"Wähler werden zu Zuschauern" Frankreich streitet über Le Pens Verurteilung

Der Schuldspruch gegen Marine Le Pen löst in Frankreich hitzige Diskussionen aus. Die Rechtspopulistin sieht sich als Opfer eines politischen Manövers. Die französische Presse bewertet das Urteil hingegen unterschiedlich.
Marine Le Pen ist wegen der Veruntreuung öffentlicher Gelder in ihrer Zeit als EU-Abgeordnete schuldig gesprochen worden. Ein Gericht in Paris hat sie am Montag zu zwei Jahren Haft mit elektronischer Fußfessel verurteilt. Zwei weitere Jahre Haft setzte das Strafgericht in Paris zur Bewährung aus.
Das Brisante: Le Pen darf nach dem Urteil fünf Jahre lang nicht mehr bei Wahlen antreten – ein herber Rückschlag für die bis dahin aussichtsreiche Kandidatin für die Präsidentschaftswahl 2027. Die ehemalige Vorsitzende des Rassemblement National (RN, bis 2018 Front National) inszeniert sich nun als Opfer eines politisch motivierten Urteils und spricht von einem "autoritären Regime".
So reagiert die französische Presselandschaft auf das Urteil und Le Pens anschließende Äußerungen:
"Nicht das Opfer eines politischen Prozesses"
Le Pens Äußerungen nach dem Urteil seien ein Angriff auf die Justiz, heißt es in der Huffington Post. "Ihre Art der Verteidigung hat den Vorteil, dass sie den Inhalt – eine Verurteilung wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder, die de facto ihre Integrität infrage stellt – umgeht", ordnet die Onlinezeitung Le Pens Reaktion ein.
"Marine Le Pen ist weder das Opfer eines 'politischen Prozesses' noch eines Komplotts der 'Regierung der Richter'. In unserem Land üben die Richter Recht auf der Grundlage eines kontradiktorischen Verfahrens aus, bei dem der Angeklagte volle Freiheit hat, sich zu verteidigen", heißt es in einem Kommentar der Zeitung Ouest-France.
Richter werden zu "Schiedsrichtern"
Auch die sozialistische Tageszeitung l'Humanité sieht in dem Urteil einen "Sieg für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit". Dass Le Pen, die in der Vergangenheit selbst lebenslanges Politikverbot für ebensolche Verstöße forderte, nun ein "politisches Urteil" wittere, sei ein durchsichtiges Manöver. "Die Wahrheit ist unwichtig, Hauptsache, man erzählt die Geschichte, die gerade passt", heißt es in einem Kommentar.
Die konservative Tageszeitung Le Figaro sieht die Vorgehensweise des Gerichts hingegen deutlich kritischer: Die Richter hätten sich in dem Prozess zu "Schiedsrichtern" im Präsidentschaftswahlkampf auserkoren und somit die Wähler zu "Zuschauern" verdammt.
"Le Pen verschließt sich der Realität"
Trotz ihrer Verurteilung hält Le Pen an ihren politischen Ambitionen fest. Die französische Tageszeitung Le Monde kritisiert, sie verschließe sich der Realität, indem sie sich weigere, ihren Nachfolger Jordan Bardella schon jetzt für die Wahl 2027 zu unterstützen.
"Der Rassemblement National stürzt ins Ungewisse", titelt 20minutes. Frankreichs größte Gratiszeitung gehört zu den Stimmen, die größere Probleme für die rechtspopulistische Partei erwarten. Le Pen und der RN hätten im Vorfeld die Möglichkeit der Verurteilung nicht ernst genug genommen, heißt es dort.
- huffingtonpost.fr: "Marine Le Pen et le Rassemblement lancent une contre-attaque désespérée après la peine d’inéligibilité" (französisch)
- ouest-france.fr: "Éditorial. Marine Le Pen condamnée : un jugement n’est pas un déni de démocratie" (französisch)
- humanite.fr: "Marine Le Pen condamnée : une victoire pour la démocratie et l’État de droit" (französisch, kostenpflichtig)
- lefigaro.fr: "Macron-Le Pen : juges, arbitres et électeurs spectateurs" (französisch, kostenpflichtig)
- lemonde.fr: "Après sa condamnation à cinq ans d’inéligibilité, Marine Le Pen s’enferme dans le déni, au risque d’ébranler un peu plus le RN" (französisch, kostenpflichtig)
- 20minutes.fr: "Condamnation de Marine Le Pen : le Rassemblement national plongé dans l’inconnu" (französisch)
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