Lage im Überblick Erneut Angriffe in Beirut - Sorge um Irans Atomanlagen
Der gegenseitige Beschuss zwischen Israel und der Hisbollah geht weiter. Greift Israel nach Irans Raketenangriff die Atomanlagen des Feindes an? US-Präsident Biden hat dazu eine klare Meinung.
Israels Armee setzt nach erneutem Beschuss die Angriffe auf die Hisbollah-Miliz im Libanon fort. Erneut werden auch Wohngebiete der Hauptstadt Beirut zum Ziel. Das Militär meldete dort am späten Abend einen "präzisen" Angriff. Im Stadtviertel Basta-Bachoura wurden nach Behördenangaben mindestens sechs Menschen bei einem Luftangriff getötet. Derweil sprach sich US-Präsident Joe Biden nach dem Raketenangriff des Irans auf Israel gegen eine Attacke auf Atomanlagen der Islamischen Republik aus. "Die Antwort ist nein", sagte Biden auf die entsprechende Frage eines Reporters. Israel habe aber ein Recht, auf Irans Angriff zu reagieren. Die USA sind Israels wichtigster Verbündeter.
Biden hatte dafür geworben, die Reaktion auf den iranischen Raketenangriff vom Dienstag gut abzuwägen. In einer gemeinsamen Schalte der Gruppe sieben großer demokratischer Industrienationen (G7) sei auch über neue Sanktionen gegen den Iran gesprochen worden, wie das Weiße Haus mitteilte. Man arbeite an einer gemeinsamen Erklärung, hieß es weiter. Israel bereite sich darauf vor, auf den iranischen Raketenangriff mit Attacken innerhalb des Irans in den kommenden Tagen zu reagieren, berichtete das US-Nachrichtenportal "Axios".
Greift Israel die iranischen Atomanlagen an?
Laut israelischen Beamten könnten Ölförderanlagen und andere strategische Einrichtungen im Iran ins Visier genommen werden, berichtete das Nachrichtenportal weiter. Die "New York Times" hatte zuvor unter Berufung auf US-Beamte gemeldet, in einem möglichen Szenario könnte Israel auch Irans Nuklearanlagen angreifen. Insbesondere die Anreicherungsanlagen in Natans, dem Herzstück des iranischen Atomprogramms, könnten im Visier stehen, hieß es. Der Iran behauptet, es diene nur zivilen Zwecken. Das sehen Israel und der Westen anders.
"Israel darf diese einmalige Gelegenheit zur Zerstörung des iranischen Atomprogramms nicht verpassen", schrieb der frühere israelische Ministerpräsident Naftali Bennett auf der Plattform X. "Wenn wir es jetzt nicht tun, sehe ich nicht, dass es jemals passieren wird", meinte er. UN-Generalsekretär António Guterres forderte die Konfliktparteien erneut zu einer Waffenruhe auf. "Die wütenden Brände im Nahen Osten entwickeln sich rasch zu einem Inferno", sagte er bei einer Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates in New York.
Guterres "unerwünschte Person" - UN: Politisches Statement
Guterres ging nicht darauf ein, dass Israel ihn zuvor zur "unerwünschten Person" erklärt und dies unter anderem damit begründet hatte, dass der UN-Generalsekretär den iranischen Raketenangriff nicht eindeutig verurteilt habe. Die Vereinten Nationen sehen in Israels Erklärung einen politischen Schachzug. Es handle sich um einen weiteren Angriff auf einen UN-Mitarbeitenden durch Israels Regierung, sagte Guterres" Sprecher Stéphane Dujarric.
Derweil geht Israel weiter massiv gegen die vom Iran unterstützte Hisbollah-Miliz im Libanon vor. Details zu dem gezielten nächtlichen Angriff in Beirut nannte die Armee zunächst nicht. Ersten Berichten zufolge wurde eine Wohnung in einem Gebäude getroffen. Nach Behördenangaben gab es neben mindestens sechs Toten im Stadtviertel Basta-Bachoura auch sieben Verletzte. Augenzeugen in Beirut berichteten zudem von mehreren Angriffen auf einen südlichen Vorort der Stadt. Explosionsgeräusche waren in der ganzen Hauptstadt zu hören. Anwohner berichteten von über der Stadt kreisenden Drohnen und Kampfflugzeugen.
