Reaktionen auf Truss-Rücktritt "Keine Worte, um diesen Scherbenhaufen zu beschreiben"
Nach dem Rücktritt von Liz Truss will die konservative Partei ihr Amt neu besetzen. Die Opposition will das nicht akzeptieren und fordert Neuwahlen.
Ihr Rücktritt als Parteichefin der konservativen Tories ist bereits fix, das Amt als Premierministerin will Liz Truss abgeben, sobald die Nachfolge geklärt ist. Die konservative Tory-Fraktion will die Position bis zum 31. Oktober neu besetzen. Zahlreiche Stimmen aus der Opposition geben sich damit nicht zufrieden.
So forderte Labour-Führer Keir Starmer umgehend Neuwahlen. "Die Tories können nicht einfach nur mit dem Finger schnipsen und die Personen an der Spitze ohne das Einverständnis des Volkes auswechseln", erklärte der Chef der Labour-Partei. "Wir brauchen Parlamentswahlen – jetzt."
Starmer erklärte seine Bereitschaft zur Übernahme der britischen Regierungsgeschäfte. "Wir stehen bereit, eine Regierung zu formen", sagte er am Donnerstag dem Sender Sky News.
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Nach dem Ausscheiden von Boris Johnson und Liz Truss würde eine von den Tories bestimmte Nachfolge zum zweiten mal in Folge jemanden ins höchste Amt des Landes heben, der nicht vom Volk gewählt wurde.
Auch die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon bezeichnete eine Neuwahl auf dem Kurznachrichtendienst Twitter als "demokratischen Imperativ".
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"Es gibt gar keine Worte, um diesen Scherbenhaufen angemessen zu beschreiben", so Sturgeon. Normale Bürgerinnen und Bürger müssten dafür den Preis zahlen. Die Interessen der konservativen Tory-Partei, die innerhalb einer Woche eine Nachfolge für Truss finden will, dürften nun keine Rolle spielen.
Auch die Liberal Democrats, mit denen einst der ehemalige konservative Premierminister David Cameron eine Regierung bildete, zeigten sich entrüstet über Truss' Pläne, ihr Amt durch eine parteiinterne Abstimmung zu besetzen. Der Parteichef der Liberalen, Ed Davey, schrieb, die Konservativen müssten raus aus Downing Street. "Wir brauchen nich noch einen konservativen Premier, der von einer Krise in die nächste schlingert", so Davey.
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Die Doppelspitze der britischen Grünen setzt sich ebenfalls für Neuwahlen ein. Co-Chefin Carla Denyer betonte, dass die Tory-Partei zu tief in der Krise stecke, um eine funktionsfähige Regierung zu stellen.
Reaktionen aus dem Ausland
Die Bundesregierung äußerte sich zunächst nicht offiziell zu Truss' Rücktrittsankündigung. Kurzzeitig war auf Twitter jedoch eine wohl versehentliche Reaktion des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz zu sehen: Unter einer Eilmeldung der BBC tauchte für wenige Minuten ein Link zum Musikvideo "Can't Truss it" der Hip-Hop-Gruppe Public Enemy auf.
Aus Frankreich stammt eine der wenigen öffentlichen Reaktionen ausländischer Regierungen. Präsident Emmanuel Macron äußerte sich angesichts von Truss' Rücktritt besorgt über die politische Situation in Großbritannien. Vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine, der Spannungen beim Thema Energie und noch größerer Krisen sei es wichtig, dass das Land schnell wieder politische Stabilität erlange, sagte er am Donnerstag am Rande des EU-Gipfels.
Dies sei auch der Wunsch Frankreichs als Freund des britischen Volkes. Zum Abschied von Truss sagte er: "Ich bin immer traurig, wenn Kollegen gehen." Er habe mit Truss stets sehr konstruktive Treffen gehabt, zuletzt beim Gipfel der neuen Europäischen Politischen Gemeinschaft in Prag. Der niederländische Regierungschef Mark Rutte betonte am Rande des Gipfels, er freue sich auf die Zusammenarbeit mit Truss' Nachfolge.
Irlands Premierminister Micheál Martin betonte: "Stabilität ist sehr wichtig, und wir würden gerne sehen, dass das britische System im Rahmen seiner Möglichkeiten in der Lage ist, so schnell wie möglich einen Nachfolger auszuwählen." Dies habe für Irland als nächsten Nachbarn des Vereinigten Königreichs besondere Bedeutung.
Eine Lektion für ganz Europa
EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola wertete den Rücktritt der britischen Premierministerin als eine Lektion, aus der auch andere Europäer lernen könnten. Rhetorik könne eine Regierung zu Fall bringen, sagte die Maltesin am Donnerstag am Rande eines EU-Gipfels. Außerdem setzte sie die Ereignisse der vergangenen Wochen in Zusammenhang: "Ich denke, es ist eine Botschaft, dass Marktinstabilität zu demokratischer Instabilität führen kann."
Metsola gab an, sie hoffe, dass diese instabile Situation bald gelöst sei. Seitens des Europaparlaments werde man weiter mit Großbritannien zusammenarbeiten. "Wenn wir Entscheidungen treffen, insbesondere wirtschaftliche, müssen wir uns über die möglichen Auswirkungen im Klaren sein", so die Parlamentspräsidentin.
US-Präsident Joe Biden betonte nach Truss' Rücktritt die enge Verbindung zwischen den beiden Ländern betont. Die USA und Großbritannien seien starke Verbündete und Freunde - "und an dieser Tatsache wird sich nie etwas ändern", hieß es in einer Stellungnahme Bidens am Donnerstag.
Er dankte Truss unter anderem für die Zusammenarbeit dabei, Russland für den Angriffskrieg in der Ukraine zur Verantwortung zu ziehen. Die USA würden die enge Kooperation mit der britischen Regierung fortsetzen.
Auch die russische Regierung meldete sich zu Wort. "Großbritannien hat niemals eine solche Schande als Premierminister gehabt", erklärte eine Sprecherin des russischen Außenministeriums. Truss werde wegen ihres "katastrophalen Analphabetismus" in Erinnerung bleiben. Truss hatte der Ukraine im Krieg gegen die russischen Invasoren ihre Unterstützung zugesichert.
- Nachrichtenagentur reuters
- Nachrichtenagentur dpa
- Nachrichtenagentur afp