der Leyen als mögliche Idealbesetzung für den Spitzenjob.
Kommission will Bau von Windkraftanlagen beschleunigen
Außerdem will die EU-Kommission Windkraft in Europa weiter vorantreiben und Genehmigungsverfahren stärker beschleunigen. Die Brüsseler Behörde werde ein Paket für die Windkraft in Europa vorlegen und dabei eng mit der Industrie und den Mitgliedsstaaten zusammenarbeiten, sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
Die Windindustrie stehe derzeit vor einer einzigartigen Kombination von Herausforderungen. "Wir werden die Auktionssysteme in der gesamten EU verbessern. Wir werden uns auf Kompetenzen, den Zugang zu Finanzmitteln und stabile Lieferketten konzentrieren", sagte von der Leyen.
Die Zukunft der Clean-Tech-Industrie müsse in Europa liegen, so die Kommissionspräsidentin. Dabei gehe es um mehr als einen Sektor – "von Windkraft bis Stahl, von Batterien bis hin zu Elektrofahrzeugen".
Internationale Konferenz gegen Menschenhandel geplant
Zudem plant die EU-Kommission eine Internationale Konferenz gegen Menschenhandel. "Es ist Zeit, diesem skrupellosen und verbrecherischen Geschäft ein Ende zu bereiten", sagte Ursula von der Leyen.
Schlepper köderten verzweifelte Menschen und schickten sie über tödliche Routen durch die Wüste oder in nicht seetüchtigen Booten aufs offene Meer, beklagte von der Leyen. Gesetze müssten strenger angewendet werden, außerdem bräuchten EU-Behörden wie zum Beispiel die Grenzschutzagentur Frontex mehr Befugnisse. Allerdings könne der weltweite Menschenhandel nur in Zusammenarbeit mit den Partnern bekämpft werden, weshalb es eine Konferenz brauche.
Ukraine macht für EU-Beitritt "große Schritte"
Nicht zuletzt hat Kommissionspräsidentin von der Leyen der Ukraine große Fortschritte auf ihrem Weg zum EU-Beitritt bescheinigt. "Wir haben die großen Schritte gesehen, die die Ukraine bereits gemacht hat, nachdem ihr der Kandidatenstatus verliehen wurde", sagte von der Leyen im EU-Parlament.
Daher sei es für das EU-Parlament nun an der Zeit, "dieser Entschlossenheit gerecht zu werden", erklärte sie im Hinblick auf eine Erweiterung der Staatengemeinschaft. "Ich glaube, dass Europa auch mit mehr als 30 Staaten funktioniert", betonte von der Leyen.
Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine hatte die EU der Ukraine im vergangenen Jahr den Status eines EU-Beitrittskandidaten verliehen. Zu den Auflagen für einen Beitritt gehört unter anderem die Bekämpfung der Korruption. Weitere Beitrittskandidaten sind das ukrainische Nachbarland Moldau sowie fünf Staaten auf dem Westbalkan.
Um die derzeit 27 Staaten starke EU auf die Aufnahme neuer Mitglieder vorzubereiten, kündigte von der Leyen ein neues Analyseprojekt an. Bei ihm soll geprüft werden, wie einzelnen EU-Politikbereiche möglicherweise an eine größere Union angepasst werden müssen. "Wir werden uns überlegen müssen, wie unsere Institutionen funktionieren würden – wie das Parlament und die Kommission aussehen würden", sagte sie. Zudem gelte es auch über die Zukunft des Haushalts zu sprechen – also darüber, was daraus bezahlt werde und wie er finanziert werde.
Sonderregeln für Ukraine-Flüchtlinge sollen verlängert werden
Kriegsflüchtlinge aus dem von Russland angegriffenen Land sollen nach dem Willen von der Leyens mindestens bis März 2025 problemlos in der EU bleiben können. Die Kommission werde vorschlagen, die Regelung für den vorübergehenden Schutz für die Ukrainerinnen und Ukrainer in der EU zu verlängern, kündigte von der Leyen an. Die vier Millionen Menschen, die seit Beginn des Krieges in der EU Zuflucht gefunden haben, seien heute noch genauso willkommen wie in den schicksalhaften ersten Wochen. "Unsere Unterstützung der Ukraine wird von Dauer sein", sagte die deutsche Spitzenpolitikerin.
Die EU-Staaten hatten kurz nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine die Richtlinie für den Fall eines "massenhaften Zustroms" von Vertriebenen aktiviert. Sie wurde zuletzt bis zum 4. März 2024 verlängert. Die nächste Verlängerung würde vermutlich bis März 2025 gehen. Dass der Vorschlag von der Leyens umgesetzt wird, gilt als äußert wahrscheinlich. Bei der Verlängerung im vergangenen Jahr hat es von den Mitgliedstaaten kein Veto gegeben.
- Nachrichtenagentur dpa