Erneute Kritik an Entscheidung Johnson stolpert über Fantasielosigkeit bei Schulnoten
Erst entscheidet die britische Regierung, Schulnoten zu korrigieren, um zu gute Noten zu verhindern. Dann wird bekannt, dass das angedachte Verfahren wohl nicht richtig angewendet wurde. Nun geht die Kritik weiter.
Die britische Regierung steht wegen des Corona-bedingten Chaos bei Schulnoten weiterhin in der Kritik. Der für Schulen zuständige Staatssekretär Nick Gibb räumte am Donnerstag ein, dass er schon vor Wochen über die Risiken einer Korrekturmethode informiert worden war, mit der die britische Regierung übermäßig viele gute Noten verhindern wollte. Er bestand jedoch darauf, dass das kürzlich eingestampfte Verfahren grundsätzlich fair sei, aber inkorrekt angewendet wurde.
Abschlussprüfungen wegen Corona ausgefallen
Weil im Frühjahr zahlreiche Abschlussprüfungen wegen der Corona-Pandemie ausfallen mussten, hatte die Regierung verfügt, dass die Lehrer die Abschlussnoten der Schüler nach deren vorherigen Leistungen festlegen sollten. Um eine Flut an guten Noten zu vermeiden, sollte der Notenschnitt an jeder Schule anschließend mit einem Algorithmus an die vergangenen Jahre angepasst werden.
Schüler und Eltern protestierten dagegen, weil sie befürchteten, dass gute Schüler an durchschnittlich schlechteren staatlichen Schulen gegenüber schlechteren Schülern an besseren Privatschulen benachteiligt würden.
Gibb entschuldigte sich nun für "den Schmerz und die Angst" der Schüler, die die Notenkorrekturen bei den mit dem Abitur vergleichbaren A-Levels hervorgerufen hätten. Bei diesem "Standardisierungsprozess" waren 40 Prozent aller Ergebnisse nachträglich herabgesetzt worden, wobei Schüler in sozial schwächeren Gegenden überproportional betroffen waren.
Regierung nahm Anpassungen der Noten zurück
Am Montag hatte die Regierung die Anpassungen landesweit rückgängig gemacht. Seitdem gelten die reinen Einschätzungen der Lehrer für die Note.
Die Befürchtungen der Noteninflation scheinen indes berechtigt, wie am Donnerstag veröffentlichte Ergebnisse des General Certificate of Secondary Education (GCSE), einem der mittleren Reife vergleichbaren Schulabschluss, zeigen. Demnach erhielten 25,9 Prozent der Schüler Bestnoten – gegenüber 20,6 Prozent im vergangenen Jahr. Universitäten müssen wegen der Rücknahme der Korrektur bei den A-Levels 15.000 Studenten mehr aufnehmen als ursprünglich geplant.
Die bildungspolitische Sprecherin der Oppositionspartei Labour sagte am Donnerstag, die Regierung des konservativen Premierministers Boris Johnson sei "immer wieder über Probleme mit dem Notenalgorithmus gewarnt" worden. Sie warf der Regierung deshalb "Inkompetenz" vor.
Die Johnson-Regierung steht zwar wegen ihrer Corona-Maßnahmen in vielen Bereichen in der Kritik - das Noten-Chaos ist allerdings politisch besonders heikel, weil zahlreiche Familien unmittelbar betroffen sind und um die Zukunftschancen ihrer Kinder fürchten. Entsprechend schmolz der Vorsprung der Konservativen Partei in Umfragen von neun Prozent vergangene Woche auf zwei Prozent diese Woche ein.
- Nachrichtenagentur AFP