Scholz im Kreml Putin droht Deutschen mit Erhöhung der Gaspreise
Wegen der zunehmenden Spannungen an der ukrainischen Grenze hat Kanzler Scholz mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin gesprochen. Doch auch danach scheinen die Fronten verhärtet.
Die Fronten bleiben verhärtet: Nach einem Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Moskau hat der russische Präsident Putin den Deutschen mit der Erhöhung der Gaspreise gedroht. Putin betonte die Wichtigkeit der Energielieferungen aus Russland an Deutschland. Ex-Kanzler Gerhard Schröder habe den Bau von Nord Stream 1 unterstützt. Jeder Verbraucher in Deutschland bekomme das Gas in Deutschland deswegen sehr günstig. Jeder Bürger könne in seine Tasche schauen, ob er ein Vielfaches zahlen möchte und könne, so Putin. Eine Reaktion des russischen Energiekonzerns Gazprom werde sich direkt bei jedem deutschen Bürger niederschlagen.
Putin lobte Ex-Bundeskanzler Gerhard Schröder als "anständigen Menschen" und unterstützte dessen geplante Nominierung für den Aufsichtsrat des russischen Energiekonzerns Gazprom. Die Arbeit eines solchen "unabhängigen Experten" werde der Zusammenarbeit mit Deutschland nur nutzen, sagte Putin im Kreml.
Schröder, der als langjähriger Freund Putins gilt, ist bereits Aufsichtsratschef beim staatlichen russischen Energiekonzern Rosneft. Außerdem hat er Führungspositionen bei den Pipeline-Projekten Nord Stream und Nord Stream 2.
Putin spricht von "Völkermord" in der Ostukraine
Putin betonte: "Wir wollen keinen Krieg in Europa." Das sei der Grund dafür, warum sein Land Sicherheitsgarantien des Westens fordere. Bislang gebe es aber noch keine zufriedenstellende Antwort auf die Forderungen seines Landes. Er sagte, die aktuellen Entwicklungen in der Ost-Ukraine komme einem "Völkermord" gleich.
Bundeskanzler Olaf Scholz rief Russland erneut zur Deeskalation auf. Eine Eskalation hätte massive politische und wirtschaftliche Folgen, warnte Scholz. "Mein Eindruck ist, das wissen alle Seiten auch ganz genau. Ein Angriff wäre ein Unglück für uns alle."
Scholz und die deutsche Regierung seien sehr besorgt angesichts der mehr als Hunderttausend Soldaten an der ukrainischen Grenze, sagte der Bundeskanzler. Er könne dafür keinen vernünftigen Grund erkennen. Dass nun nach russischen Angaben Soldaten abgezogen werden sollen, sei ein gutes Zeichen, so Scholz. Er hoffe, es werden weitere Truppen abgezogen.
Putin sagte, Russland sei bereit, weiter über Sicherheitsgarantien für das Land zu verhandeln. Dabei dürften allerdings nicht einzelne Fragen ausgeklammert werden, sagte Putin und forderte mehr Entgegenkommen: "Wir sehen keine signifikanten Fortschritte." Als zentrale Forderungen betonte Putin das Ausschließen einer Osterweiterung der Nato. Die russische Regierung fordert von der Nato unter anderem, eine weitere Ostererweiterung und insbesondere eine Aufnahme der Ukraine auszuschließen. Zudem verlangt es einen Rückzug von Nato-Truppen aus östlichen Bündnisstaaten.
Eine Nato-Osterweiterung stehe nicht auf der Tagesordnung, sagte Scholz, und werde das vermutlich auch nicht in seiner oder Putins Amtszeit tun.
Scholz: "Für meine Generation ist Krieg in Europa undenkbar"
Scholz betonte, Sicherheit in Europa sei nicht gegen Russland, "sondern nur mit Russland" möglich. Er weigere sich, die gegenwärtige Lage im Ukraine-Konflikt als aussichtslos zu bezeichnen. "Für meine Generation ist Krieg in Europa undenkbar geworden", sagt Scholz. Die Politik müsse dafür sorgen, "dass das so bleibt".
Putin sprach ausführlich über die wirtschaftlichen Beziehungen. Deutschland sei eines der wichtigsten Handelspartner der russischen Föderation. Er betonte vor allem die Gaslieferungen an Deutschland und die Bedeutung von Nord Stream 2. Diese werde die Energie-Sicherheit Europas stärken. Russland sei weiter bereit, auch nach 2024 Gas durch die Ukraine zu leiten.
Auch Scholz betonte, die wirtschaftlichen Beziehungen hätten auch in der Zukunft großes Potenzial. Er sprach zudem die Menschenrechtslage an. Die Auflösung der Organisation Memorial habe in Deutschland für großes Unverständnis gesorgt. Zudem werde sich Deutschland dafür einsetzen, dass die Deutsche Welle weiter aus und in Russland senden darf. Der Sender hatte in Russland ein Sendeverbot erhalten.
Scholz wirkte aufgeregt, verhaspelte sich mehrfach
Der Bundeskanzler war zu Beginn der Pressekonferenz relativ aufgeregt – zumindest für seine Verhältnisse. So verhaspelte er sich mehrfach beim Ablesen seines Statements, in dem er auch das Verbindende zwischen Deutschland und Russland betonte.
Je länger die Pressekonferenz dauerte, desto befreiter wurde Scholz – und auch klarer. So konnte er sich den Hinweis nicht verkneifen, dass jeder wisse, dass die Ukraine nicht in die Nato aufgenommen werde. Und in einem Nebensatz machte er sogar die süffisante, an Putin gerichtete Bemerkung "Ich weiß nicht, wie lange Sie vorhaben, Präsident zu bleiben."
Für diplomatische Verhältnisse war das eine Pressekonferenz mit sehr klaren Aussagen. Doch eskaliert ist die Situation nicht. Auch wenn es in der Hauptstreitfrage - der Ukraine - zumindest keinen erkennbaren Fortschritt gab. Doch sowohl Scholz als auch Putin betonten, man bleibe weiter im Gespräch. Scholz wörtlich: "Ich weigere mich, die Lage als aussichtlos zu beschreiben." Es sei die "verdammte Pflicht und Aufgabe, als Staats- und Regierungschefs zu verhindern, dass es in Europa zu einer kriegerischen Eskalation kommt."
- Pressekonferenz mit Olaf Scholz und Wladimir Putin am 15. Februar 2022
- Nachrichtenagenturen Reuters, dpa