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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Russland verschärft Repressionen Verhaftet wegen "Schwulen-Propaganda"
In Russland ist ein schwules YouTuber-Paar von der Polizei abgeführt worden: Gela droht eine Geldstrafe, Haoyang die Abschiebung. Der Fall zeigt, dass das Putin-Regime immer härter gegen queere Menschen vorgeht.
In den YouTube-Videos geht es um Küsse, Eifersucht und gemeinsame Einschlafroutinen: Haoyang und Gela publizieren unter ihren Vornamen Videos zu ihrem schwulen Leben in Russland, nicht immer ganz ernst gemeint. Sehr ernst hingegen nehmen russische Behörden ihren YouTube-Kanal "Haoyang & Gela". Vor Kurzem sind die beiden von der Polizei abgeführt worden. Der Vorwurf: Sie verbreiteten "Schwulen-Propaganda".
Russland geht immer schärfer gegen homosexuelle Menschen vor, gegen Queere und solche, die über Beziehungen reden, die nicht einer Mann-Frau-Konstellation entsprechen. Wladimir Putin persönlich zielt regelmäßig in Ansprachen gegen LGBTQIA (siehe Infobox unten), sie zählen gewissermaßen zu seinen Lieblingsfeinden. Nur ein Vater und eine Mutter könnten eine "echte russische Familie" gründen, sagt der Kremlchef, wenn sich ihm die Gelegenheit bietet.
Ein Paar wie Haoyang, 21, und Gela, 23, ist in dieser Lesart eine Bedrohung. Nun traf es das YouTube-Paar in Kasan, einer Millionenstadt im Südwesten des Landes. Um weitere Schwierigkeiten zu vermeiden, wollen sie nur ihre Vornamen erwähnt wissen. Während Gela inzwischen freigelassen wurde, sitzt Haoyang im Gefängnis. Ihm, der ursprünglich aus China stammt, droht die Abschiebung. t-online liegen entsprechende Gerichtsunterlagen vor. Auch Gela droht eine Strafe. Er soll wegen desselben Vorwurfs eine Geldstrafe von 200.000 Rubel (etwa 2.200 Euro) zahlen.
Was ist LGBTQIA?
Die Abkürzung setzt sich aus den Anfangsbuchstaben mehrerer englischer Begriffe zusammen. Deutsch übersetzt stehen sie für: lesbisch, schwul, bisexuell, trans, queer, inter und asexuell. Teils wird auch nur die Abkürzung LGBTQI oder LGBT verwendet, manchmal wird ein + ergänzt, um alle in der Abkürzung Nichtgenannten einzuschließen. Queer ist dabei ein Sammelbegriff für Menschen, die aus dem heterosexuellen Raster fallen oder sich nicht einer bestimmten Geschlechteridentität zuordnen. Die Community und Menschen, die sie unterstützen, nutzen weltweit die Regenbogenfarben als Erkennungsmotiv.
Zensurbehörde prüft YouTube-Videos
Die Inhaftierung von Haoyung findet zu einer Zeit statt, in der Russland seine Repressionen gegenüber LGBTQIA verschärft. Fast zeitgleich, am 6. April, wurde eine namentlich nicht genannte deutsche Person in der ostrussischen Region Kamtschatka ebenfalls wegen "Homosexuellen-Propaganda" verurteilt und die Abschiebung nach Deutschland angeordnet.
Den Fällen liegt eine Gesetzesverschärfung von Ende 2022 zugrunde. Danach ist es in Russland verboten, über "nicht-traditionelle" Sexualität, über Homosexualität, Queerness oder Transsexualität zu publizieren oder öffentlich aufzuklären. Die staatliche Medienaufsichtsbehörde Roskomnadsor überwacht mögliche Verstöße, etwa auf dem Buchmarkt, bei Streamingdiensten, aber auch in sozialen Medien.
Anfang Januar sagten die beiden Blogger Haoyang und Gela t-online mit Blick auf die Verschärfung: "Mit dem Gesetz wird alles, was wir tun, als 'Irreführung junger Menschen' definiert. Selbst wenn wir nur auf russischem Boden atmen, kann uns das als 'Verbreitung des Schwulenvirus' angelastet werden. Es ist noch beängstigender geworden, hier zu leben."
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Abonnenten machten Druck auf Polizei
Die beiden leben seit 2021 zusammen in Kasan. Haoyang studiert, Gela ist Barista, gemeinsam betreiben sie ihre Kanäle in sozialen Medien. Auf TikTok haben sie derzeit 378.000 Follower, auf YouTube 67.000, und spätestens seit der Gesetzesverschärfung ist klar, dass auch die Behörden ihre Inhalte sehr genau im Blick haben.
