Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Coronavirus-Krise Südostasiens Autoritäre greifen nach mehr Macht
Im Kampf gegen das Coronavirus verabschieden Asiens Regierungen Notstandsgesetze und setzen auf teils radikale Maßnahmen. Oppositionelle befürchten Machtmissbrauch, schreibt Frederic Spohr von der Friedrich-Naumann-Stiftung in einem Gastbeitrag.
Die Millionenmetropole Manila gleicht in diesen Tagen einer Geisterstadt. Es herrscht eine Ausgangssperre, nur die nötigsten Besorgungen sind noch erlaubt. Soldaten und Polizisten kontrollieren an Checkpoints, ob sich die Bürger an die strengen Anordnungen halten. Aufmüpfigen droht der philippinische Staatschef Rodrigo Duterte mit dem Tod: "Meine Anweisungen an die Polizei und das Militär, wenn jemand Ärger macht und ihre Leben in Gefahr sind: Erschießt sie!"
Die aggressive Rhetorik des Präsidenten hat Konsequenzen: Aus dem ganzen Land meldet die Nichtregierungsorganisation Human Rights Watch massive Menschenrechtsverletzungen nach mutmaßlichen Verstößen gegen die Ausgangssperre: In der Stadt Santa Cruz wurden Personen zur Strafe zeitweise in Hundezwinger gesteckt, in der Provinz Cavite sogar in einen Sarg. Im Süden des Landes erschoss die Polizei an einem Checkpoint einen Betrunkenen – weil er gegen die Maskenpflicht verstoßen hatte, war es zum Streit gekommen.
Duterte sichert sich mehr Macht
Duterte, berüchtigt für seinen radikalen Anti-Drogen-Krieg, verschärft nicht nur den Ton. Indem der autoritäre Politiker bereits im März den Notstand ausrufen ließ, sicherte er sich zahlreiche Befugnisse. Unter anderem darf er nun öffentliche Mittel umverteilen. Vergehen wie das Verbreiten mutmaßlich falscher Informationen können nun außerdem mit Gefängnis bestraft werden – eine Regel, die sich leicht gegen Kritiker anwenden lässt. Lokale Anwaltsverbände wie die Free Legal Assistance Group (FLAG) bezeichnen den Machtzuwachs als überflüssig.
Frederic Spohr ist Büroleiter der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung für die Staaten Thailand und Myanmar. Sein Büro hat er in Thailands Hauptstadt Bangkok.
Die Fallzahlen in Südostasien sind zwar noch relativ gering, steigen aber kontinuierlich. In Vietnam zählt die Johns-Hopkins-Universität etwas mehr als 250 Infektionen, auf den Philippinen mehr als 4.600, in Thailand mehr als 2.500 und in Malaysia sind es rund 5.000. Im Vergleich zu Europa sind das noch wenige Fälle: In der EU registrierten Mediziner bereits weit mehr als eine halbe Million Ansteckungen, in Südostasien sind es insgesamt weniger als 15.000. Allerdings rechnen Mediziner mit einer hohen Dunkelziffer.
Eine Region im Alarmzustand
Trotz der niedrigen Fallzahlen ist die Region bereits seit Wochen im Alarmzustand. Reisen zwischen den Staaten sind nahezu unmöglich geworden. In vielen der sonst so wuseligen Megastädte ist das Leben deutlich heruntergefahren. In Bangkok mussten die großen Kaufhäuser in der Innenstadt schließen, Restaurants dürfen ihr Essen nur noch zum Mitnehmen oder als Lieferung anbieten. Nachts herrscht in der Hauptstadt eine fast vollständige Ausgangssperre, mehrere Provinzen sind abgeriegelt.
Thailand und Myanmar haben außerdem die Feierlichkeiten zum lokalen Neujahrsfest verschoben – ein bisher einmaliger Schritt. Als in Myanmar die ersten Fälle bestätigt wurden, stürmten die Menschen noch nachts panisch in die Supermärkte und hamsterten Lebensmittel.
Die Verunsicherung der Bevölkerung könnte auch den oft einflussreichen Armeen der Regionen zugutekommen. In Myanmar gelten die Streitkräfte als Gegenspieler zur zivilen Regierung von Aung San Suu Kyi, dem Militär sind per Verfassung drei sicherheitsrelevante Ministerien unterstellt. Nun präsentieren sich die Soldaten als schlagfertige Katastrophenschützer. Sie bauen 17 Militärhospitäler zu Corona-Krankenhäusern um, während die zivile Regierung kopflos wirkt und nur über begrenzte Ressourcen verfügt.
Sonderrechte für Thailands Regierungschef
Auch in Thailand hat Regierungschef Prayuth Chan-o-cha den Ausnahmezustand erklärt. Der General hatte sich 2014 an die Macht geputscht und ließ sich erst 2019 in einer eingeschränkt freien Wahl demokratisch legitimieren. Jetzt verfügt Prayuth wieder über viele Sonderrechte, die er auch als Junta-Chef innehatte.
Der neue Status erlaubt der Regierung unter anderem das Militär einzusetzen, um Versammlungen aufzulösen. Außerdem darf die Regierung die Presse nun noch stärker kontrollieren – eine Praxis, die auch schon vor der Pandemie Alltag war und nun noch einfacher wird. Schon vor dem Ausnahmezustand nahmen Sicherheitskräfte einen Mann fest, der sich über schwache Gesundheitskontrollen an einem Bangkoker Flughafen auf Facebook beschwert hatte. Ihm wird nun vorgeworfen, gegen den "Computer Crime Act" verstoßen zu haben. Bei einer Verurteilung drohen ihm bis zu fünf Jahre Haft.
Wie leicht die Pandemie politisch instrumentalisiert werden kann, zeigt sich auch in Kambodscha. Dort nahmen Sicherheitskräfte vier Mitglieder der offiziell aufgelösten Cambodia National Rescue Party fest. Der Grund: Die Oppositionellen hatten öffentlich daran gezweifelt, dass die Regierung das Virus eindämmen könnte. Laut Human Rights Watch musste sogar ein 14 Jahre altes Mädchen in Polizeigewahrsam. Sie hatte in einem Sozialen Netzwerk ihre Angst vor Covid-19 ausgedrückt.
Die in Gastbeiträgen geäußerten Ansichten spiegeln die Meinung des Autors wider und entsprechen nicht notwendigerweise denen der t-online.de-Redaktion.