Bundesregierung holt erneut per Flugzeug Deutsche aus Beirut
Die Bundeswehr ließ unterdessen weitere 130 deutsche Staatsangehörige über den Flughafen von Beirut nach Deutschland ausfliegen. Die besonders gefährdeten Deutschen seien von einem Airbus A330 der multinationalen Lufttransporteinheit MMU (Multinational Multi Role Tanker Transport Unit) abgeholt worden, teilten das Auswärtige Amt und das Verteidigungsministerium in Berlin mit. Die Maschine landete am Abend in Frankfurt am Main. Zuerst hatte der "Spiegel" über den Flug berichtet. Bisher seien mit Bundeswehrmaschinen insgesamt 241 Personen aus dem Libanon ausgeflogen worden, teilten die Ministerien mit.
Derweil heulten auch in zahlreichen Gebieten im Norden und im Zentrum Israels in der Nacht wieder die Warnsirenen. Die Luftwaffe fing nach eigenen Angaben vor der Küste Zentralisraels ein verdächtiges Flugobjekt ab. Der Norden des Landes war am Vortag nach Angaben der israelischen Armee erneut mit rund 140 Raketen aus dem Libanon angegriffen worden. Ein Teil der Geschosse sei von der Raketenabwehr abgefangen worden, andere Geschosse seien in offenem Gelände eingeschlagen, hieß es. Am Dienstag waren erstmals seit fast zwei Jahrzehnten israelische Bodentruppen wieder in den Libanon eingerückt.
Tote auf beiden Seiten
Erstmals seit Beginn der Bodenoffensive erlitten die israelischen Streitkräfte Verluste, acht Soldaten fielen im Kampf mit der Hisbollah, wie die Armee bekanntgab. Bald ein Jahr nach Beginn des Gaza-Kriegs am 7. Oktober verlagert sich der Schwerpunkt der Kämpfe damit in Richtung des nördlichen Nachbarlandes. Erklärtes Ziel Israels ist es, die Schiitenmiliz von der Grenze zu vertreiben, damit rund 60.000 evakuierte Israelis in ihre Häuser zurück können. Allein am Mittwoch wurden nach offiziellen Angaben bei israelischen Angriffen 46 Menschen im Libanon getötet. 85 weitere wurden verletzt, wie das Gesundheitsministerium mitteilte.
Infolge der massiven israelischen Angriffe stieg die Zahl der Vertriebenen im Libanon nach Regierungsangaben auf rund 1,2 Millionen. Rund 160.000 Menschen davon sind nach Aussagen des Leiters des Notfallausschusses der Regierung, Nasser Yassin, in Notunterkünften untergekommen. Die anderen seien zu Freunden, Verwandten, in Hotels oder in eigene Häuser in anderen Gegenden gezogen, meldete die staatliche Nachrichtenagentur NNA. Nach Regierungsangaben überquerten seit Beginn der intensiven israelischen Angriffe vergangene Woche fast 300.000 Menschen die Grenze nach Syrien.
Tote auch in Syrien
Dort wurden bei einem Angriff auf die Hauptstadt Damaskus nach syrischen Berichten drei Menschen getötet. Die staatliche Nachrichtenagentur Sana meldete, ein israelischer Angriff habe ein Wohngebäude getroffen. Dabei seien auch drei Menschen verletzt worden. Das israelische Militär äußerte sich, wie in solchen Fällen üblich, nicht dazu. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte bestätigte den Angriff und berichtete zunächst von mindestens zwei Toten. Unter den Opfern soll auch der Schwiegersohn des vom israelischen Militär getöteten Hisbollah-Chefs Hassan Nasrallah gewesen sein. Das Gebäude wurde demnach von Mitgliedern der Hisbollah-Miliz und der iranischen Revolutionsgarden genutzt.
- Nachrichtenagentur dpa