Deutsch-Iraner droht Hinrichtung "Schweigen ist fast ein sicheres Todesurteil"
Jamshid Sharmahd ist in jeder Sekunde mit dem Tod bedroht. Sein Anwalt hat trotzdem noch Hoffnung – doch dazu braucht es die USA und Deutschland.
Dem Deutsch-Iraner Jamshid Sharmahd droht in der Islamischen Republik immer noch die Hinrichtung – erst kürzlich bestätigte die iranische Justiz sein Todesurteil. Doch seine Familie und sein Anwalt Jason Poblete haben die Hoffnung noch nicht aufgegeben: Poblete rief Deutschland und die USA nun dazu auf, die Kräfte stärker zu bündeln, um die Vollstreckung des Urteils zu verhindern.
"Solange er lebt, gibt es immer eine Chance", sagte der US-Jurist dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Er forderte, dass die Politik sich auf Menschenrechte genauso fokussiere wie auf Abkommen über Atomprogramme, Öl und Gas. Zudem sollten die Regierungen keine Maschinen und Medikamente mehr an den Iran verkaufen, solange Menschen wie Sharmahd dort unrechtmäßig inhaftiert seien. "Es liegt ein Todesurteil auf dem Tisch", sagte Poblete über die Dringlichkeit der Forderung.
"Die Iraner wissen das, sie können Schwäche riechen"
"Das Problem ist aber, dass es nirgends den politischen Willen und das Rückgrat gibt, Iran wirklich die Stirn zu bieten. Niemand ist bereit, aufzustehen und zu sagen: Genug!", sagte der Anwalt. "Und die Iraner wissen das, sie können Schwäche riechen." Der Fall Sharmahd habe eine internationale Dimension. Er bekomme Aufmerksamkeit in Washington, Berlin und bei internationalen Behörden.
Das sei einer der Gründe, warum Anwälte den Familien, deren Angehörige im Iran unrechtmäßig inhaftiert oder als Geiseln gehalten werden, regelmäßig rieten, an die Öffentlichkeit zu gehen. "Schweigen ist fast ein sicheres Todesurteil", sagte Poblete dem "Spiegel".
Über seine Arbeit im Fall Sharmahd sagte der Anwalt: "Es ist, als würde man ohne Taschenlampe durch Nebel laufen, und es erfordert viel Geduld." Es seien viele Menschen aus vielen Bereichen beteiligt. Man versuche permanent, Wege zu finden, um den Deutsch-Iraner zu befreien.
USA setzen sich nicht öffentlich für Sharmahd ein
Dafür, dass die US-Regierung sich nicht öffentlich für Sharmahd einsetzt, zeigt Poblete kein Verständnis. "Es gab wohl die Einschätzung, dass es besser wäre, wenn Deutschland den Fall öffentlich verhandelt, weil die Bundesrepublik bessere Beziehungen zu Iran hat als wir", sagte der Jurist. "Ein anderer Grund ist, dass er kein vollwertiger US-Staatsbürger ist. In meinen Augen macht das aber keinen Unterschied."
Sharmahd ist im Iran geboren, kam als Kind nach Deutschland und hat einen deutschen Pass. In den USA engagierte er sich in der Exil-Oppositionsgruppe "Tondar" (Donner), die sich für eine Rückkehr der Monarchie einsetzt. Er lebte rund 20 Jahre in Kalifornien. Dort wurde er 2009 Ziel eines Attentats durch den Iran, wie sein Anwalt nun berichtete. Sharmahd sei beinahe getötet worden.
"Höchste Zeit"
"Er konnte fortan bleiben, weil die US-Regierung verstand, dass wir gegenüber Menschen wie ihm eine besondere Verpflichtung haben", so der Anwalt. "Deshalb ist es höchste Zeit, dass sie sich auch in der Öffentlichkeit deutlich stärker in diesen Fall einschaltet, denn gemeinsam könnten Deutschland und die USA das iranische Regime viel stärker beeindrucken, was den Fall von Jamshid Sharmahd, aber auch aller anderen Geiseln, in eine andere Richtung lenken und sie nach Hause bringen könnte."
Der Oberste Gerichtshof im Iran hatte Ende April das umstrittene Todesurteil gegen Jamshid Sharmahd bestätigt. Damit steht einer Vollstreckung formal nichts mehr im Weg. Ein Revolutionsgericht hatte den 68-Jährigen im Februar unter anderem für einen Terroranschlag verantwortlich gemacht.
Familienangehörige und Menschenrechtler bezeichneten die Vorwürfe als haltlos und kritisierten das Verfahren als grob unfair. Sie sprechen in diesem Zusammenhang von Scheinprozessen, die Gegner des Regimes einschüchtern sollen. Außenministerin Annalena Baerbock hatte Teheran aufgefordert, das "absolut inakzeptable" und willkürliche Urteil gegen Sharmahd rückgängig zu machen.
"In aller Öffentlichkeit an einem Kran aufhängen"
Sharmahds Tochter, Gazelle Sharmahd, sagte dem Sender Welt-TV vergangene Woche, ihre Familie wisse nicht, wo sich ihr Vater befinde und wie es ihm gehe. "Wir wissen nur, dass er seit über 1.000 Tagen in Isolation- und Einzelhaft gefoltert wird." Das Regime wolle ihn "in aller Öffentlichkeit an einem Kran aufhängen". Das habe man der Familie seit zweieinhalb Jahren immer wieder gesagt.
Zu der scharfen Verurteilung des Irans unter anderem durch Baerbock sagte Gazelle Sharmahd: "Es funktioniert nicht, da kann man genauso gut mit meiner Pflanze hier reden." Das Regime in Teheran verstehe nur Druck: "Die verstehen keine andere Sprache. Das ist wie der IS, wie Al Kaida."
Jamshid Sharmahd war Berichten zufolge im Sommer 2020 vom iranischen Geheimdienst in Dubai festgenommen und in den Iran gebracht worden. Seitdem ist er in Teheran inhaftiert. "Er ist mental sehr stark, das weiß ich von seiner Familie, seinen Freunden und Kollegen", sagte sein Anwalt dem "Spiegel". "Er ist jemand, der das durchstehen kann, obwohl er barbarisch behandelt wird." Sharmahd wisse, dass er nicht getan hat, was ihm vorgeworfen wird, aber er könne sich nicht dagegen verteidigen. "Das wird ihm alles zusetzen, aber er wird standhaft bleiben", so Poblete.
- spiegel.de: "'Ich hoffe, dass sich die kühleren Köpfe in Teheran durchsetzen'" (kostenpflichtig)
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa