Regierungsbildung Österreich: Signale für Koalition von rechter FPÖ mit ÖVP
Es ist ein dramatisches Wochenende in Österreich, mit dem Scheitern der Koalitionsgespräche und einem Kanzler-Rücktritt. Nun bahnt sich eine Lösung an. Die rechte FPÖ steht vor einem Triumph.
In Österreich bahnt sich nach dramatischen Krisengesprächen eine Regierungskoalition der rechten FPÖ mit der konservativen ÖVP an. Bundespräsident Alexander Van der Bellen kündigte für Montag ein Gespräch mit FPÖ-Chef Herbert Kickl über die künftige Regierungsbildung an - ohne aber den umstrittenen Rechtspopulisten sofort damit zu beauftragen. Auch die ÖVP zeigte sich offen für ein solches Bündnis. Es wäre das erste Mal, dass die FPÖ den Kanzler stellt.
Der 56-jährige Kickl, der sich im Wahlkampf als "Volkskanzler" positioniert hatte, ist unter anderem bekannt für seine russlandfreundliche Haltung und eine äußerst strikte Migrationspolitik mit Abschiebungen im großen Stil. Die FPÖ hatte die Parlamentswahl vor drei Monaten mit knapp 29 Prozent klar gewonnen.
Geplatzte Gespräche am Beginn dramatischer Stunden
Den Weg für eine immer wahrscheinlichere FPÖ-ÖVP-Koalition hatten innenpolitisch dramatische Tage freigemacht. Zunächst waren die Koalitionsgespräche von konservativer ÖVP, sozialdemokratischer SPÖ und liberalen Neos nach sechs Wochen eher überraschend gescheitert, als die Neos aus den Verhandlungen ausstiegen. Danach folgten kurzlebige und erfolglose bilaterale Gespräche zwischen ÖVP und SPÖ, die am Samstag scheiterten.
Rücktritts-Ankündigung von Kanzler Nehammer
Als Konsequenz auf das Scheitern der Bündnis-Gespräche kündigte Kanzler Karl Nehammer, dessen politisches Schicksal mit dem Gelingen einer solchen Koalition verbunden war, seinen Rücktritt als Regierungschef und ÖVP-Chef an. Er hatte die ÖVP auf den Kurs eingeschworen, keinesfalls mit der FPÖ unter Kickl zusammenzuarbeiten. Übergangsweise wurde der bisherige ÖVP-Generalsekretär Christian Stocker für das Amt das Parteichefs designiert.
Stocker erklärte, dass die ÖVP nun offen für Verhandlungen mit der FPÖ über eine Regierungskoalition sei, wenn sie dazu eingeladen werde. Solche Gespräche seien ihrer Natur nach immer "ergebnisoffen", sagte Stocker.
Mit der Öffnung zur FPÖ hat sich der Wirtschaftsflügel der ÖVP durchgesetzt. Immer wieder war bei beiden Parteien davon die Rede, dass sich das Wirtschaftsprogramm extrem ähnle.
Comeback von Kurz als Option gehandelt
"Wir werden da unsere Seele nicht verkaufen", sagte der einflussreiche Salzburger Ministerpräsident Wilfried Haslauer (ÖVP) mit Blick auf die nun erwarteten Koalitionsgespräche. Er verwies, darauf dass die Option Neuwahl die Ausgangslage für die ÖVP nicht verändert hätte.
Zwischenzeitlich wurde auch ein Comeback von Ex-Kanzler Sebastian Kurz als Option für die ÖVP gehandelt. Am Sonntag wurde dann klar, dass der 38-Jährige, der inzwischen als Unternehmer erfolgreich ist, nicht als Nachfolger des aktuellen Kanzlers und ÖVP-Chefs Nehammer zur Verfügung steht, wie es aus seinem Umfeld hieß.
Bundespräsident verweist auf Stimmungswandel
Die Entwicklung gilt auch als ein Schlag für den Bundespräsidenten, der eine Dreier-Koalition ohne FPÖ präferiert hatte. Nun gehe es aber darum, dass Österreich eine handlungsfähige und stabile Regierung erhalte, so das Staatsoberhaupt. Er habe den Eindruck, dass die Stimmen in der ÖVP, die eine Zusammenarbeit mit Kickl ausschließen, deutlich leiser geworden seien. "Das wiederum bedeutet, dass sich möglicherweise ein neuer Weg auftut."
Zunächst werde Nehammer im Amt bleiben, bevor er dann im Lauf der kommenden Woche einen neuen Kanzler einer Übergangsregierung mit dem Amt betrauen werde, so Van der Bellen.
Das Staatsoberhaupt hatte in seinen Erklärungen immer wieder betont, das er "nach bestem Wissen und Gewissen" darauf achten werde, dass die Grundpfeiler der Demokratie - er nannte den Rechtsstaat, die Gewaltenteilung, freie, unabhängige Medien und die EU-Mitgliedschaft - weiter hochgehalten würden.
Als Alternative zu FPÖ-ÖVP-Verhandlungen stand und steht auch eine Neuwahl im Raum. Die könnten wegen der langen Vorlaufzeit allerdings erst in etwa drei Monaten stattfinden. Meinungsforscher erwarten, dass bei dem Urnengang die FPÖ noch deutlicher gewinnen würde als im Herbst.
Erfolge der FPÖ am laufenden Band
Die FPÖ, die nach der Ibiza-Affäre vorübergehend viel Kredit bei den Wählern verloren hatte, feiert seit Jahren auf Bundes- und Landesebene viele Erfolge. Die Rechtspopulisten regieren inzwischen in fünf der neun österreichischen Bundesländer mit, in der Steiermark stellt die FPÖ den Ministerpräsidenten. Kickl ist es gelungen, von der äußerst schwierigen wirtschaftlichen Lage zu profitieren und die Schuld an der Misere den anderen Parteien anzulasten.
In diesem Jahr stehen noch zwei Landtagswahlen an. In zwei Wochen im bisher von der SPÖ mit absoluter Mehrheit regierten Burgenland und im Herbst im ebenfalls von den Sozialdemokraten regierten Wien. Auch in diesen Ländern kann die FPÖ mit einem großen Stimmenplus rechnen.
- Nachrichtenagentur dpa