Ukraine-Bericht von Human Rights Watch Separatisten bestrafen Zivilisten mit Zwangsarbeit
Human Rights Watch
Nach dem Bericht von Human Rights Watch (HRW) zwingen die Separatisten in der Ost-Ukraine Zivilisten zu mehrwöchigen Arbeitseinsätzen. Kleinste Verstöße gegen die öffentliche Ordnung würden als Vorwand genommen, um Zwangsarbeiter einzusetzen, berichtet die Menschenrechtsorganisation.
Es geht um sogenannte Strafbrigaden. Die dort eingesetzten Bürger würden in manchen Fällen geschlagen und misshandelt. HRW spricht von mehreren Vorkommnissen, in denen solche Zwangsarbeiter an Checkpoints nahe der Front eingesetzt worden seien - wo sie dem Risiko von Beschuss der Regierungstruppen ausgesetzt waren. Hugh Williamson, Regionaldirektor bei HRW, spricht von "schwerwiegenden Verstößen gegen das Kriegsrecht".
Der Bericht wurde am Freitagmorgen veröffentlicht. Am Nachmittag könnte eine Waffenruhe in der Region in Kraft treten - noch am Donnerstag gab es heftige Kämpfe. Zuletzt erlitten Regierungstruppen schwere Niederlagen.
Die "New York Times" hatte bereits Anfang August berichtet, dass die Separatisten Strafbrigaden einsetzten. Auch die Uno-Menschenrechtskommission teilte vergangene Woche mit, dass viele Menschen in den umkämpften Gebieten zur Zwangsarbeit herangezogen würden.
Bis zu 30 Tage Strafarbeit für kleinste Vergehen
HRW präsentiert nun Details zum System der Zwangsarbeit. Die Organisation interviewte dafür Mitte August in der umkämpften Stadt Donezk mehrere Betroffene, deren Verwandte sowie einen Kämpfer auf der Seite der Separatisten.
Sie alle hätten ausgesagt, dass Zivilisten für kleine Verstöße wie Alkoholtrinken in der Öffentlichkeit oder die Missachtung der Ausgangssperre bis zu 30 Tage in Strafbrigaden arbeiten mussten. In zwei Fällen seien Bürger verpflichtet worden, weil sie Bier auf der Straße getrunken hätten. Ein Separatist gab an, die Bürger würden etwa eingesetzt, um Schützengräben auszuheben oder Gebäude auf Militärbasen zu reinigen.
Einige der Fälle, die der Bericht aufzählt:
- Ein 28-jähriger Student gab an, er sei festgesetzt worden, weil er ein Bier auf offener Straße getrunken habe. Er habe sechs Tage in einer kleinen Strafbrigade an einem Checkpoint nahe Pervomaiskoje arbeiten müssen, zehn Kilometer von der damaligen Frontlinie zwischen Regierungstruppen und Separatisten entfernt.
- Ein Vater berichtete, dass sein Sohn Dmitrij Mitte August kurz nach Mitternacht auf dem Heimweg nach einer Verabredung aufgegriffen worden sei. Ihm wurde vorgeworfen, eine von 23 Uhr bis 6 Uhr geltende Ausgangssperre gebrochen zu haben. Ein Vertreter der Rebellen teilte dem Vater drei Tage später mit, dass Dmitrij nun zwei Wochen in einer Strafbrigade arbeiten werde.
- Ein 22-Jähriger gab an, er sei betrunken aufgegriffen und im Verwaltungsgebäude mehrfach geschlagen worden. Er habe zehn Tage in einer Strafbrigade Sandsäcke gefüllt und Gemüse geschält. Der Einsatz an einem Checkpoint habe ihn verängstigt, weil in der Nähe Geschosse eingeschlagen seien.
HRW betont, dass diese Praxis gegen das humanitäre Völkerrecht verstoße. Zwar sieht das Kriegsrecht die Möglichkeit von Zwangsarbeit vor, allerdings müsse diese entlohnt werden und dürfe weder mit Misshandlung einhergehen noch in direktem Zusammenhang zu Militäroperationen stehen.