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Nato vollzieht Kurswechsel und will mehr Panzer und schwere Waffen liefern


Kurswechsel im Ukraine-Krieg
Nato-Staaten wollen mehr Panzer und schwere Waffen liefern

Von dpa
Aktualisiert am 07.04.2022Lesedauer: 3 Min.
Schützenpanzer des Typs Marder: Die ukrainische Regierung wartet einem Bericht zufolge derzeit auf die Zustimmung der deutschen Bundesregierung zur Lieferung von 100 Panzern, die bei der Bundeswehr ausgemustert wurden.Vergrößern des Bildes
Schützenpanzer des Typs Marder: Die ukrainische Regierung wartet einem Bericht zufolge derzeit auf die Zustimmung der deutschen Bundesregierung zur Lieferung von 100 Panzern, die bei der Bundeswehr ausgemustert wurden. (Quelle: Thomas Peter/Reuters-bilder)

Die Zurückhaltung der Nato-Staaten bei der Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine ist nach Gesprächen in Brüssel offenbar Geschichte. Aus einem EU-Land sollen bereits Kampfpanzer auf den Weg gebracht worden sein.

Die Nato-Staaten planen eine deutliche Ausweitung der militärischen Unterstützung für die Ukraine. Bei einem Außenministertreffen in Brüssel wurde ein radikaler Kurswechsel in der Frage der Lieferung von schweren Waffen an das von Russland angegriffene Land deutlich. So bestätigten am Donnerstag mehrere Teilnehmer im Hintergrund, dass das Nato-Land Tschechien bereits Kampfpanzer auf den Weg in die Ukraine gebracht hat. Russland war vor sechs Wochen in das Nachbarland einmarschiert.

Noch vor rund zwei Wochen war eine solche Unterstützung bei einem Nato-Sondergipfel ausgeschlossen worden. Als Grund wurde damals insbesondere die Sorge genannt, dass Russland in Reaktion darauf auch gegen Nato-Staaten vorgehen könnte.

"Wir intensivieren unsere Waffenlieferungen an die Ukraine"

Heute klangen die Äußerungen beim Nato-Außenministertreffen nun deutlich anders. "Wir waren uns einig, dass wir unsere Unterstützung für die Ukraine weiter stärken und aufrechterhalten müssen, damit sich die Ukraine durchsetzt (...)", sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg nach zweitägigen Beratungen. Die Verbündeten seien entschlossen, mittel- und langfristig mehr zu tun, "um den mutigen Ukrainern zu helfen, ihre Heimat und ihr Land zu verteidigen und die Invasoren zurückzudrängen".

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und ihre britische Kollegin Liz Truss äußerten sich ähnlich. Man schaue sich mit den Partnern an, wie man die Ukraine zukünftig intensiver und koordinierter unterstützen könne, sagte Baerbock. Die Ukraine habe ein Recht auf Selbstverteidigung. Liz Truss sagte: "Wir intensivieren unsere Waffenlieferungen an die Ukraine."

Details zu den geplanten Lieferungen gab es zunächst nicht - wohl auch, um Russlands Armee im Unklaren darüber zu lassen, mit welchen zusätzlichen Systemen sie es bald zu tun bekommen könnte. Stoltenberg sprach lediglich von "leichteren und schwereren Waffen" und nannte Luftabwehrsysteme und Panzerabwehrwaffen als Beispiele.

Als ein Grund für den Kurswechsel der Nato-Staaten gilt die Entdeckung von Kriegsverbrechen in der Umgebung der Hauptstadt Kiew nach dem Abzug russischer Truppen. Zugleich wird derzeit auch die Wahrscheinlichkeit für sehr gering eingeschätzt, dass Russland sich wegen der Waffenlieferungen mit der Nato anlegen könnte. Dies hat auch mit den schweren Verlusten zu tun, die Russland bislang bei seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine erlitten hat.

"Während Berlin Zeit hat, hat Kiew keine"

Druck auf die Nato-Staaten und insbesondere auf Deutschland übte beim Treffen der als Gast eingeladene ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba aus. Er drang angesichts der erwarteten Offensive Russlands im Osten der Ukraine vor allem auf Tempo. "Entweder Sie helfen uns jetzt, und ich spreche von Tagen, nicht von Wochen, oder Ihre Hilfe wird zu spät kommen", sagte er. Dann würden viele Menschen sterben, viele Zivilisten ihre Häuser verlieren und viele weitere Städte und Dörfer zerstört - "eben weil diese Hilfe zu spät kam".

Deutschland könne mit Blick auf Waffenlieferungen "angesichts seiner Reserven und Kapazitäten" mehr machen, kritisierte Kuleba. Man arbeite mit der deutschen Regierung zusammen. Das Problem, das ihn am meisten beunruhige, sei die Dauer der Verfahren und Entscheidungsfindung in Berlin. "Während Berlin Zeit hat, hat Kiew keine."

Kuleba: "Waffen dienen heute dem Frieden"

Länder, die einen Unterschied zwischen der Lieferung von sogenannten Offensiv- und Defensiv-Waffen machen wollten, nannte Kuleba scheinheilig. "Waffen dienen heute dem Frieden", sagte er. Auch Stoltenberg vertrat die Ansicht, dass die zum Beispiel in Deutschland immer wieder gemachte Unterscheidung zwischen Offensivwaffen und Defensivwaffen im Fall eines Verteidigungskriegs keine Bedeutung habe.

Kuleba sagte nach den Beratungen, er habe keine Zweifel daran, dass die Ukraine alle für den Kampf notwendigen Waffen erhalten werde. Die Frage sei nur der Zeitplan. Vor den Beratungen hatte er gesagt, sein Land brauche Flugzeuge, Anti-Schiffsraketen, gepanzerte Fahrzeuge sowie schwere Luftabwehrsysteme. Zu letzteren dürften zum Beispiel S-300 zählen, die aus der Slowakei geliefert werden könnten.

Baerbock kündigt Treffen in Berlin an

Für weitere Absprachen zum Umgang mit Russlands Krieg gegen die Ukraine kündigte Baerbock für Mai ein informelles Arbeitstreffen der Nato-Außenminister in Berlin an. Dabei soll es auch um die Stärkung der Verteidigungsfähigkeit der Bündnisstaaten und um eine bessere Absicherung der Südostflanke der Allianz gehen.

Für den Druck der Ukraine auf Deutschland und andere Länder zeigte Baerbock Verständnis. Sie verwies darauf, dass die Bürger in der Ukraine jeden Tag mit schrecklichen Bildern aufwachten und ins Bett gingen. In dem Land würden selbst Familien und alte und junge Menschen "bombardiert, erschossen, kaltblütig ermordet".

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
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