Politkrise in Frankreich Neue Regierung in Paris steht vor großen Herausforderungen
Die Krise in Frankreich ist mit der neuen Regierung nicht beendet, die Gräben scheinen tiefer als je zuvor. Dazu kommt ein drückender Schuldenberg - und wie steht es eigentlich um Macron?
Nach dreieinhalb Monaten politischer Krise steht Frankreichs neue Regierung. Der Élysée-Palast teilte am Abend die Namen der über 30 Minister und Staatssekretäre mit. Das linke Lager, das die vorgezogenen Parlamentswahlen mit einer relativen Mehrheit gewonnen hatte, wird nur einen Minister stellen, dafür gehören nun mehrere Mitglieder der konservativen Republikaner der neuen Regierung an.
Sämtliche Schlüsselpositionen werden neu besetzt, lediglich Sébastien Lecornu behält seinen Posten als Verteidigungsminister. Außenminister wird Jean-Noël Barrot, Bruno Retailleau wird Innenminister. Für Wirtschaft und Finanzen wird Antoine Armand zuständig sein. Premierminister Michel Barnier rief noch am Abend dazu auf, sich nun an die Arbeit zu machen, am Montag soll der erste Ministerrat stattfinden.
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Linksbündnis trotz Wahlsiegs außen vor
Eine Stabilisierung der Lage zeichnet sich damit aber nicht unbedingt ab. Die von Barnier gebildete Mitte-Rechts-Regierung steht von Anfang an unter erheblichem Druck. Linken- und Grünenpolitiker sprachen von einer Demokratieverweigerung und betonten, die Wähler seien um das Wahlergebnis betrogen worden. Vor der Ernennung der Kabinettsmitglieder protestierten im ganzen Land mehrere Tausend Menschen.
Bei der Parlamentswahl war das Linksbündnis vor den Mitte-Kräften von Präsident Emmanuel Macron und den Rechtsnationalen um Marine Le Pen gelandet. Eine absolute Mehrheit erhielt keines der Lager und keiner Partei gelang es, mit Partnern eine regierungsfähige Mehrheit auf die Beine zu stellen. Macron schloss eine Regierung des Linksbündnisses im Juli aus und begründete dies mit der Stabilität des Landes, weil eine solche Regierung direkt durch ein Misstrauensvotum gestürzt würde.
Misstrauensvotum droht
Doch ein solches Schicksal könnte auch der neuen Regierung bevorstehen. Über Frankreich hinaus bekannte Spitzenpolitiker konnten für die Ministerämter nicht gewonnen werden. Dies könnte auch damit zusammenhängen, dass unsicher ist, ob die Regierung überhaupt eine längere Zeit im Amt ist und nicht gleich gestürzt wird. Sowohl von links als auch von extrem-rechts könnte nämlich schon bald ein Misstrauensvotum drohen. Der Gründer der Linkspartei, Jean-Luc Melenchon, rief dazu auf, die Regierung Barnier "so schnell wie möglich loszuwerden". Jordan Bardella vom rechtsnationalen Rassemblement National (RN) sprach von einer Regierung, die keine Zukunft habe. Eine Regierungserklärung von Barnier ist nach Medienberichten am 1. Oktober geplant.
Der konservative Barnier (73) wurde vor zwei Wochen nach langem Zögern von Macron ernannt. Die Hoffnung war, dass es dem ehemaligen Brexit-Chefunterhändler der EU mit seinem Verhandlungsgeschick und Talent zum Kompromiss gelingen würde, genügend Partner für eine handlungsfähige Regierung zu finden. Am Donnerstagabend legte Barnier Macron dann sein Personaltableau vor. Wegen "letzter Anpassungen", wie es seitens der Regierung hieß, wurde die Vorstellung des Kabinetts dann von Freitag auf Samstag verschoben. Dem Sender BFMTV zufolge war dies die längste Regierungsbildung seit 1962.
Über eine absolute Mehrheit, die politische Vorhaben von Präsident Macron einfach umsetzen kann, wird die künftige Regierung auf keinen Fall verfügen. Möglicherweise wird Barnier je nach Regierungsvorhaben auf die Unterstützung unterschiedlicher Partner setzen müssen und auch auf die Duldung durch das RN von Marine le Pen angewiesen sein. Staatschef Macron, der mit den Neuwahlen seine Position stärken wollte, steht dadurch geschwächt da. Da er in der Außenpolitik die Oberhand hat und mit Barnier einen proeuropäischen Premier an seiner Seite, dürfte sich aber an der Zusammenarbeit mit Brüssel und Berlin kaum etwas ändern.
Schuldenberg belastet Start der neuen Regierung
In der Innenpolitik steht der neuen Regierung indes mit dem Haushalt für das kommende Jahr gleich eine Belastungsprobe bevor. Wegen einer zu hohen Neuverschuldung betreibt die EU-Kommission im Moment ein Defizitverfahren gegen Frankreich. An einem drastischen Sparkurs in Frankreich mit seinen traditionell hohen öffentlichen Ausgaben führt eigentlich kein Weg vorbei, und über die Frage möglicher Steuererhöhungen ist schon vor der Ernennung der Regierung Streit zwischen Barnier und dem Macron-Lager entbrannt.
- Nachrichtenagentur dpa