Krieg in Nahost G7 an Israel: Menschenrechte achten und Rafah verschonen
Bei ihrem Gipfel in Süditalien verurteilen die G7-Staaten aufs Schärfste die Hamas-Attacke vom Oktober. Doch Kritik und mahnende Appelle gehen auch in Richtung Israel. Die News im Überblick.
Die Runde der sieben führenden demokratischen Industrienationen (G7) hat Israel im Gaza-Krieg aufgerufen, Menschenrechte zu achten und von einer Großoffensive in Rafah abzusehen. In der Abschlusserklärung des G7-Gipfels in Süditalien verurteilten die Staats- und Regierungschefs die Attacke der islamistische Hamas vom 7. Oktober aufs Schärfste, ebenso wie die Strategie der Terrorgruppe, Zivilisten als Schutzschild zu nutzen.
Ihre Mahnungen richteten sich auch an die israelische Führung. Wegen der hohen Zahl ziviler Opfer und der humanitären Not im Gazastreifen steht das Vorgehen der israelischen Armee international in der Kritik - zuletzt vor allem die Einsätze in Rafah an der Grenze zu Ägypten. Dort hatten etliche Menschen Schutz vor dem Krieg gesucht.
Israel müsse bei seinem militärischen Vorgehen gegen die Hamas Völkerrecht und Menschenrechte achten, hieß es in dem Gipfel-Papier. "Wir sind zutiefst besorgt über die Folgen der laufenden Bodenoperationen in Rafah für die Zivilbevölkerung und über die Möglichkeit einer umfassenden Militäroffensive." Diese hätte weitere schlimme Folgen für die Zivilbevölkerung. "Wir fordern die Regierung Israels auf, von einer solchen Offensive abzusehen", mahnte die G7-Gruppe. Insbesondere die US-Regierung hatte in den vergangenen Monaten Druck auf Israel gemacht, von einem groß angelegten Einmarsch in Rafah abzusehen.
Alle Beteiligten seien außerdem dazu aufgerufen, den ungehinderten Zugang für humanitäre Hilfe zu ermöglichen, hieß es weiter in der Abschlusserklärung. Auch das richtet sich insbesondere an die israelische Führung, die sich in den vergangenen Monaten geweigert hatte, verschiedene Grenzübergänge zum Gazastreifen für Hilfslieferungen zu öffnen.
G7 unterstützen Bidens Friedensplan
Auf der Suche nach einem Weg aus dem Gaza-Krieg zwischen Israel und der islamistischen Hamas hat sich auch die G7-Gruppe der führenden demokratischen Industrienationen hinter den von US-Präsident Joe Biden vorgestellten Nahost-Friedensplan gestellt. "Wir haben gemeinsam diesen Plan des amerikanischen Präsidenten unterstützt und sind auch gemeinsam froh, dass der (UN-)Sicherheitsrat das auch getan hat", sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Rande des Gipfeltreffens der G7-Staaten in Italien. "Jetzt kommt es darauf an, dass alle das jetzt umsetzen. Wir fordern also insbesondere die Hamas auf, die notwendige Zustimmung zu erteilen."
Der von Biden vorgestellte Drei-Phasen-Plan sieht zunächst eine vollständige und uneingeschränkte Waffenruhe von sechs Wochen vor. In diesem Zeitraum soll eine bestimmte Gruppe von Geiseln freigelassen werden. Im Gegenzug würden Palästinenser freikommen, die in Israel inhaftiert sind. In der nächsten Phase würden die Kämpfe dann dauerhaft eingestellt und die verbliebenen Geiseln freigelassen. In einer letzten Phase soll dem Entwurf zufolge der Wiederaufbau des Gazastreifens beginnen.
"Ich habe einen Entwurf vorgelegt, der vom UN-Sicherheitsrat, den G7 und den Israelis unterstützt wird. Das größte Hindernis ist bisher, dass die Hamas sich weigert zu unterschreiben, obwohl sie etwas Ähnliches vorgelegt hat", sagte US-Präsident Biden bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenskyj. Er versprach: "Wir werden weiter Druck machen."
Hamas-Sprecher: Niemand weiß, wie viele Geiseln noch leben
Mehr als acht Monate nach dem Angriff auf Israel weiß die Hamas eigenen Angaben nach nicht, wie viele der rund 120 im Gazastreifen vermuteten Geiseln noch am Leben sind. "Ich weiß es nicht. Niemand weiß es", behauptete Hamas-Sprecher Osama Hamdan in einem Interview des US-Fernsehsenders CNN.
Erst am Samstag hatten israelische Soldaten bei einem großangelegten Militäreinsatz vier Geiseln im Gazastreifen aus der Gewalt der Hamas befreit. In Israel gehen seit Monaten immer wieder zahlreiche Menschen auf die Straße und fordern von der Regierung des Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu größere Anstrengungen, um alle Geiseln heimzuholen. Das Schicksal der Entführten spielt auch eine wichtige Rolle bei den indirekten Verhandlungen zwischen Israel und der Hamas über eine Waffenruhe.
"Widerwärtig": UN-Menschenrechtler verurteilen Israels Geisel-Einsatz
Eine Reihe von unabhängigen UN-Fachleuten für Menschenrechte hat Israels Methoden bei der Befreiung von vier Geiseln im Gazastreifen als "hinterhältig" und "widerwärtig" verurteilt. Die 16 Expertinnen und Experten warfen Israel vor, dass seine Kräfte als Vertriebene und als humanitäre Helfer verkleidet in einem humanitären Lkw zum Einsatzort im Flüchtlingslager Nuseirat gelangt seien. Dies sei nach internationalem Recht verboten und ein Kriegsverbrechen.
