Behandlung in Berliner Charité Vertrauter: "Nawalny wird überleben"
Ein Vertrauter von
Der Filmproduzent Jaka Bizilj geht davon aus, dass Nawalny den mutmaßlichen Giftanschlag auf ihn überleben wird. Im Politik-Talk "Die richtigen Fragen" auf "Bild live" sagte Bizilj am Sonntagabend: "Aus meiner Sicht ist die entscheidende Frage, ob er das unbeschadet übersteht und seine Rolle weiter einnehmen kann." Bizilj, der den Transport Nawalnys aus Sibirien nach Berlin zur Behandlung in der Charite organisiert hatte, fügte hinzu: "Wenn er das unbeschadet übersteht, was wir alle hoffen, dann ist er sicherlich trotzdem mindestens ein, zwei Monate aus dem politischen Gefecht weg."
Vize-Kanzler Olaf Scholz hatte die Nachrichten über die plötzliche Erkrankung des Kreml-Kritikers Alexej Nawalny zuvor als "besorgniserregend" bezeichnet. "Ich wünsche mir, dass Herr Nawalny wieder gesund wird. Und wir werden deutlich machen, dass wir als Demokraten es nicht akzeptieren, dass das Leben von Oppositionellen in Gefahr gebracht wird", sagte der SPD-Politiker und Bundesfinanzminister dem Onlineportal der "Neuen Westfälischen". Er sei froh, dass es gelungen sei, Nawalny nach Deutschland auszufliegen, damit die Ärzte der Berliner Charité sich um ihn kümmern können.
Auch Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) wünschte Nawalny eine schnelle Genesung. Er erklärte, er hoffe sehr, dass Nawalny in der Berliner Charité wieder vollständig gesund werde und die Ursache für seinen Gesundheitszustand zügig gefunden werde.
"Wir werden alles erzählen"
Die Mitarbeiter Nawalnys hatten ihre für Sonntag angekündigte Auskunft über die mögliche Vergiftung des Oppositionellen auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. "Wir werden das aber definitiv später machen", schrieb Leonid Wolkow am Sonntagnachmittag auf Twitter. Genaue Gründe für die Verschiebung nannte er nicht. Wolkow arbeitet für Nawalnys sogenannten Fonds zur Bekämpfung zur Korruption und ist einer seiner engsten Vertrauten. Er hatte am Sonntag auch dessen Frau Julia in die Berliner Universitätsklinik Charité begleitet.
Zuvor hieß es in einem Tweet von Nawalnys Sprecherin Kira Jarmysch: "Wir werden alles erzählen, was zurzeit über Alexejs Vergiftung bekannt ist." Sie wollte aus Moskau berichten und ihr Kollege Leonid Wolkow aus Berlin.
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Nawalnys engster Kreis geht davon aus, dass der Kremlkritiker vergiftet wurde. Die russischen Ärzte hingegen sprechen lediglich von einer Stoffwechselstörung. "Wir werden jetzt erzählen, wie tatsächlich alles war", schrieb Wolkow. Nawalny ist einer der schärfsten Kritiker von Kremlchef Wladimir Putin.
"Nawalny könnte bleibende Schäden davontragen"
Der schwer kranke russische Oppositionelle Alexej Nawalny war am Samstag in die Berliner Charité eingeliefert worden. Ein von mehreren Polizei-Fahrzeugen begleiteter Rettungswagen brachte ihn am Vormittag vom Flughafen Tegel zu der Universitätsklinik, wo er nun behandelt wird.
Ein von der Organisation "Cinema for Peace" organisiertes Rettungsflugzeug mit deutschen Ärzten hatte den 44-Jährigen aus einer Klinik im sibirischen Omsk nach Deutschland geflogen. Der Zustand von Nawalny während des Fluges und nach der Landung sei stabil, gewesen, sagte der Filmproduzent und Gründer der Organisation, Jaka Bizilj. Insgesamt aber sei die Kondition des Aktivisten "sehr besorgniserregend".
Wie der "Spiegel" berichtet, geht man in der Charité von einer längerfristigen Behandlung aus. Demnach äußerten die erstversorgenden Mediziner offenbar die Befürchtung, dass Nawalny "im ungünstigsten Fall bleibende Schäden davon tragen könnte, etwa am Gehirn".
