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Sofa-Eklat in der EU: Größere Probleme sollten Michel den Schlaf rauben


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Vorfall in Ankara
Sofa-Eklat? Die EU muss größere Probleme angehen

MeinungEine Kolumne von Ursula Weidenfeld

Aktualisiert am 13.04.2021Lesedauer: 3 Min.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen: Für sie stand beim türkischen Präsidenten Erdogan kein Stuhl bereit.
Wirbel um Szene in der Türkei: EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen wirkte bei einem Besuch in Ankara sichtlich verwirrt. (Quelle: Glomex)
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Die Spitzen der EU streiten derzeit um die Frage, welchen diplomatischen Rang die Kommissionspräsidentin von der Leyen haben soll – dabei sollten sie ihre Kraft für wichtigere Themen aufwenden.

Der Ratspräsident der Europäischen Union, Charles Michel, schläft zurzeit nicht gut. Doch nicht etwa die verpatzte Impfstoff-Bestellung Europas raubt ihm den Schlaf. Auch die explodierende Staatsverschuldung seiner Mitgliedsstaaten trägt keine Verantwortung für seine Rastlosigkeit. Und schon gar nicht die Frage, warum immer mehr Länder den Sputnik-Verlockungen Russlands erliegen und den Impfstoff aus Moskau auf eigene Rechnung reservieren wollen.

Nein, Michel zermartert sich das Hirn, wie er den Schaden wiedergutmachen kann, der in der vergangenen Woche bei einem Termin mit dem türkischen Staatschef Erdoğan in Ankara entstanden ist. Michel wirft sich vor, auf einem goldenen Stuhl neben Erdoğan gesessen zu haben, während Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf einer entfernten Couch Platz nehmen musste. Nie wurde deutlicher, warum die Europäische Union in der Corona-Pandemie so große Probleme hat: Sie setzt die falschen Prioritäten.

Es geht um die alles entscheidende Frage

Sofa-Gate ist nun fast eine Woche her, doch noch immer streitet man in Brüssel über Verfehlungen, Frauenfeindlichkeit und Protokollfragen. Der eine schläft schlecht, die andere weist ihre Mitarbeiter ärgerlich an, so etwas dürfe sich niemals wiederholen. Der italienische Regierungschef Mario Draghi nennt den türkischen Präsidenten einen "Diktator", das Europäische Parlament verlangt Aufklärung. Es geht um die alles entscheidende Frage, welchen diplomatischen Rang die Kommissionspräsidentin hat. Ist sie, als von den Staats- und Regierungschefs eingesetzte und vom europäischen Parlament bestätigte Chefin der EU-Regierung, diplomatisch genauso wichtig wie der Ratspräsident, der von Staats- und Regierungschefs bestimmt wird?

Im deutschen System wäre die Sache klar: Da ist der Bundespräsident der erste Mann im Staat, das wäre auf EU-Ebene Charles Michel. Die Regierungschefin wäre bei gemeinsamen Auftritten klar die Nummer zwei. In der Europäischen Union aber wird erbittert um die Rangfolge gezankt.

Würde es dieselbe politische Energie geben, wenn die europäische Arzneimittelbehörde langatmig neue Impfstoffe und Corona-Medikamente prüft, könnte man sich in Berlin vielleicht den Streit über den dritten Lockdown schon sparen. Österreich müsste sich nicht über eine vermeintlich zu schmale Zuteilung aus Brüssel aufregen, und die Wirtschaft der Union käme schneller aus der Krise.

Europa könnte weniger Probleme haben

Engagierten sich der Ratspräsident und die Kommissionschefin in ähnlicher Weise, wie sie sich in Protokollfragen verzetteln, für die Bestellung, die Verträge und die Lieferung von Impfstoffen, hätte Europa weniger Probleme. Doch die beiden finden kein Mittel, die Zentrifugalkräfte der EU zu bändigen. Nicht einmal die schlimmste Krise seit dem zweiten Weltkrieg bringt sie dazu, sich gemeinsam auf die Aufgabe zu konzentrieren, Europa aus der Krise zu führen.

Dazu würde die Beschleunigung der Genehmigungsverfahren gehören. Bei der Amsterdamer Arzneimittelbehörde werde alles besonders gründlich gemacht, deshalb dauere es länger. Das ist wahrscheinlich sogar richtig. Aber es erklärt nicht, warum es dann doch schneller gehen kann, wenn die Staats- und Regierungschefs Druck machen. Und es erklärt auch nicht, warum es zwar inzwischen etwas mehr Tempo bei der Prüfung und Zulassung von Impfstoffen gibt, bei den Medikamenten, die bereits Erkrankten helfen sollen, dagegen nicht.

Europas Menschen könnten schneller gesund werden

Ein europäisches Impfzertifikat wird es erst im Sommer geben, obwohl beispielsweise in Deutschland fast sieben Prozent der Bevölkerung zwei Mal geimpft sind. Rüstige Senioren könnten schon jetzt wieder reisen, Restaurants oder Theater besuchen, wenn die Europäische Union schneller arbeiten würde.

Dasselbe bei der Corona-Warn-App: Viele Länder Europas tauschen die Daten ihrer Warn-Apps inzwischen aus. Doch koordiniert wird das nicht, nur ein gemeinsamer Server für den Datenaustausch steht mittlerweile in Luxemburg bereit. Zwölf Länder der Europäischen Union, darunter mit Frankreich der größte und wichtigste Partner Deutschlands, bleiben außen vor.

All das wären Aufgaben, für die sich das Opfern des Nachtschlafs lohnen würde. Europas Menschen könnten schneller gesund werden und gesund bleiben, die Wirtschaft könnte wieder wachsen, eine Schuldenkrise abgewendet werden. Wenn danach noch Zeit für die Bewältigung des Sofa-Gate-Traumas bliebe – bitte sehr!

Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Gemeinsam mit t-online und der Leibniz-Gemeinschaft produziert sie den Podcast .

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