Belarussisch-Polnische Grenze Merkel spricht erneut mit Lukaschenko über Migranten
Warschau/Minsk (dpa) - Ungeachtet teils heftiger Kritik hat Bundeskanzlerin Angela Merkel erneut mit dem belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko über die Lage um Tausende Migranten an der belarussisch-polnischen Grenze telefoniert.
Merkel habe dabei die Notwendigkeit betont, dass die humanitäre Versorgung und Rückkehrmöglichkeiten der Betroffenen im Zusammenspiel mit dem Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen und der Internationalen Organisation für Migration (IOM) erfolgen sollte, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Mittwochabend.
Die belarussische Seite teilte mit, es sei vereinbart worden, dass es zur Lösung des Problems Gespräche zwischen Vertretern der EU und Belarus geben solle. Erst am Montag hatten Merkel und Lukaschenko miteinander gesprochen. Kritik daran kam unter anderem deshalb, weil die EU Lukaschenko seit der als gefälscht geltenden Präsidentenwahl im vergangenen Jahr nicht mehr als Staatsoberhaupt anerkennt.
Kritik aus Polen
Polens Regierungssprecher nannte das Telefonat vom Montag "keinen guten Schritt". Präsident Andrzej Duda unterstrich, sein Land werde keine Vereinbarungen akzeptieren, die ohne seine Beteiligung getroffen würden. "Wir sind ein souveränes Land, das das Recht hat, selbst über sich zu entscheiden. Und wir werden dieses Recht unter allen Umständen ausüben." Am Mittwochabend teilte die Bundesregierung mit, dass sich Merkel nun auch mit Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki telefonisch zur Lage an der EU-Außengrenze ausgetauscht habe. Die Kanzlerin habe die "volle deutsche Solidarität mit Polen" unterstrichen.
An der belarussisch-polnischen Grenze sind seit Tagen Tausende Migranten gestrandet. Europa beschuldigt Lukaschenko, in organisierter Form Flüchtlinge aus Krisenregionen an die EU-Außengrenze zu bringen, um Druck zu machen.
Die Bundesregierung hatte Merkels erstes Telefonat mit Lukaschenko anschließend verteidigt. "Sie hat dieses Telefonat eng abgestimmt mit der Europäischen Kommission geführt und nach vorheriger Information wichtiger Partner gerade auch in der Region", sagte Seibert.
"Um diese besorgniserregende humanitäre Lage für Tausende von Menschen zu verbessern, hat es Sinn, auch mit denen zu sprechen, die in Minsk die Möglichkeiten haben, diese Situation zu verändern - auch wenn es um einen Machthaber geht, dessen Legitimität Deutschland wie alle anderen europäischen Mitgliedsstaaten nicht anerkennt." Die Kanzlerin habe in dem Gespräch bekannte europäische Positionen vertreten, betonte Seibert.
Busse für die Migranten
Unterdessen schien sich die Lage an der Grenze etwas zu entspannen. Nach polnischen und belarussischen Angaben haben die Behörden in Belarus damit begonnen, einen Teil der Migranten mit Bussen von der Grenze wegzubringen. Dmitri Schewzow, Generalsekretär des belarussischen Roten Kreuzes, sagte der Deutschen Presse-Agentur am Grenzpunkt, die Menschen seien in ein Kinderferienlager in der Nähe gefahren worden.
Der Großteil der Menschen befinde sich aber weiter in dem Zeltlager und in einer zum Nachtlager umfunktionierten Lagerhalle in Grenznähe. Angaben des belarussischen Grenzschutzes zufolge sollten auch Busse nach Minsk organisiert werden für Menschen, die von dort in den Irak zurückfliegen wollten. Unklar war aber zunächst, wann solche Busse fahren werden.
"Ich habe die Information bekommen, dass Lukaschenko erste Busse bereitgestellt hat, in die die Migranten einsteigen und wegfahren. Das Zeltlager bei Kuznica leert sich", sagte Polens Vize-Innenminister Maciej Wasik am Dienstag dem Sender TV Republika. Am Dienstag war es beim Grenzübergang Kuznica zu Auseinandersetzungen zwischen Migranten und polnischen Sicherheitskräften gekommen, die auch Wasserwerfer einsetzten.
Humanitäre Hilfe aus der EU
Die EU stellte derweil 700.000 Euro für die humanitäre Hilfe der Menschen in der Grenzregion zur Verfügung. 200.000 Euro gingen an das Internationale Rote Kreuz und solle etwa für Lebensmittel, Decken und Hygiene-Kits investiert werden, teilte die EU-Kommission mit. Wegen der Verwendung der weiteren 500.000 Euro sei man in Kontakt mit humanitären Partnerorganisationen.
Polens Parlament hat einem Gesetz zum Schutz der Grenze zugestimmt, das eine zeitweise Einschränkung der Bewegungs- und Pressefreiheit in der Grenzregion möglich machen soll. Eine deutliche Mehrheit von Abgeordneten stimmte am Mittwoch für die Novelle der nationalkonservativen Regierungspartei PiS. Nach der Abstimmung im Sejm, der ersten Kammer des Parlaments, geht der Gesetzentwurf nun an die zweite Kammer, den Senat. Dieser kann Änderungsvorschläge machen. Vertreter der Opposition kritisierten, die PiS-Regierung wolle angesichts der Krise um die Migranten an der polnisch-belarussischen Grenze den Zugang von kritischen Journalisten dauerhaft blockieren.
Polen hatte Anfang September für einen Streifen von drei Kilometern entlang der Grenze zu Belarus den Ausnahmezustand verhängt. Ortsfremde, Journalisten und Hilfsorganisationen dürfen nicht in diese Zone. Der Ausnahmezustand läuft am 2. Dezember aus und kann laut Verfassung nicht mehr verlängert werden. Die Gesetzesnovelle sieht nun vor, dass künftig der Innenminister bei einer Gefahrenlage allen Ortsfremden den Zugang zu einem von ihm definierten Grenzgebiet verbieten kann. Über Ausnahmen - besonders für Journalisten - soll der örtliche Kommandeur des Grenzschutzes entscheiden.