Ziel verfehlt Seehofer muss EU-Asylreform ohne Durchbruch abgeben
Die Reform der Asylpolitik spaltet die EU-Staaten seit Jahren. Innenminister Seehofer wollte während der deutschen Ratspräsidentschaft die Blockade überwinden. Doch die EU-Staaten sind noch immer uneins.
Auch unter deutschem Vorsitz haben die EU-Staaten Schlüsselelemente der Asylreform nicht entscheidend voranbringen können. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) verfehlt somit sein Ziel, einen Durchbruch bei dem seit Jahren blockierten Vorhaben zu erzielen. Die strittige Frage der Verteilung schutzsuchender Migranten in Europa etwa bleibt ungelöst. Es gebe unterschiedliche Auffassungen, wie "im Konkreten Solidarität zwischen den europäischen Mitgliedstaaten vonstattengehen soll", wenn ein Land überlastet sei, sagte der Parlamentarische Staatssekretär des Innenministeriums, Stephan Mayer (CSU), am Montag am Rande einer Videokonferenz der EU-Innenminister.
Mayer vertrat Seehofer bei den EU-Beratungen, weil der Minister wegen eines möglichen Corona-Kontakts vorsorglich in Quarantäne ist. Der Staatssekretär bemühte sich um ein positives Fazit der deutschen EU-Ratspräsidentschaft. Man sei mit Blick auf das Thema Migration deutlich weiter als vor sechs Monaten. Man habe den "Zug auf ein Gleis gestellt" und der "Zug fährt auf jeden Fall in die richtige Richtung". Die Gesprächsatmosphäre sei deutlich besser als noch vor einigen Jahren. Konkrete Fortschritte in entscheidenden Punkten gab es allerdings kaum.
Seehofer: "sehr gute Gespräche"
Auch Minister Seehofer sprach von "sehr guten Gesprächen in den vergangenen zwei Monaten". Man hinterlasse "ein solides Fundament", hieß es in einer Mitteilung seines Ministeriums. "Es sind noch viele technische Fragen zu klären, aber zu vielen wesentlichen Elementen der Migrationspolitik besteht schon jetzt Einvernehmen."
Deutschland hat seit Juli turnusgemäß für ein halbes Jahr den Vorsitz der EU-Staaten inne. Deshalb hat Seehofer in den vergangenen Monaten die Verhandlungen mit seinen EU-Kollegen geleitet. Noch im November zeigte er sich zuversichtlich, dass "wir bis zum Ende dieses Jahres eine politische Verständigung über die Grundsätze der europäischen Migrationspolitik erreichen können".
Fortschrittspapier: Keine Lösungen in zentralen Punkten
Die Ergebnisse der Verhandlungen hat die deutsche Ratspräsidentschaft nun in einem Fortschrittsbericht festgehalten, der bei den Beratungen am Montag vorgelegt wurde. Aus dem Papier geht deutlich hervor, dass in den zentralen Punkten keine Lösung in Sicht vorliegt. Dies gilt vor allem für die Frage, wie die Verantwortung für Schutzsuchende unter den EU-Staaten verteilt wird. "Einige Mitgliedstaaten sehen derzeit die Notwendigkeit für einen flexiblen Mechanismus, während andere insbesondere die verpflichtende Umverteilung als Schlüsselelement einer bedeutsamen Solidarität bewerten", heißt es in dem Bericht.
Bei dieser Frage kommen die EU-Staaten seit Jahren nicht auf einen Nenner. Im aktuellen System sehen sich vor allem die südlichen Länder belastet, in denen viele Schutzsuchende ankommen. Andere Staaten wie Ungarn und Polen lehnen es jedoch ab, sich zur Aufnahme von Migranten verpflichten zu lassen. Um die Blockade zu lösen, hatte die EU-Kommission im September neue Reformvorschläge vorgelegt. Diese brachten aber offenbar nicht den Durchbruch.
Kritik kommt von den Grünen
Der migrationspolitische Sprecher der Grünen/EFA im Europäischen Parlament, Erik Marquardt, kritisiert, dass es zu keiner Lösung gekommen ist: "Alles, was Horst Seehofer in der EU-Asylpolitik vorzuweisen hat, ist ein Fortschrittsbericht ohne Fortschritte." Die Strategie der deutschen Ratspräsidentschaft sei gescheitert, teilte der Grünen-Politiker mit. "Sie wollte eine europäische Lösung erzwingen, indem sie forderte das Leid an den Außengrenzen nur im europäischen Konsens zu beseitigen. Nun haben wir weiter Leid, Chaos und Gewalt gegen Schutzsuchende, aber immer noch keine Lösung."
Der Staatssekretär des Innenministeriums, Mayer, hingegen sagte, der deutsche Fortschrittsbericht zeige, dass es möglich sei, "bei vielen Dingen auch einen gemeinsamen Kern und auch gemeinsame Interessen zu definieren". Allein, dass die EU-Kommission beabsichtige, einen Rückkehr-Koordinator einzusetzen, halte er für einen erheblichen Fortschritt. Zudem gebe es einen "Gleichklang der Interessen", etwa wenn es um die Rückführung abgelehnter Asylbewerber sowie Angebote für die freiwillige Rückkehr gebe, sagte Mayer. Diesen Gleichklang gebe es auch bei einer besseren Kooperation mit Nicht-EU-Staaten sowie der Verstärkung des Außengrenzschutzes. Zudem habe kein einziges Land die Vorschläge der EU-Kommission rundheraus abgelehnt.
Auch EU-Innenkommissarin Ylva Johansson lobte den "konstruktiven Ansatz" aller EU-Staaten. Sie erwarte, dass unter der im Januar folgenden Ratspräsidentschaft Portugals "deutliche Ergebnisse" erzielt würden.
- Nachrichtenagentur dpa
- Statement von Erik Marquardt