Am 5. April wurde Haoyang bei einer Polizeikontrolle in Kasan auf der Straße angehalten, so schildert es Gela im Nachgang. Polizisten hätten Haoyangs Ausweis sehen wollen, um dessen Registrierung als Ausländer zu prüfen.
Haoyang, der das Dokument nicht dabei hatte, wurde in Handschellen abgeführt. Gela habe ihm letztlich den Pass gebracht. Zur Prüfung der Registrierung seien die beiden auf eine Polizeiwache gebracht worden. Dort habe man ihnen eröffnet, dass sie "Schwulen-Propaganda" verbreitet hätten, beide müssten in Polizeigewahrsam bleiben, Haoyang drohe die Abschiebung.
Minderjährige unter den Abonnenten
Zunächst sei ihnen ein Anwalt verweigert worden, sagt Gela. Weil sie da noch im Besitz ihrer Handys waren, hätten sie ihre Verhaftung öffentlich gemacht, woraufhin Abonnenten ihrer Kanäle bei der Polizeistation anriefen und das Paar letztlich anwaltliche Hilfe erhielt.
Nach mehreren Stunden auf der Wache habe er gehen dürfen, sagt Gela weiter, Haoyang sei über Nacht festgehalten und am nächsten Tag vor ein Gericht in Kasan gebracht worden. Dort sei er für schuldig erklärt worden. Seine Strafe: sieben Tage Haft mit anschließender Abschiebung aus der Russischen Föderation. Aus der Haft heraus berichtete er seinem Freund, dass er auf dem Boden schlafen musste.
Das Gericht nahm den Unterlagen zufolge besonders daran Anstoß, dass sich die beiden in ihren Videos berühren und küssen. Das Gericht kritisierte außerdem, dass unter den (damals) 64.900 Abonnentinnen und Abonnenten ihres YouTube-Kanals "Haoyang & Gela" 1.791 Minderjährige seien.
Innerhalb der sieben Tage hatte die Verteidigung Gelegenheit, Berufung einzulegen. Adel Chaidarschin, Anwalt der beiden in Kasan, versprach sich von dem Schritt allerdings nicht viel. Er teilte t-online am Mittwoch mit, er habe Haoyang in Haft besuchen können, "er ist in Ordnung". Doch ein Berufungsverfahren habe kaum Aussichten auf Erfolg. Auch die Chancen für eine Freilassung seien gering, schrieb er.
An diesem Donnerstag endete die siebentägige Strafe – und das Gericht fällte eine Entscheidung. Gela sagte t-online bereits zuvor, er fürchte die Ausweisung seines Partners direkt aus dem Gefängnis oder dass die Haft in die Länge gezogen werde. Seine Befürchtungen scheinen sich zu bestätigen.
Denn Haoyangs Anwalt gab anschließend an die Gerichtsentscheidung ein Statement ab: "Die Entscheidung bleibt ohne Änderung aufrechterhalten", teilte Adel Chaidarschin mit. "Er bleibt vorerst im Gefängnis und wird aus der Haft nach China abgeschoben." Nach etwa 30 Minuten Verhandlung sei die Entscheidung des Kasaner Gerichts gefallen. Wie lange die Haftdauer dauere, sei "unbekannt", teilte er weiter mit.
Sein Partner Gela kündigte kurz darauf via TikTok an, er werde weiter für die Freilassung seines Partners kämpfen. Sein eigener Prozess soll in etwa zwei Wochen stattfinden.
Er selbst fühle sich nicht mehr sicher in Russland, schreibt er. Bereits vor Wochen waren die beiden zeitweise wegen Drohungen von Kasan nach Moskau geflüchtet. Nach ihrer Rückkehr habe er sich nicht mehr auf die Straße getraut, sagt Gela. Immer öfter werde er von Unbekannten angerufen und am Telefon beschimpft. In sozialen Medien hätten Nutzer verbreitet, die Polizei und Milizen kämen bald zu Gela und Haoyang, um sie "zu bestrafen".
- Schriftlicher und mündlicher Kontakt mit Gela
- Schriftlicher Kontakt mit Adel Chaidarschin
- Сибирь Реалии: Гражданина Германии выдворяют из России за "пропаганду ЛГБТ" (russisch)
- TikTok-Kanal: @real_jinhok