Migration nach Europa Kanzler Kurz: Offene Grenzen waren ein Fehler
Österreichs Kanzler Sebastian Kurz will das Menschenrecht auf Asyl weitgehend einschränken. Staaten sollen nur noch freiwillig Flüchtlinge aufnehmen. Gleichzeitig fordert er strikteren Grenzschutz.
Eine Asylreform in der EU muss nach Überzeugung von Österreichs Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) vor allem auf den Außengrenzschutz, den Kampf gegen Schlepper und die Hilfe vor Ort setzen. Zugleich lehne er Konzepte ab, mit denen Staaten gezwungen würden, Flüchtlinge aufzunehmen, sagte Kurz. "Ich halte das für nicht realistisch", sagte er angesichts des Widerstands in vielen EU-Staaten.
Deutsche Pläne für Europa
Deutschland will in seiner EU-Ratspräsidentschaft Pläne zu einer Neuaufstellung der EU-Asylpolitik vorantreiben. Dabei sollen die Aussichten von Migranten auf Schutz in Asylzentren an der Außengrenze geprüft werden und nur die weiterreisen dürfen, die Aussicht auf Erfolg haben.
Sollten Länder in der EU bereit sein, Flüchtlinge aufzunehmen, dann sei der beste Weg dafür die Umsiedlung schutzbedürftiger Flüchtlinge direkt aus den Krisengebieten, sagte der österreichische Regierungschef. "Den Umfang kann jeder Staat für sich entscheiden."
Kurz und die Grenze 2015
Kurz gehörte 2015 als damaliger Integrationsminister in Österreich zu denen, die gegen die angebliche Öffnung der Grenzen waren. Die sogenannte "Grenzöffnung" ist ein weithin bekanntes Narrativ in rechten Kreisen – im Schengen-Raum gibt es aber keine geschlossenen Grenzen, die hätten geöffnet werden können.
"Ich war von Anfang an gegen die Politik der offenen Grenzen. Ich war der Meinung, dass Europa hier vollkommen falsch abbiegt und dass es einen Systemwechsel braucht", sagte Kurz, der jahrelang mit der rechtsradikalen FPÖ koalierte, bis die Regierung in einem Korruptionsskandal zerfiel. "Ich schätze immer ehrenamtliches Engagement, aber das sollte kein Grund dafür sein, strategisch falsche Entscheidungen zu treffen. Die Politik der offenen Grenzen hat dazu geführt, dass sich viele Menschen nach Europa auf den Weg gemacht haben und es zu einer massiven Überforderung in weiten Teilen Mitteleuropas gekommen ist."
Ihm sei im September 2015 klar gewesen, dass der Erfolg der Integration abhängig sei von der Zahl der zu Integrierenden. "Anders formuliert: Wenn deren Zahl explodiert, dann wird Integration schwierig", sagte der Kanzler. Damals galt Kurz als Opposition zu Deutschlands Politik der offenen Grenzen. "Es ist für Politiker immer verlockend, das zu sagen, was gerade populär ist. Damals waren offene Grenzen populär. Ich bin damals massiv für meine andere Haltung kritisiert worden", so der 34-Jährige. "Was ich gesagt habe, wurde als rechts, manchmal auch als rechtsradikal abgetan. Heute ist es absolut mehrheitsfähig bei den Regierungschefs in der EU."
Auch in der heutigen Flüchtlingsdebatte steht Kurz, im Gegensatz zur Bundesregierung, für mehr Eigenverantwortung der Staaten. "Wenn ein Staat Flüchtlinge aufnehmen will, dann sollte dies via Resettlement erfolgen. Den Umfang kann jeder Staat für sich entscheiden."
Warnung vor gesellschaftlichen Änderungen
In der Nacht vom 4. auf den 5. September hatte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel angesichts der vielen über Ungarn nach Österreich und Deutschland strömenden Flüchtlinge entschieden, die Grenzen offen zu lassen. Die Menschen wurden von vielen Bürgern herzlich begrüßt und versorgt. Die Willkommenskultur in Deutschland und Österreich machte weltweit Schlagzeilen.
Kurz warnte vor gesellschaftlichen Veränderungen durch Migration. "Wir haben es teils mit dem Phänomen eines importierten Antisemitismus zu tun. Und auch die Wertevermittlung ist schwierig", sagte der Kanzler. Er sei froh, dass der politische Rahmen und die Entscheidungen in Europa heute ganz anders seien als vor fünf Jahren. "Heute investiert die EU Geld, um die Grenzen gemeinsam zu sichern." Damals sei das Geld angeblich investiert worden, um Menschen möglichst schnell von Italien oder Griechenland nach Mitteleuropa zu transportieren.
Aktuell halte er die Situation auf der zentralen Mittelmeerroute für problematisch, sagte Kurz. Viele Menschen seien vor allem aus Tunesien wegen der dortigen, coronabedingten Wirtschaftskrise erneut auf dem Weg von Afrika nach Italien. "Das sind somit keine wirklichen Flüchtlinge, sondern Wirtschaftsmigranten." Das Land hat soeben erst eine neue Regierung gewählt, die "unkonventionelle und innovative Lösungen" für die wirtschaftlichen Probleme des Landes verspricht.
- Nachrichtenagentur dpa