Angriff auf Ukraine Auch USA wollen Sanktionen gegen Putin verhängen
Washington/Brüssel/Berlin (dpa) - Nach der Europäischen Union will auch die US-Regierung Sanktionen gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin und Außenminister Sergej Lawrow verhängen.
Auch weitere Mitglieder der russischen Führung würden betroffen sein, sagte US-Präsident Joe Bidens Sprecherin, Jen Psaki, am Freitag. Die Entscheidung sei in enger Abstimmung mit den Verbündeten in der EU gefallen, sagte Psaki im Weißen Haus.
Zuvor verhängte bereits die Europäische Union als Reaktion auf den russischen Einmarsch in die Ukraine gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin und Außenminister Sergej Lawrow Sanktionen. Möglicherweise in der EU vorhandene Vermögen der Politiker sollen eingefroren werden.
Für diplomatische Gespräche sollen sie nach den jüngsten Angaben aber weiter in die EU einreisen dürfen. Die EU-Außenminister beschlossen die neue Strafmaßnahme als Teil eines großen Sanktionspakets noch am Freitag endgültig.
Unklar blieb zunächst, ob Putin und Lawrow Vermögen in der EU haben, das eingefroren werden könnte. Wenn nicht, wären die Maßnahmen allein symbolischer Natur. Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, schrieb am Abend im Nachrichtenkanal Telegram, Putin und Lawrow hätten keine Konten in Großbritannien oder in Übersee. Weiterhin kritisierte sie die Saktionen gegen Putin und Lawrow. Das sei ein Beispiel für eine absolute außenpolitische Schwäche, sagte Sacharowa im Staatsfernsehen. "Mit wem werden Sie sprechen?", fragte sie und erinnerte daran, dass Russland eine Atommacht sei.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock stellte sich dennoch hinter den Schritt. "Wir treffen das System Putin dort, wo es getroffen werden muss, eben nicht nur wirtschaftlich und finanziell, sondern in seinem Machtkern", sagte sie. Mit Blick auf das gesamte Paket fügte sie hinzu: "Das wird Russland ruinieren."
Sanktionen auch aus London
Auch Großbritannien verhängt Sanktionen gegen Putin und Lawrow. Das sagte der britische Premier Boris Johnson einer Regierungsmitteilung zufolge bei einer Sitzung der Staats- und Regierungschefs der Nato-Staaten am Freitag. Grund für den Schritt sei die "revanchistische Mission" Putins und Lawrows, mit der sie die Weltordnung nach dem Kalten Krieg durch den Angriff auf die Ukraine beseitigen wollten.
Europarat suspendiert Russland
Weiterhin hat der Europarat in Folge des russischen Angriffs auf die Ukraine in einem historischen Schritt Russland suspendiert. Das Ministerkomitee mit Vertretern der 47 Mitgliedsländer entschied am Freitag, Russland mit sofortiger Wirkung von seinen Repräsentationsrechten in der Straßburger Organisation vorläufig zu entbinden. Das Land bleibt dennoch formell Mitglied.
Der Europarat mit Sitz im französischen Straßburg ist gemeinsam mit seinem Gerichtshof für die Wahrung der Menschenrechte in den 47 Mitgliedstaaten zuständig. Er ist kein Organ der Europäischen Union. Russland und die Ukraine sind beide Mitglied des Europarats.
OECD beendet Beitrittsverhandlungen mit Russland
Außerdem hat die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung die auf Eis liegenden Beitrittsverhandlungen Russlands formell beendet. Dies geschehe in Antwort auf den russischen Angriff auf die Ukraine, hieß es in einer Mitteilung vom Freitag. Die OECD hatte die 2007 beschlossenen Aufnahmegespräche bereits 2014 gestoppt. Der OECD-Rat entschied zudem, das Büro der Industriestaatenorganisation in Moskau zu schließen. Man wolle Russland zudem nicht mehr auf Ministerebene einladen.
Die Organisation teilte mit, auch in den kommenden Tagen und Wochen die Zusammenarbeit mit Russland weiter überdenken zu wollen. Gleichzeitig wolle man darüber nachdenken, wie die ukrainische Regierung besser unterstützt werden könne.