Bei der Aktion seien 274 Palästinenser getötet und fast 700 verletzt worden. Überlebende hätten von Leichen und zerfetzten Körperteilen berichtet, so die Menschenrechtler. Sie seien zwar froh über die sichere Heimkehr der vier israelischen Geiseln der Hamas, doch "Israels Angriff auf das Lager Nuseirat ist in seiner exzessiven Gewalt und seinen verheerenden Auswirkungen widerwärtig".
Die zivile Tarnung sei hinterhältig, befanden die Fachleute. Diese Taktik offenbare Israels "Barbarei" und setze echte humanitäre Helfer in Zukunft noch größeren Risiken aus. Die Stellungnahme wurde unter anderem von den UN-Beobachterinnen für Palästinensergebiete, für das Recht auf Gesundheit und für Rassismus unterzeichnet.
Hilfsgüter zerstört: USA sanktionieren israelische Extremisten
Die US-Regierung hat Sanktionen gegen die radikale israelische Gruppe Tzav 9 verhängt. Es handele sich um gewaltbereite Extremisten, die Hilfsgüter für die palästinensische Zivilbevölkerung im Gazastreifen blockierten und beschädigten, teilte das US-Außenministerium mit.
"Seit Monaten versuchen Mitglieder von Tzav 9 wiederholt, die Lieferung humanitärer Hilfe nach Gaza zu verhindern", hieß es in der Mitteilung. "Unter anderem, indem sie auf der Route von Jordanien nach Gaza, auch im Westjordanland, Straßen blockieren - manchmal gewaltsam." Die Gruppe habe etwa Lastwagen geplündert, in Brand gesetzt und lebensrettende Hilfsgüter auf die Straße geworfen, die für Männer, Frauen und Kinder bestimmt gewesen seien.
Die Bereitstellung humanitärer Hilfe sei von entscheidender Bedeutung, um das Risiko einer Hungersnot im Gazastreifen zu verringern, erklärte Ministeriumssprecher Matthew Miller. "Die israelische Regierung trägt die Verantwortung, die Sicherheit der humanitären Konvois zu gewährleisten, die Israel und das Westjordanland auf dem Weg nach Gaza durchqueren."
Als Folge der Sanktionen werden mögliche Vermögenswerte der Betroffenen in den USA gesperrt. US-Bürgern oder Menschen, die sich in den Vereinigten Staaten befinden, sind Geschäfte mit den sanktionierten Firmen und Personen untersagt. Auch internationale Geschäfte werden durch die Sanktionen für Betroffene meist deutlich schwieriger.
Neue Angriffe im Libanon
Nach mutmaßlich israelischen Luftangriffen sind im Süden des Libanon mindestens zwei Frauen getötet worden. Mehrere weitere Menschen seien in der Nacht verletzt worden, berichteten Augenzeugen, Sicherheitskreise und Staatsmedien. Israels Armee teilte auf Anfrage mit, die Berichte zu prüfen. Die libanesische Hisbollah-Miliz schoss als Vergeltung nach eigenen Angaben Dutzende Raketen Richtung Israel.
Laut der staatlichen Nachrichtenagentur NNA wurde ein Haus in Dschanta unweit der Grenze getroffen. Unter den Opfern seien demnach Frauen und Kinder.
Israelischer Militäreinsatz nahe Dschenin
Bei einem israelischen Militäreinsatz im Westjordanland sind mindestens zwei Menschen ums Leben gekommen. Die Streitkräfte griffen eigenen Angaben zufolge in einem Dorf in der Nähe der Stadt Dschenin ein Gebäude an, in dem sich "zwei hochrangige, gesuchte Verdächtige" befanden. "Die beiden gesuchten Verdächtigen wurden eliminiert und es wurden Waffen in ihrem Besitz gefunden", teilte die Armee mit. Warum die beiden Getöteten gesucht wurden, blieb offen. Dschenin gilt als Hochburg militanter Palästinenser. Die israelische Armee führt dort immer wieder Razzien durch.
Minister will Mittel für Palästinenser Terroropfern geben
Israels rechtsextremer Finanzminister Bezalel Smotrich will der Palästinensischen Autonomiebehörde Mittel in Höhe von 32,5 Millionen Dollar (rund 30,3 Millionen Euro) vorenthalten und diese stattdessen an israelische Terroropfer auszahlen. Er habe eine entsprechende Anordnung unterzeichnet, schrieb der Minister auf der Plattform X. Er sprach von "historischer Gerechtigkeit".
Die US-Regierung kritisierte den Schritt des Ministers als "außerordentlich fehlgeleitete Entscheidung", die die Lage im Westjordanland destabilisieren könnte. "Wir haben gegenüber der israelischen Regierung deutlich gemacht, dass diese Gelder der palästinensischen Bevölkerung gehören", sagte der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller.
Berichte: Gericht verlängert Zwangspause für Al-Dschasira
Ein israelisches Gericht hat derweil Medienberichten zufolge eine Verlängerung des staatlich angeordneten Sendeverbots für den arabischen TV-Kanals Al-Dschasira um weitere 45 Tage genehmigt. Das zuständige Bezirksgericht in Tel Aviv sah es als erwiesen an, dass es eine enge Verbindung zwischen dem katarischen Sender und der Hamas gibt, wie mehrere israelische Medien meldeten.
Vor rund einer Woche hatten die Richter bereits die Schließung des Senders durch die Regierung für 35 Tage bestätigt. Sie sahen es als erwiesen an, dass das Medium wegen seiner Nähe zur Hamas eine Gefahr für die Sicherheit des Staates darstellt. Im Golfemirat Katar befindet sich auch das Hamas-Politbüro.
- Nachrichtenagentur dpa