Diplomatie Krise um Migranten an Polens Grenze weiter ungelöst
Warschau/Minsk (dpa) - In der Krise um die Migranten an der belarussisch-polnischen Grenze ist weiterhin keine Lösung in Sicht. Russlands Präsident Wladimir Putin telefonierte am Dienstag erneut mit dem belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko.
Dieser ordnete am Abend an, Frauen und Kinder unter den Flüchtlingen in einem Logistikzentrum bei Grodno unterzubringen. Am Vormittag war es bei dem Übergang Kuznica-Brusgi an der polnisch-belarussischen Grenze zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Migranten und polnischen Uniformierten gekommen.
Am Abend meldete der polnische Grenzschutz, die Lage dort habe sich wieder beruhigt. "Momentan kehren die Ausländer vom Grenzübergang Kuznica-Brusgi auf das Gelände des früheren Zeltlagers zurück, das sich ein paar hundert Meter weiter an der Grenzlinie befindet", teilten die Grenzschützer via Twitter mit. Dazu posteten sie ein Video, das Menschen am Waldrand hinter der Grenzbefestigung zeigt, die sich an Lagerfeuern wärmen.
Bei dem Telefonat Putins mit Lukaschenko sei es um die Lage im Grenzgebiet gegangen, teilte der Kreml in Moskau mit. Zudem hätten die beiden Staatschefs darüber gesprochen, wie die Grenzen des gemeinsamen Unionsstaates geschützt werden könnten, meldete die belarussische Staatsagentur Belta. Details wurden zunächst nicht genannt. Beide Präsidenten hatten bereits vergangene Woche telefoniert.
Lukaschenko informierte Putin demnach auch über sein Telefonat mit der Bundeskanzlerin Angela Merkel vom Vortag. Es war Merkels erstes Gespräch mit dem Machthaber seit der umstrittenen Präsidentenwahl im August vergangenen Jahres in Belarus. Die EU erkennt Lukaschenko wegen des Vorgehens der Sicherheitskräfte gegen friedliche Demonstranten nicht mehr als Präsidenten an.
Der außenpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Omid Nouripour, kritisierte Merkels Schritt. "Es gibt eine sehr klare Politik, verabredet im Europäischen Rat, dass Lukaschenko nicht anerkannt ist, nicht der legitime Präsident ist von Belarus - und das hat Frau Merkel gestern damit komplett konterkariert", sagte er im Deutschlandfunk.
Lukaschenko wird beschuldigt, in organisierter Form Flüchtlinge aus Krisenregionen an die EU-Außengrenze zu bringen. Vermutet wird, dass er sich damit für Sanktionen rächen will, die die EU wegen der Unterdrückung der Zivilgesellschaft und der Opposition in Belarus erlassen hat.
An dem Grenzübergang Kuznica-Brusgi, wo sich seit Montag auf der belarussischen Seite der Grenze eine große Flüchtlingsgruppe aufhält, war die Situation am Dienstagvormittag zeitweilig eskaliert. Polnische Sicherheitskräfte setzten nach übereinstimmenden Berichten aus Polen und Belarus Wasserwerfer gegen die Flüchtlinge ein. Das Verteidigungsministerium in Warschau sprach von einem "Angriff der Migranten" am Grenzübergang Kuznica. "Die Angreifer waren vor allem junge, aggressive Männer", schrieb die Behörde auf Twitter.
Die Menschen seien von der belarussischen Seite mit Knallgranaten und Tränengas ausgestattet worden, sagte ein Sprecher der polnischen Polizei. Sie hätten die Beamten auch mit Steinen beworfen. Eine Grenzschutzbeamtin, ein Soldat und ein Polizist wurden demnach verletzt. Die Auseinandersetzungen waren polnischen Angaben zufolge nach zwei Stunden beendet. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen, da Polen keine Medien für eine Berichterstattung aus der Grenzregion zulässt.
Unterdessen ordnete Lukaschenko die Errichtung eines Nachtlagers für einen Teil der Migranten nahe der polnischen Grenze an. In der Region Grodno werde ein Logistikzentrum so umfunktioniert, dass Frauen und Kinder dort übernachten könnten, meldete die Staatsagentur Belta am Dienstagabend. Auf beigefügten Fotos ist zu sehen, wie Menschen in einer Halle Matten und Decken ausbreiten.