Trotz Lockdowns Britische Experten fürchten Verschärfung der Corona-Lage
London (dpa) - Nach der Ausrufung des Katastrophenfalls in London wegen der hohen Auslastung der Krankenhäuser rechnen Experten in Großbritannien mit einer weiteren Verschärfung der Situation.
Simon Walsh vom Ärzteverband British Medical Association (BMA) sagte im BBC-Fernsehen, er erwarte einen weiteren Anstieg der Zahlen, bevor sie wieder zurückgingen. Das ergebe eine Analyse der ersten Pandemiewelle im Frühjahr vergangenen Jahres.
Großbritannien hatte am Freitag mit mehr als 68.000 neuen Corona-Infektionen und 1325 gemeldeten Todesfällen innerhalb von 24 Stunden gleich zwei traurige Rekorde verzeichnet. Am Samstag stieg die Zahl der Corona-Toten seit Beginn der Pandemie auf über 80.000. Besonders schlimm ist die Lage in London, wo Bürgermeister Sadiq Khan einen Katastrophenfall ausrief. Die Krankenhäuser dort sind dort nach übereinstimmenden Berichten am Anschlag. Die Bedrohung, die das Coronavirus für die Stadt darstelle, sei an einem kritischen Punkt, sagte Khan einer Mitteilung zufolge. "Wenn wir nicht unverzüglich handeln, könnte unser (Gesundheitsdienst) NHS überwältigt werden und mehr Menschen werden sterben."
Die Sieben-Tages-Inzidenz liegt in London inzwischen bei mehr als 1000. Damit ist die Zahl der Neuinfektionen innerhalb einer Woche auf 100.000 Einwohner gemeint. Die Zahl der im Krankenhaus behandelten Covid-19-Patienten sei allein in der ersten Januarwoche in London um knapp ein Drittel, die Zahl der künstlich beatmeten Patienten um mehr als 40 Prozent gestiegen, hieß es in der Mitteilung des Bürgermeisters. Zur Hilfe kamen dem Gesundheitsdienst unter anderem Hunderte Feuerwehrleute, die als Fahrer von Krankenwagen eingesetzt wurden.
Verantwortlich für die rasche Ausbreitung des Virus machen die Regierung und Experten auch eine neue, wohl ansteckendere Variante. Sie soll sich um bis zu 70 Prozent schneller ausbreiten als die bisher vorherrschende Virus-Variante.
Die Regierung hatte in der vergangenen Woche den inzwischen dritten landesweiten Lockdown ausgerufen. Doch nach Ansicht einiger Experten wird das nicht ausreichen, um die Zahl der Infektionen zu senken.
Die Hoffnung ruht nun darauf, dass so schnell wie möglich breite Bevölkerungsschichten geimpft werden können. Am Freitag ließ die Regierung in London mit dem Impfstoff des US-Herstellers Moderna bereits das dritte Präparat zu. Bereits im Einsatz sind das Mittel von Biontech/Pfizer und der Impfstoff der Universität Oxford und des Konzerns Astrazeneca.
Bislang sind in Großbritannien nach Angaben der Regierung rund 1,5 Millionen Menschen gegen Covid-19 geimpft werden. Das Tempo der Impfkampagne soll jedoch deutlich beschleunigt werden. Ziel ist es, bis Mitte Februar den besonders gefährdeten 15 Millionen Briten eine erste Impfung anzubieten. Um das umzusetzen, wurde auch die Armee zur Hilfe gerufen. Dabei sollen nach Angaben von Premierminister Boris Johnson auch militärische Strategien zum Einsatz kommen. Er rief die Menschen jedoch dringend auf, zuhause zu bleiben.