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Brexit-Drama: Boris Johnson – welche Optionen der Premier noch hat


Missachtung, Rücktritt, Misstrauensvotum
Diese Möglichkeiten bleiben Johnson jetzt noch

Von dpa, rok

Aktualisiert am 09.09.2019Lesedauer: 4 Min.
Der britische Premierminister Boris Johnson: Für ihn wird es immer schwieriger, seinen kompromisslosen Brexit-Kurs durchzudrücken.Vergrößern des Bildes
Der britische Premierminister Boris Johnson: Für ihn wird es immer schwieriger, seinen kompromisslosen Brexit-Kurs durchzudrücken. (Quelle: Phil Noble/reuters)

Um jeden Preis will Boris Johnson eine weitere Brexit-Verschiebung verhindern. Jetzt zwingt ihn das Parlament mit einem neuen Gesetz genau dazu. Johnsons Mittel zum Widerstand sind begrenzt.

Boris Johnson hat erklärt, er wolle "lieber tot in einem Graben liegen", als eine weitere Verlängerung der Brexit-Frist zu beantragen. Sein kompromissloser Kurs hat ihn bisher in eine Sackgasse manövriert. In Großbritannien rätselt man, wie sich Johnson um eine weitere Brexit-Verschiebung drücken will. Viele – legale – Möglichkeiten hat er dazu nicht. Ein Überblick:

Johnson ignoriert das Gesetz gegen den No-Deal-Brexit

Immer wieder wurde spekuliert, ob der Premierminister das Gesetz gegen den No-Deal-Brexit einfach so lange ignorieren könnte, bis Großbritannien aus der EU herausgekracht ist. Hellhörig wurden Johnsons Gegner, als er kürzlich vor Reportern sagte, das Gesetz sehe nur "theoretisch" eine Brexit-Verschiebung vor. Berichten zufolge bereiten sie sich schon für einen Rechtsstreit vor.

"Er ist genauso an das Rechtsstaatsprinzip gebunden wie jeder andere in diesem Land", sagte der ehemalige Generalstaatsanwalt Dominic Grieve der BBC. "Wenn er sich nicht daran (an das Gesetz) hält, kann er vor Gericht verklagt werden. Das Gericht würde nötigenfalls eine Verfügung erlassen, die ihn dazu verpflichtet ... Hält er sich nicht an die Verfügung, könnte er ins Gefängnis geschickt werden."

Misstrauensantrag gegen eigene Regierung

Will Johnson doch noch eine Neuwahl vor dem 31. Oktober erreichen, könnte er zu einem ungewöhnlichen Mittel greifen und einen Misstrauensantrag gegen die eigene Regierung stellen. Eine Mehrheit hat Johnson ohnehin nicht mehr. Die Opposition hätte es sicherlich schwer, diesen Antrag nicht mitzutragen.

Das Problem für Johnson ist, dass damit eine 14-Tages-Frist ausgelöst wird, in der die Opposition versuchen könnte, eine Alternativregierung auf die Beine zu stellen. Das dürfte zwar schwierig werden, weil sich die Oppositionsparteien alles andere als einig sind und beispielsweise die Liberaldemokraten bereits abgelehnt haben, für Labour-Chef Jeremy Corbyn als Interimsregierungschef zu stimmen. Doch wenn die Alternative ein möglicher No-Deal-Brexit wäre, könnten sie sich vielleicht doch zusammenraufen.

Denkbar wäre auch, dass ein unabhängiger Kandidat die Rolle übernimmt, wie Ken Clarke, der kürzlich von Johnson aus der Tory-Fraktion ausgeschlossene Alterspräsident des Unterhauses.

Sollte innerhalb der zwei Wochen keine alternative Regierung gebildet werden, würde es zur Neuwahl kommen. Da aber zwischen Auflösung des Parlaments und dem Urnengang 25 Arbeitstage liegen müssen, wäre der Wahltermin frühestens wenige Tage vor dem geplanten EU-Austritt am 31. Oktober möglich.

Alternativ könnte Johnson auch versuchen, das Wahlgesetz zu ändern oder ein maßgeschneidertes Gesetz zu verabschieden, das ihm eine Wahl ermöglicht. Doch dafür braucht er eine Mehrheit in beiden Kammern des Parlaments – die er nicht mehr hat.

