Deutsche als Fahrer angefragt Großbritannien schickt Soldaten zu den Tankstellen
In der Versorgungskrise in Großbritannien kommt jetzt die Armee zum Einsatz. Ab Montag sollen 200 rasch ausgebildete Soldaten landesweit Treibstoff ausliefern.
Die britische Regierung setzt ab Montag die Armee zur Überbrückung der Engpässe bei der Benzinversorgung ein. 200 Soldaten – davon 100 Fahrer – würden ein entsprechendes Training am Wochenende beenden und könnten dann ab Montag mit Lieferfahrten starten, teilte die Regierung am Freitag mit.
Großbritannien hat hier derzeit erhebliche Engpässe. Dies liegt nicht an einem Mangel an Benzin. Vielmehr kann Treibstoff nicht in ausreichendem Umfang zu den Tankstellen transportiert werden, weil Zehntausende Lkw-Fahrer fehlen. Panik- und Hamsterkäufe verschlimmerten die Lage zuletzt noch. In den vergangenen Tagen hatte die britische Regierung noch versucht, die Bevölkerung zu beruhigen und erklärt, die Krise sei unter Kontrolle. Doch der Sprit-Engpass hielt auch am Freitag an.
Deutsche sollen "Rückkehr" in Fernfahrerbranche erwägen
Etliche in Großbritannien lebende Deutsche mit einem älteren Führerschein haben aufgrund des akuten Lastwagenfahrermangels einem Bericht zufolge Post von der britischen Regierung bekommen. Tausende Deutsche im Land, die vor 1999 ihren Führerschein gemacht hätten, seien angeschrieben worden, da sie kleinere Lastwagen fahren dürften, berichtete die Zeitung "Independent".
In dem Brief des Verkehrsministeriums, der der Zeitung vorliegt, wird den Angeschriebenen nahe gelegt, eine "Rückkehr" in die Fernfahrerbranche in Betracht zu ziehen – auch wenn viele der Adressaten noch nie am Steuer eines Lasters gesessen hätten. "Es gibt großartige Möglichkeiten für Lastwagenfahrer in der Logistikbranche und die Arbeitsbedingungen haben sich im gesamten Sektor verbessert", heißt es in dem Schreiben. "Ihre Fähigkeiten und Erfahrungen sind noch nie mehr gebraucht worden als jetzt."
Aus dem britischen Verkehrsministerium hieß es, der Brief sei an fast eine Million Menschen mit Lkw-Führerscheinen gesendet worden. Aus Datenschutzgründen sei es unmöglich gewesen, die Liste der Empfänger genauer nach Berufen zu filtern.
Autofahrer mit deutschen Führerscheinen, die vor 1999 ausgestellt wurden, dürfen unter bestimmten Bedingungen kleine Lastwagen mit einem maximalen Gewicht von 7.500 Kilogramm fahren.
"Aufregende Möglichkeit"
"Es ist schön zu wissen, dass es noch immer Job-Perspektiven hier für uns nach dem Brexit gibt", sagte ein 41-jähriger Deutscher, der mit seiner Frau in London lebt, dem "Independent". "Wären wir nach Deutschland gegangen, wären wir wohl niemals als Lastwagenfahrer von Headhuntern angeworben worden." Vorerst wolle er seinen Job bei einer Investmentbank jedoch behalten, und seine Frau habe auch noch nie ein größeres Auto als einen Volvo gefahren und werde die "aufregende Möglichkeit" wohl auch ausschlagen.
In Großbritannien fehlen schätzungsweise 100.000 Lkw-Fahrer. Wegen des Brexit sind viele Trucker auf den europäischen Kontinent zurückgekehrt. Außerdem hatten die Corona-Beschränkungen zur Folge, dass die Ausbildung ins Stocken kam. Zudem kämpft das Land bereits mit steigenden Gas-Preisen, die Energiekosten in die Höhe treiben und zu einer Waren-Verknappung geführt haben. Die Lieferengpässe führen auch dazu, dass Gebrauchsgüter vor dem Weihnachtsgeschäft deutlich teurer werden. Landwirte warnten am Freitag davor, dass eine Massenkeulung von Schweinen drohe, weil es auch an Metzgern und Schlachthofmitarbeitern mangele.
- Nachrichtenagentur Reuters und dpa