Pushback auf offener See? EU-Grenzschützer sollen Geflüchtete ins Meer geworfen haben
Stößt die griechische Küstenwache Geflüchtete in der Ägäis über Bord? Mehrere Medien haben mit Augenzeugen gesprochen und Berichte, Fotos und Videos ausgewertet. Es gibt deutliche Hinweise auf das Vorgehen.
Ein Mann aus Kamerun erhebt schwere Vorwürfe gegen Griechenland. Griechische Grenzschützer hätten ihn und zwei weitere Geflüchtete, Sidy Keita aus der Elfenbeinküste und Didier Martial Kouamou aus Kamerun, von der griechischen Insel Samos verschleppt und anschließend ins Meer geworfen, sagte der Augenzeuge dem "Spiegel". Keita und Kouamou wurden vergangenen September von türkischen Beamten tot aufgefunden.
Der "Spiegel" hat gemeinsam mit den europäischen Partnermedien "Lighthouse Reports", "Guardian" und "Mediapart" den Fall rekonstruiert. Die beteiligten Reporterinnen und Reporter befragten mehr als ein Dutzend Augenzeugen. Sie werteten medizinische Berichte, Fotos und Videos sowie Satellitenaufnahmen aus und sprachen mit Informanten in den griechischen Sicherheitsbehörden.
Satellitenbilder stützen die Vorwürfe
Die Recherchen stützen die Darstellung des Augenzeugen. So deckt sich seine Beschreibung der türkischen Küstenregion etwa mit Satellitenfotos. Seine Angaben zum Wellengang stimmen mit dem Wetterbericht überein. Die Anwesenheit der beiden Verstorbenen auf Samos lässt sich anhand der Aussagen von sieben weiteren Geflüchteten belegen.
Zwei griechischen Beamten zufolge stoßen griechische Küstenwächter Flüchtlinge tatsächlich immer wieder über Bord. Die Taktik werde vor allem bei kleinen Gruppen genutzt. Seit Mai 2021 hat die türkische Küstenwache nach eigenen Angaben 29 Pushbacks registriert, bei denen Menschen ins Wasser geworfen worden sein sollen.
Die griechische Polizei weist die Vorwürfe auf Anfrage pauschal zurück. Die Beamten hielten sich an alle relevanten Gesetze und schützten das Leben von Migrantinnen und Migranten. Griechische Anwälte bereiten jedoch eine Klage vor einem örtlichen Gericht vor. Türkische Anwälte haben eine Beschwerde beim Europäischen Menschenrechtsgerichtshof eingereicht.