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Wahl in Großbritannien: Tories stürzen ab – Tiefpunkt noch nicht erreicht


Schwere Niederlage für Tories
Er könnte sie jetzt vernichten

  • David Schafbuch
MeinungVon David Schafbuch

04.07.2024Lesedauer: 3 Min.
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Quelle: Heike Aßmann/Kollage/imago-images-bilder

Die 14 Jahre, in denen die Tories Großbritannien regierten, enden zu Recht mit einem katastrophalen Wahlergebnis der Partei. Ob damit ihr Abstieg und der des Landes gestoppt wird, ist noch nicht ausgemacht.

Wer geglaubt hatte, dass Rishi Sunak ein begnadeter Wahlkämpfer ist, wurde schnell eines Besseren belehrt: Das symbolträchtige Bild des klitschnassen britischen Premiers bei der Ankündigung der Neuwahl wird wohl in die Geschichtsbücher eingehen. Einer seiner ersten Wahlstopps: Belfast, bis heute bekannt als Bauort der "Titanic". Bei Feierlichkeiten zum D-Day reiste der Premier frühzeitig aus Frankreich ab. Zwischendurch sprach der heute steinreiche Premier davon, worauf er in seiner Kindheit alles verzichten musste, etwa auf ein Abo beim Bezahlsender Sky.

Doch selbst wenn Sunak ein begnadeter Wahlkämpfer wäre, hätte er an dem heutigen katastrophalen Wahlergebnis seiner Partei wohl kaum etwas ändern können. Die erste Prognose spricht für eine bittere Niederlage. Nachdem die Konservativen vor fünf Jahren noch eine komfortable Mehrheit von 365 Sitzen errungen hatten, können sie nun nur mit 131 Sitzen im Unterhaus rechnen. Hier lesen Sie die Wahlergebnisse.

Seine Amtszeit und die seiner vier konservativen Vorgänger in den vergangenen 14 Jahren haben in dem Land Schäden hinterlassen, die sich vermutlich erst in Jahrzehnten wieder beheben lassen. Dass es für Großbritannien und die konservative Partei ab jetzt nur noch besser werden kann, könnte sich bald als Irrglaube erweisen.

Die Bilanz der noch Regierenden fällt verheerend aus: Die Reallöhne stagnieren auf der Insel seit Jahren, während die Steuern auf Rekordniveau liegen. Die Armut in der Gesellschaft wächst, auch bei Kindern. Fast 8 Millionen Briten warten auf einen Arzttermin.

Nicht alle, aber viele der Baustellen hat sich die Regierung mit dem Brexit selbst eingebrockt. David Cameron wollte 2016 mit dem Votum eigentlich die rechten Schreihälse in seiner Partei kaltstellen. Das Gegenteil war der Fall: Befeuert von den Lügen eines Boris Johnson stimmte eine knappe Mehrheit der Briten für den Ausstieg – Cameron hatte den Hardlinern den Weg zur Macht geebnet.

Dort oben angekommen, konnten sie allerdings keines ihrer vielen Versprechen erfüllen: Die Tories wollten aus London ein "Singapur an der Themse" mit einer brummenden Wirtschaft machen. Die Stadt ist das bis heute nicht. Ebenso wenig hat sich der Außenhandel von der Abkopplung vom EU-Binnenmarkt erholt. Die 350 Millionen Pfund Steuergelder, die die EU den Briten angeblich jede Woche aus der Tasche zog? Auch das war schlicht nur eine Lüge von Johnson.

Starmer sofort unter Druck

Auf Keir Starmer und seine Labour-Regierung wartet nun also ein Berg an Arbeit, von dem absehbar ist, dass er ihn vermutlich nicht in einer Amtszeit abtragen kann. Die Hoffnung ist, dass der 61-Jährige der britischen Regierung immerhin wieder eine Seriosität verleiht, die sie spätestens mit Boris Johnson und seiner Kurzzeitnachfolgerin Liz Truss vollständig verloren hatte.

Doch ob Starmer wirklich genug geeignete Ideen hat, um das Land wieder auf den richtigen Kurs zu bringen, ist unklar: Der Labour-Mann sitzt erst seit neun Jahren im Parlament, gilt als wankelmütig und ließ in seinem Wahlprogramm viele Fragen offen. Der neue Premier wird unter enormem Druck stehen: Nicht nur die Tories werden jeden seiner Fehltritte gemeinsamen ausschlachten, sondern auch die konservative Medienlandschaft.

Was macht Farage?

Das Comeback von Nigel Farage und die starken Zahlen seiner Partei Reform UK könnten zudem ein Vorzeichen für das sein, was bereits in Ländern wie Frankreich, den USA oder Italien eingetreten ist: Dort haben sich konservative bis moderate Kräfte dem rechten Rand so lange angenähert, bis von ihnen nahezu nichts mehr übrig blieb. Bei der Wahl zwischen Rechtsextremen und Parteien, die sich diesen annähern, wählt die Mehrzahl der Leute meistens das Original.

Die Tories werden nach Sunaks höchstwahrscheinlichem Abschied eine wegweisende Richtungsentscheidung treffen müssen: Wollen sie weiter nach rechts wandern oder schaffen sie den Weg zurück in die Mitte? Aktuell ist ein weiterer Rechtsruck wahrscheinlicher. Es dürfte der Untergang der einst so stolzen Partei sein – und wenn es schlecht läuft, wird die Labour-Regierung nur ein kurzer Zwischenstopp auf dem Weg ins weitere Verderben sein, wenn rechstextreme Kräfte wie Farage genauso wie in Italien oder Frankreich die Mitte der Gesellschaft von sich überzeugen können.

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