Grundsatzrede zur Zukunft Europas Von der Leyen: Treibhausgase in EU um 55 Prozent reduzieren
In einer Grundsatzrede zur Lage der Europäischen Union hat Ursula von der Leyen schärfere Klimaschutzziele angekündigt. Zudem sollen die Mittel für das europäische Gesundheitsprogramm aufgestockt werden.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat im Europaparlament ihre erste Rede zur Lage der EU gehalten. Dabei forderte sie, die Treibhausgase der Europäischen Union bis 2030 um mindestens 55 Prozent unter den Wert von 1990 zu bringen.
Sie wisse, dass einigen diese Erhöhung des Einsparziels zu viel sei und anderen nicht genug, sagte von der Leyen. Doch habe die Folgenabschätzung der EU-Kommission eindeutig ergeben, dass die Wirtschaft und Industrie die Verschärfung bewältigen könnten. Aus ihrer Sicht sei die Zielvorgabe ehrgeizig, machbar und gut für Europa, sagte von der Leyen.
Zudem plädierte von der Leyen für mehr Macht und mehr Geld für die EU in Gesundheitsfragen. "Für mich liegt klar auf der Hand: Wir müssen eine stärkere Europäische Gesundheitsunion schaffen, es ist Zeit", sagte von der Leyen. Sie erklärte außerdem: "Dies ist der Zeitpunkt für Europa."
Globaler Gesundheitsgipfel vorgeschlagen
Konkret schlug die Kommissionschefin eine neue EU-Agentur für biomedizinische Forschung und Entwicklung vor. Zudem drängte sie das Europaparlament, mehr Mittel für das Gesundheitsprogramm "EU4Health" auszuhandeln. Grundsätzlich müsse man über die Zuständigkeiten in Sachen Gesundheit sprechen. Das sei eine lohnende und dringende Aufgabe für die geplante Konferenz über die Zukunft Europas.
Darüber hinaus werde sie im nächsten Jahr einen globalen Gesundheitsgipfel in Italien vorschlagen, sagte von der Leyen. Die Einladung werde sie gemeinsam mit Ministerpräsident Giuseppe Conte aussprechen, der den Vorsitz der G20 haben werde.
Der Gipfel solle gemeinsam mit der italienischen Präsidentschaft in der Gruppe der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer (G20) einberufen werden. Die EU-Kommission wolle zudem die Europäische Arzneimittelbehörde und das Europäische Zentrum für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten stärken sowie eine Europäische Agentur für biomedizinische Spitzenforschung aufbauen.
Pandemie habe gezeigt, wie fragil die Welt sei
Man müsse dafür sorgen, dass die EU für künftige Krisen besser gewappnet sei und auf grenzübergreifende Gesundheitsgefahren reagieren könne. Von der Leyen würdigte erneut die Leistungen vor allem von Ärzten und Pflegern in der Corona-Krise und bekräftigte, dass Europa nach anfänglichem Egoismus den Wert der Gemeinsamkeiten wiederentdeckt habe.
Doch habe die Pandemie gezeigt, wie fragil und verletzlich die Welt sei, aber auch die europäische Wertegemeinschaft sei. Die Menschen wollten diese Unsicherheit hinter sich lassen. Sie seien bereit für einen Neuanfang. "Europa muss nun den Weg weisen, um diese Unsicherheit in neue Kraft umzumünzen", erklärte von der Leyen.
"Die Wahlen in Belarus waren weder frei noch fair"
Die EU-Kommission will nach den Worten ihrer Präsidentin auch rasch einen Rahmen für einen Mindestlohn in der Europäischen Union vorschlagen. "Jeder muss Zugang haben zu Mindestlöhnen, sei es durch Tarifvereinbarungen oder durch gesetzlichen Mindestlohn", sagte sie am Mittwoch im Europaparlament in Straßburg in ihrer ersten Rede zur Lage der Europäischen Union. "Mindestlöhne funktionieren, und es ist Zeit, dass Arbeit sich lohnt."
Von der Leyen sagte auch, die EU stünde auf der Seite von Belarus, man sei "berührt" gewesen von jenen, die furchtlos demonstrierten. Sie erklärte: "Die Wahlen in Belarus waren weder frei noch fair. Die brutale Niederschlagung durch die Regierung ist eine Schande, das Volk von Belarus muss frei sein." Auch zu Russland nahm sie Stellung: "Die Vergiftung von Alexej Nawalny ist kein Einzelfall. Und dieses Muster ändert sich nicht, keine Pipeline wird das ändern."
Sie hält zudem ein Handelsabkommen mit Großbritannien zum Ende der Brexit-Übergangsphase für immer weniger wahrscheinlich. "Mit jedem Tag schwinden die Chancen, dass wir doch noch rechtzeitig ein Abkommen erzielen", sagte von der Leyen am Mittwoch in ihrer Rede zur Lage der Europäischen Union. Die Gespräche seien nicht so weit wie erhofft, und es bleibe nur noch sehr wenig Zeit.
Sitzung außerplanmäßig in Brüssel
Die Sitzung sollte eigentlich seit Monaten wieder am Parlamentssitz Straßburg stattfinden, wurde aber kurzfristig wegen der Corona-Pandemie nach Brüssel verlegt. Die Rede "State of the Union" wird jedes Jahr im September vom EU-Kommissionspräsidenten oder der -präsidentin gehalten. Im Anschluss stellte sich von der Leyen den Fragen der EU-Parlamentarier. Sie ist seit dem 1. Dezember 2019 Präsidentin der Europäischen Kommission.
- Nachrichtenagentur dpa