Die Klinik hat sich zunächst noch nicht öffentlich zu dem Zustand des Oppositionspolitikers geäußert. Man werde sich nach Abschluss der Untersuchungen und nach Rücksprache mit der Familie zu der Erkrankung und weiteren Behandlungsschritten äußern, teilte die Charité mit. Die Untersuchungen würden aber einige Zeit in Anspruch nehmen.
Zu den Spekulationen über einen möglichen Giftanschlag wollte sich Jaka Bizilj vor den Reportern nicht äußern. Er betonte jedoch, dass Nawalny ein gesunder Mann gewesen sei, der von einem auf den anderen Tag zusammengebrochen sei. Auch hätte er Flug nach Moskau am Donnerstag wahrscheinlich nicht überlebt, wenn es die Notfall-Zwischenlandung in Omsk nicht gegeben hätte. Das hätten ihm die Ärzte ausdrücklich mitgeteilt, sagte Bizilj.
Zähes Ringen um Nawalnys Freigabe
Der prominente russische Oppositionelle war bewusstlos in das Krankenhaus in Omsk eingeliefert worden und liegt seither im Koma. Erst nach stundenlangem Hin und Her hatten die ihn dort behandelnden Mediziner ihre Bedenken gegen einen Transport nach Deutschland fallen gelassen. Nawalnys engster Kreis wirft den Behörden und Ärzten vor, mit einer Verzögerungstaktik einen raschen Transport verhindert und so mögliche Beweise vertuscht zu haben. "Nichts hat den Transport von Nawalny behindert. Es war notwendig, dass das so schnell wie möglich getan werden musste", twitterte Jarmysch am Samstag.
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Die Bundesregierung hofft nun auf eine baldige Genesung des 44-Jährigen in Deutschland. Man setze darauf, "dass die Behandlung in der Charité zu einer Besserung seines Zustands führt und eine vollständige Genesung ermöglicht", teilte ein Regierungssprecher auf Anfrage mit.
Angst um Kreml-Kritiker
Alexej Nawalny ist einer der schärfsten Kritiker von Kremlchef Wladimir Putin, er ist der führende Kopf der liberalen Opposition. Der studierte Jurist wirft der Regierung und Oligarchen regelmäßig Korruption und Machtmissbrauch vor. Auf ihn hatte es schon mehrfach Anschläge gegeben.
"Vielen Dank an alle für die Unterstützung. Der Kampf um Alexejs Leben und Gesundheit fängt gerade erst an, und es gibt noch viel zu tun. Zumindest ist aber jetzt der erste Schritt getan", schrieb Jarmysch nach dem Abflug. Auch andere Oppositionelle zeigten sich erleichtert. "Ich bin so erleichtert, als hätten Terroristen nach langen Verhandlungen eine Geisel freigegeben", schrieb der bekannte liberale Politiker Ilja Jaschin, der auch ein jahrelanger Wegbegleiter Nawalnys ist. "Ich hoffe, dass diese für nichts und wieder nichts vergeudete Zeit Alexej nicht das Leben kosten wird."
"Damals war ich bewusstlos"
Der Jurist wollte am Donnerstag von Sibirien zurück nach Moskau fliegen. Am Flughafen in Tomsk habe er noch einen Tee getrunken, sagte Nawalnys Sprecherin. Während des Flugs habe er sich unwohl gefühlt und noch an Bord das Bewusstsein verloren. Das Flugzeug landete dann in Omsk, das 4.000 Kilometer von der deutschen Hauptstadt entfernt liegt.
Der Flug nach Berlin war eine private Aktion der Initiative Cinema for Peace um den Filmproduzenten Bizilj. Eine ähnliche Aktion gab es vor zwei Jahren, als Pjotr Wersilow mit schweren Vergiftungssymptomen aus Moskau nach Berlin kam. Er ist Mitglied der russischen Polit-Punk-Gruppe Pussy Riot. Er verglich die Situation Nawalnys mit seiner Lage 2018. "Es ist unglaublich, wie ähnlich die Route ist, die ich vor zwei Jahren genommen habe. Damals war ich bewusstlos", twitterte Wersilow. Auch er wurde in der Charité behandelt.
Die Ärzte der traditionsreichen Berliner Klinik hatten 2014 auch der ukrainischen Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko wegen chronischer Rücken- und Gehprobleme geholfen. Timoschenko, die damals aus der Haft freikam, hatte im Gefängnis mehrere Bandscheibenvorfälle erlitten. Die Charité ist Deutschlands größte Uni-Klinik.
- Nachrichtenagentur dpa