Johnson tritt als Premierminister zurück

Um sein Versprechen nicht zu brechen, könnte Johnson auch als Premierminister zurücktreten. Fraglich wäre, wer dann von Königin Elizabeth II. mit der Regierungsbildung beauftragt werden würde. Johnsons Konservative könnten nicht mehr beanspruchen, eine Mehrheit im Unterhaus zu haben. Trotzdem wären sie weiter stärkste Fraktion.


Sollte sich die Opposition jedoch mit vereinten Kräften auf Corbyn oder einen anderen Kandidaten einigen, könnte es einen Regierungswechsel geben. Johnson müsste darauf setzen, dass es bald zur Neuwahl kommt. Theoretisch könnte der Interimspremier aber auch erst einmal weiterregieren und beispielsweise einen weicheren Brexit mit enger Anbindung an die EU durchsetzen, bevor er eine Neuwahl in die Wege leitet.

Sollte Johnson sich bei einer Wahl später nicht durchsetzen, würde er als britischer Premierminister mit der kürzesten Amtszeit aller Zeiten in die Geschichte eingehen.

Brexit-Abkommen in letzter Sekunde

Johnson könnte versuchen, doch noch eine Einigung mit der EU zu finden. In der Kürze der Zeit wären kaum größere Änderungen möglich. Doch eine Variante lag bereits auf dem Tisch: Die in Großbritannien verhasste Garantieklausel für eine offene Grenze zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland (Backstop) könnte auf Nordirland beschränkt werden. Statt Kontrollen zwischen den beiden Teilen der irischen Insel würde notfalls an den Häfen zwischen Nordirland und dem Rest des Vereinigten Königreichs kontrolliert. Johnsons Vorgängerin Theresa May hatte diesen Vorschlag Brüssels im vergangenen Jahr noch empört abgelehnt. "Kein britischer Premierminister könnte dem je zustimmen", hatte May gesagt. Der Vorschlag untergrabe den britischen Binnenmarkt und bedrohe die verfassungsmäßige Integrität des Vereinigten Königreichs.

May hatte neben der Sorge um den Zusammenhalt ihres Landes aber noch einen weiteren wichtigen Grund: Ihre Regierung hing von der Unterstützung der nordirischen Protestantenpartei DUP ab, die ihre Minderheitsregierung stützte. Johnson ist nach dem Rauswurf der Brexit-Rebellen selbst mit den DUP-Abgeordneten weit entfernt von einer Mehrheit. Er könnte darauf hoffen, dass ihm Labour-Abgeordnete aushelfen.

Manch ein Beobachter sieht in dem harten Vorgehen Johnsons gegen die proeuropäischen Rebellen in seiner eigenen Partei auch eine Warnung an die Brexit-Hardliner. Wer sich weigert, für einen Deal zu stimmen, wird aus der Fraktion geworfen und darf bei einer baldigen Neuwahl nicht mehr für die Tories antreten, könnte die Botschaft lauten. Ob das für eine Mehrheit ausreichen würde, ist fraglich. Johnson müsste zudem befürchten, dass die Geschassten zur Brexit-Partei von Nigel Farage überlaufen oder zumindest, dass Farage davon profitieren könnte.

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Ablehnung einer Verlängerung durch die EU

Der britische Regierungschef könnte auch versuchen, die EU zu einer Ablehnung seines Antrags auf Brexit-Verschiebung zu bewegen. Die No-Deal-Gegner haben bereits versucht, das in ihrem Gesetz gegen den ungeregelten Brexit weitgehend auszuschließen. Beispielsweise ist dort der genaue Wortlaut des Briefs vorgegeben, den der Premier an EU-Ratspräsidenten Donald Tusk schreiben soll. Die Dauer der Verlängerung ist auf drei Monate festgelegt, doch sollte die EU einen anderen Zeitraum vorschlagen, könnte die Regierung das nur mit Zustimmung des Parlaments ablehnen.


Als denkbar gilt auch, dass Johnson versuchen könnte, einen EU-Staat zu einem Veto zu bewegen. Infrage käme beispielsweise Ungarn, dessen Ministerpräsident Viktor Orban Johnson gewogen sein dürfte. Doch ob das gelingen wird, gilt als fraglich. Bislang war es den 27 verbliebenen EU-Staaten gelungen, in Sachen Brexit fast immer mit einer Stimme zu sprechen.

Verwendete Quellen
  • Nachrichtenagentur dpa
  • Eigene Recherche
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