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Streit um Hilfslieferungen: Dutzende Verletzte an Venezuelas Grenze


Machtkampf in Caracas
Dutzende Verletzte an Venezuelas Grenze

Von dpa
Aktualisiert am 23.02.2019Lesedauer: 4 Min.
Der trotz der Ablehnung des venezolanischen Präsidenten von den USA bereitgestellte Transport soll etwa 200 Tonnen Material nach Venezuela bringen.Vergrößern des Bildes
Der trotz der Ablehnung des venezolanischen Präsidenten von den USA bereitgestellte Transport soll etwa 200 Tonnen Material nach Venezuela bringen. (Quelle: Fernando Vergara/AP./dpa)

Cúcuta/Boa Vista (dpa) - Im erbitterten Machtkampf zwischen Opposition und sozialistischer Regierung in Venezuela haben sich die Spannungen an den Grenzen des verarmten Krisenstaats massiv verschärft.

Vier Lastwagen mit Hilfsgütern für die notleidende Bevölkerung Venezuelas durchbrachen am Samstag eine Barriere auf einer Brücke in der kolumbianischen Grenzstadt Cúcuta. Sicherheitskräfte des Staatschefs Nicolás Maduro stoppten den Konvoi am Ende der Brücke, indem sie mit Tränengas und Gummigeschossen schossen. Rund 100 Menschen wurden dabei verletzt, wie CNN en Español unter Berufung auf örtliche Kliniken berichtete. Drei der Lastwagen gerieten Berichten zufolge aus zunächst ungeklärter Ursache in Brand.

Maduro brach als Reaktion die diplomatischen Beziehungen zum Nachbarland ab. Es sei nicht zu tolerieren, dass sich Kolumbien für eine Aggression gegen Venezuela hergebe, sagte er bei einer Massenkundgebung vor Anhängern in Caracas. Alle kolumbianischen Diplomaten und Konsularbeamte müssten binnen 24 Stunden Venezuela verlassen.

Maduro bezeichnete den selbst ernannten Interimspräsidenten Juan Guaidó als "Clown, Hampelmann, und eine Marionette des US-Imperialismus". Der junge Oppositionspolitiker, der von den USA und anderen westlichen Staaten unterstützt wird, hat mit Hilfe des kolumbianischen Präsidenten Iván Duque die Sammlung von 600 Tonnen Hilfsgüter in Cúcuta, an der Grenze zu Venezuela, organisiert. Auch in Brasilien standen an der Grenze Lastwagen, die aber auf Maduros Befehl ebenfalls nicht hereingelassen wurden.

Maduro hat die Grenzen geschlossen, um die Einfuhr der Hilfsgüter zu blockieren. In Venezuela herrscht zwar eine schwere Lebensmittelknappheit. Die Regierung mutmaßt aber, Guaidó wolle mit den Hilfslieferungen eine ausländische Militärintervention unter Beteiligung der USA und den Sturz Maduros einleiten. Maduro erklärte sich zum Sieger im Tauziehen um die Hilfsgüter. "Der Staatsstreich (der Opposition) ist gescheitert", sagte er.

Guaidó schrieb zwar auf Twitter, ein Lastwagen mit Hilfsgütern habe von Brasilien aus bereits die Grenze passiert. TV-Bilder zeigten jedoch, dass dies nicht stimmte.

Im venezolanischen Ort Ureña, an der Grenze zur kolumbianischen Stadt Cucúta, protestierten Hunderte Demonstranten gegen die Schließung der Übergänge - und wurden von Sicherheitskräften mit Tränengas und Gummigeschossen zurückgedrängt. Die Demonstranten zündeten ihrerseits Autoreifen an und bewarfen die Polizei mit Steinen. Mindestens 20 Menschen wurden bei den Zusammenstößen verletzt, wie der Sender Radio Caracol meldete. Die Demonstranten waren vor allem Bewohner des Grenzgebiets, die täglich die Grenze überqueren, entweder zum Einkaufen oder zur Arbeit.

