Afghanistan UN-Sicherheitsrat erhöht Druck auf Taliban
New York/Kabul (dpa) - Der UN-Sicherheitsrat erhöht den Druck auf die militant-islamistischen Taliban in Afghanistan, die Menschenrechte zu wahren und Ausreisewillige ungehindert passieren zu lassen.
In seltener Einigkeit verabschiedete das mächtigste UN-Gremium am Montag eine entsprechende Resolution. Die Entscheidung fiel mit 13 Ja-Stimmen, Russland und China enthielten sich. UN-Resolutionen sind völkerrechtlich bindend.
Der Abzug der US-Truppen aus Afghanistan befindet sich unter extrem gefährlichen Bedingungen in der Endphase. Die USA wollen das Land bis Dienstag verlassen haben. Damit geht auch der militärische Evakuierungseinsatz zu Ende. Im Land befinden sich aber noch Zehntausende Menschen, die sich vor den Taliban in Sicherheit bringen wollen. Die US-Regierung und die westlichen Partner haben wiederholt betont, dass es auch nach dem Ende der militärischen Missionen die Möglichkeit geben soll, Menschen in Sicherheit zu bringen.
In der Resolution, die von Großbritannien und Frankreich zusammen mit den USA und Irland vorgelegt wurde, verweist der UN-Sicherheitsrat auf die Zusagen der Taliban, dass Afghanen das Land jederzeit und auf allen möglichen Wegen ungehindert verlassen dürften. Man erwarte, "dass die Taliban diese und alle anderen Verpflichtungen einhalten", heißt es darin.
Zugleich unterstreicht das Gremium die Forderung nach einem ungehinderten humanitären Zugang sowie nach Wahrung der Menschenrechte in Afghanistan, insbesondere "der Rechte von Frauen, Kindern und Minderheiten". Eine zuletzt vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron ins Spiel gebrachte UN-Sicherheitszone in Kabul wird in der Resolution nicht erwähnt.
Im Zuge ihrer Evakuierungsmission am Flughafen Kabul haben die USA zuletzt innerhalb von 24 Stunden rund 1200 Menschen außer Landes gebracht. Zwischen dem frühen Sonntagmorgen und dem frühen Montagmorgen hätten 26 Flugzeuge des US-Militärs rund 1200 Menschen ausgeflogen, teilte das Weiße Haus mit. Seit dem Start der Mission Mitte August seien insgesamt rund 116.700 Menschen aus Afghanistan evakuiert worden, hieß es weiter.
Laut CNN hat auch Washington die Evakuierungsmission mittlerweile abgeschlossen. Die Bundeswehr hatte ihren Rettungseinsatz am Donnerstag beendet, Frankreich, Spanien und Großbritannien folgten am Freitag und Samstag.
Bei einem US-Luftangriff in Kabul am Sonntag sollen mindestens zehn Zivilisten getötet worden sein. Unter den Toten seien auch Kinder, berichtete der lokale TV-Sender ToloNews unter Berufung auf Anwohner. Die US-Regierung schloss zivile Opfern am Montag nicht aus. "Wir sind nicht in der Lage, das jetzt zu bestreiten", sagte der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, John Kirby. Man werde das weiter untersuchen und die Ergebnisse offenlegen. Das US-Militär hatte am Sonntag mitgeteilt, der Einsatz habe erfolgreich eine "unmittelbare Bedrohung" für den Flughafen Kabul durch die Terroristen abgewendet.
Nach Angaben der Taliban befindet sich der jahrelang nicht gesehene Taliban-Führer Haibatullah Achundsada in Afghanistan. Sein Aufenthaltsort war über Jahre unbekannt. Achundsada führe derzeit Gespräche in Kandahar, sagte Taliban-Sprecher Sabiullah Mudschahid am Sonntagabend in einem Interview der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu der Türkei. Die Islamisten führen aktuell Gespräche über die künftige Regierung des Landes.
Russland schlug am Montag eine internationale Konferenz zum Wiederaufbau der Wirtschaft vor. "Alle wohlhabenden Länder der Welt müssen mit Vertretern der neuen afghanischen Behörden zusammenkommen, um die Fragen des wirtschaftlichen und sozialen Wiederaufbaus zu erörtern", sagte der Afghanistan-Beauftragte des russischen Präsidenten, Samir Kabulow. Er sehe in erster Linie die Länder in der Pflicht, die mit Soldaten in Afghanistan im Einsatz gewesen seien.
In der Stadt Masar-i-Scharif im Norden des Landes ist die nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) erste Hilfslieferung mit medizinischen Gütern seit der Machtübernahme der Taliban eingetroffen. Ein von der pakistanischen Regierung zur Verfügung gestelltes Flugzeug mit 12,5 Tonnen an Medikamenten und medizinischen Hilfsgütern der WHO sei die erste von insgesamt drei geplanten Hilfslieferungen.