Sanktionen: Swift-Ausschluss nicht vorgesehen
Auf die Grundzüge der Strafmaßnahmen hatten sich bereits am Donnerstag die Staats- und Regierungschefs bei einem EU-Sondergipfel verständigt. Die Wirtschaftssanktionen betreffen unter anderem die Bereiche Energie, Finanzen und Transport sowie Exportkontrollen für bestimmte Produkte. Das schärfste Sanktionsschwert sollte aber wegen des Widerstands Deutschlands und einiger anderer Mitgliedstaaten nicht enthalten sein: der Ausschluss Russlands aus dem Banken- Kommunikationsnetzwerk Swift, mit dem russische Banken quasi vom globalen Finanzsystem abgeschnitten würden.
Das sorgt innerhalb der EU und in der Ukraine für Unmut. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte mit Blick auf die Luftangriffe auf die Ukraine und den Vormarsch russischer Bodentruppen auf Kiew: "Haben die gestrigen Sanktionen Russland überzeugt? Am Himmel über uns und auf unserer Erde hören wir, dass dies nicht ausreicht." Selenskyj fügte hinzu: "Wir verteidigen unseren Staat allein. Die mächtigsten Kräfte der Welt schauen aus der Ferne zu."
Der polnische Oppositionsführer und frühere EU-Ratspräsident Donald Tusk wurde noch deutlicher. "Diejenigen EU-Regierungen, die harte Entscheidungen blockiert haben, haben Schande über sich selbst gebracht", schrieb Tusk am Freitag auf Twitter. Als Beispiele nannte er Deutschland, Ungarn und Italien. Die derzeitigen Strafmaßnahmen sind nach Ansicht von Tusk wirkungslos. "In diesem Krieg ist alles real: Putins Wahnsinn und Grausamkeit, ukrainische Opfer, die auf Kiew fallenden Bomben", kommentierte er. Die Sanktionen würden allerdings nur vorgetäuscht.
Auch Johnson warnte die Nato-Staats- und Regierungschefs einer Mitteilung zufolge, dass Putins Absichten möglicherweise über die Invasion in die Ukraine hinausgehen könnten. Er forderte, Russland umgehend aus dem Zahlungsverkehrssystem Swift auszuschließen, "um Präsident Putin und seinem Regime maximal wehzutun".
Verteidigung aus Deutschland
Ein Ausschluss Russlands aus dem Banken- Kommunikationsnetzwerk Swift hätte nach den Worten von Außenministerin Annalena Baerbock "massive Kollateralschäden" - und könnte auch die deutsche Energieversorgung gefährden. Die Grünen-Politikerin sagte am Freitag in der ARD, im Falle eines Swift-Ausschlusses Russlands könnten auch Energieimporte nicht mehr finanziert werden.
50 Prozent der Steinkohleimporte stammten aus Russland, sagte Baerbock: "Wenn wir diese Kohle nicht haben, werden die Kohlekraftwerke in Deutschland nicht weiterlaufen können." Die Regierung suche unter Hochdruck nach Alternativen, könne aber die Fehler der Vergangenheit jetzt nicht heilen. Wenn Deutschland und andere europäische Länder nun dort Probleme bekämen, dann sei dies etwas, was Putin auch wolle, eine "Destabilisierung bei uns", machte Baerbock deutlich. "Wenn bei uns ein paar Tage der Strom nicht mehr richtig funktioniert, dann hätten wir ein richtiges Problem." Das bedeute nicht, dass Deutschland nicht auch Kosten auf sich nehme, die Energiepreise würden steigen.
Auch die Bundesregierung verteidigte ihre Zurückhaltung. "Eine Aussetzung von Swift wäre technisch aufwendig vorzubereiten, hätte auch massive Auswirkungen auf den Zahlungsverkehr in Deutschland und für deutsche Unternehmen im Geschäft mit Russland", sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit. Deutschland sei beim EU-Gipfel in der Nacht zu Freitag mit seinen Bedenken auch nicht alleine gewesen. "Ich habe wahrgenommen, dass unter anderem Frankreich und Italien auch Einwände erhoben haben."