Kolumbiens Staatschef Iván Duque forderte die freie Einfuhr von Hilfsgütern. Die Blockade der Transporte sei ein "Attentat gegen die Menschenrechte", sagte Duque in Cúcuta auf einer Pressekonferenz mit Guaidó und dem chilenischen Präsidenten Sebastián Piñera.

Auch Guaidó rief die venezolanischen Sicherheitskräfte auf, sich "auf die Seite der Verfassung" zu stellen und die Hilfsgüter durchzulassen. Dann machte sich der Interimspräsident, der inzwischen von Dutzenden Staaten und auch Deutschland anerkannt ist, nach eigenen Angaben auf den Weg an die Grenze.

Guaidó war am Freitag unbehelligt nach Kolumbien gereist, um dem Benefizkonzert "Venezuela Aid Live" in Cúcuta beizuwohnen. Viele westliche Staaten unterstützen den jungen Politiker, andere wie Russland und China stehen auf Seite der Führung in Caracas.

Mindestens fünf venezulanische Armeeangehörige setzten sich am Samstag nach Kolumbien ab und schlugen sich auf die Seite Guaidós. Drei von ihnen durchbrachen mit einem Panzerwagen die Barrieren auf der Grenzbrücke Simón Bolívar.

In Kolumbien standen 600 Tonnen Hilfsgüter bereit, in Brasilien weitere 200 Tonnen Medikamente und Nahrungsmittel. Ein Schiff mit 200 Tonnen sei außerdem am Samstag von Puerto Rico ausgelaufen, erklärte der Oppositionsabgeordnete Miguel Pizarro in Caracas.

Tausende freiwillige Helfer und Anhänger Guaidós hatten angekündigt, gegebenenfalls mit eigenen Händen die Nahrungsmittel und Medikamente von Kolumbien aus ins Land zu bringen, falls die Lastwagen nicht die Grenzübergänge passieren können. Befürchtet wurde ein Blutvergießen, falls Soldaten die Menschen mit Gewalt stoppen.

In der brasilianischen Grenzstadt Pacaraima trafen am Samstag die ersten zwei Lastwagen mit Hilfsgütern ein. Wie das Nachrichtenportal G1 berichtete, transportieren sie rund sieben Tonnen Lebensmittel und Medikamente. Brasiliens Außenminister Ernesto Araújo erklärte in Pacaraima, dass sie in Venezuela ausgeliefert werden sollen.

An der geschlossenen Grenze zu Brasilien war es am Freitag auf venezolanischer Seite zu einem schweren Zusammenstoß von Sicherheitskräften mit indigenen Bewohnern gekommen, die üblicherweise auf der anderen Seite der Grenze in Brasilien Lebensmittel einkaufen. Zwei Demonstranten seien in der Ortschaft San Francisco de Yuruaní getötet worden, erklärte der venezolanische Oppositionsabgeordnete Américo De Grazia. Elf weitere Menschen wurden verletzt in Krankenhäuser auf der brasilianischen Seite eingeliefert.

Die US-Regierung warnte Maduro und das Militär vor neuer Gewaltanwendung. In einer am Freitagabend (Ortszeit) verbreiteten Erklärung forderte auch das Weiße Haus die Soldaten auf, Hilfsgüter für das Volk ungehindert passieren zu lassen. "Die Welt sieht zu", warnten die USA. Präsident Donald Trump schrieb tags darauf auf Twitter: "Gott segne das Volk Venezuelas."

Der Nationale Sicherheitsberater John Bolton sagte eine geplante Reise nach Südkorea ab, um die Lage in Venezuela zu beobachten. UN-Generalsekretär António Guterres forderte ebenfalls die venezolanischen Sicherheitskräfte auf, keine Gewalt gegen Demonstranten einzusetzen.

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