Mord an Enthüllungsjournalist Kuciak "Drohungen müssen ernst genommen werden"
Ein Doppelmord beendet das Leben des Journalisten Jan Kuciak und seiner Verlobten. Er hatte wegen Bestechung recherchiert. Die Tat zeigt: Auch in Europa können Journalisten nicht mehr gefahrlos arbeiten.
Bedroht wurde Investigativ-Journalist Jan Kuciak schon mehrere Monate lang. Am Wochenende endete das Leben des 27-jährigen Slowaken. Mit einem Schuss in den Bauch hatte ihn sein Mörder getötet. Neben ihm lag seine Verlobte, mit einem Kopfschuss niedergestreckt, in ihrem Privathaus in Velka Mace, 60 Kilometer von der slowakischen Hauptstadt Bratislava entfernt. Das wahrscheinlichste Motiv: Seine Recherchen zum Thema Steuerhinterziehung – unter anderem bei den Enthüllungen der sogenannten Panama Papers. Bei seiner Arbeit für das Internetportal Aktuality.sk machte er auch vor Unternehmergrößen nicht Halt. Die drohten ihm unverhohlen mit "Vergeltung".
"Die Slowakei hat noch nie einen solch beispiellosen Angriff auf einen Journalisten erlebt", sagte der Polizeipräsident des Landes, Tibor Gaspar. Er versprach vorbeugende Schutzmaßnahmen für andere Journalisten, die wegen ihrer Tätigkeit gefährdet sein könnten. Wer sich bedroht fühle, solle sich bei der Polizei melden, so der Polizeichef.
Zweiter Journalistenmord in der EU in fünf Monaten
Alle wichtigen Spitzenpolitiker des Landes reagierten mit Entsetzen auf den Mord. Ministerpräsident Robert Fico nannte ihn "eine abstoßende Tat" und ergänzte: "Wenn sich ein Zusammenhang mit der journalistischen Arbeit bestätigen sollte, wäre dies ein noch nie dagewesener Angriff auf Pressefreiheit und Demokratie im Land." EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker äußerte sich "schockiert". Er verurteile die "feige Tat". Für Angriffe auf Journalisten und Einschüchterungsversuche dürfe es keinen Platz geben in Europa. Auch Tschechiens Regierungschef Andrej Babis und EU-Parlamentspräsident Antonio Tajani äußerten sich schockiert über den Mord und forderten dringend Aufklärung.
Der Geschäftsführer von Reporter ohne Grenzen, Christian Mihr, erklärte, "zum zweiten Mal innerhalb von fünf Monaten" sei in einem Land der Europäischen Union ein Journalist ermordet worden. Die slowakischen Behörden müssten "jetzt schnell aufklären, wie es zu dieser schockierenden Tat kommen konnte, obwohl Jan Kuciak schon vor Monaten bedroht wurde".
Im Oktober des vergangenen Jahres explodierte eine Autobombe auf Malta. Ziel des Angriffes war Daphne Caruana, eine Journalistin, die Steuerhinterziehung von großen Unternehmen in ihrem Land offenlegte. Auch sie war vor dem Anschlag mehrfach bedroht worden. Ihr Sohn machte der EU-Kommission schwere Vorwürfe. "Meine Familie hat die EU-Kommission gewarnt, dass Malta mit der Ermordung meiner Mutter Daphne Caruana Galizia einen neuen Standard für zulässiges Verhalten innerhalb der EU gesetzt hat und andere bald sterben würden, wenn nicht entschiedene Maßnahmen ergriffen werden", twitterte er. "Jan Kuciak hätte gerettet werden können.
Jeder dritte Journalist wird von krimineller Gruppe getötet
Das Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ), eine Nichtregierungsorganisation in den USA, sagte, der Mord an Kuciak sei eine düstere Mahnung, Drohungen gegenüber Journalisten ernst zu nehmen. Kuciak sei der erste Journalist in der Slowakei, der wegen seiner Arbeit getötet wurde. Laut Recherchen der CPJ sind in den letzten 30 Jahren mehr als 250 Journalisten weltweit umgebracht worden, weil sie zum Thema Korruption recherchiert hätten.
In den vergangenen Jahrzehnten wurden immer wieder Morde an Journalisten in Europa begangen, zeigen die Statistiken des CPJ. So starben 1993 ein litauischer Journalist, drei Jahre später eine Journalistin in Italien. 2001 wurde Gundars Matiss in Lettland ermordet, Ivo Pukanic 2008 in Kroatien und Lukasz Masiak 2015 in Polen. 2017 dann die Autobombe auf Malta. Dazu gab es in Russland seit 1992 36 Morde an Journalisten. Tatmotiv für die Morde war jeweils die Arbeit der Medienleute. Mehr als ein Drittel von ihnen recherchierte zu Kriminalität, mehr als die Hälfte zu Korruption. Jeder dritte Journalist sei von einer kriminellen Gruppierung ermordet worden, so die Recherchen des CPJ.
- eigene Recherche
- Committee to Protect Journalist
- dpa
- Reuters
- AFP