Britischer Premier in Berlin Johnson sagt: "Wir schaffen das" – auf Deutsch
Boris Johnson will das Brexit-Abkommen nachverhandeln. In Berlin gibt er sich optimistisch – aber auch kompromisslos. Heute geht es weiter nach Paris. Geht es ihm tatsächlich um eine Einigung?
Nach seinem Antrittsbesuch bei Bundeskanzlerin Angela Merkel wirbt der britische Premierminister Boris Johnson am heutigen Donnerstag in Frankreich für seinen Brexit-Kurs. Johnson will Änderungen am EU-Austrittsabkommen mit Brüssel erreichen – ist damit bislang aber auf Ablehnung gestoßen.
Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron erwartet Johnson in Paris zu einem Mittagessen. Neben dem britischen EU-Austritt sollen der G7-Gipfel, der am Samstag im französischen Badeort Biarritz beginnt, die Irankrise und der Syrienkonflikt auf der Agenda stehen.
Signale der Gesprächsbereitschaft
Johnson zeigte sich in Berlin zuversichtlich, dass es noch eine Einigung mit der EU beim Brexit geben kann. "Wir schaffen das", sagte Johnson auf einer Pressekonferenz mit Bundeskanzlerin Angela Merkel – auf Deutsch und in Anlehnung an Merkels berühmt gewordenen Ausspruch in der Migrationspolitik. "Das ist glaube ich die Formulierung." Zuvor war Johnson bei seinem Antrittsbesuch mit militärischen Ehren empfangen worden.
"Wir wollen einen verhandelten Austritt", betonte Johnson und nannte den Abschied Großbritanniens aus der Europäischen Union ironisch "diese kleine Angelegenheit des Brexit". Zugleich machte Johnson klar, dass er an seiner Verhandlungsposition nichts geändert hat: "Der Backstop muss gestrichen werden", sagte er erneut.
Merkel: Wir sind vorbereitet
Kanzlerin Angela Merkel sagte auf der Pressekonferenz, dass Deutschland einen Brexit mit Abkommen begrüßen würde. "Aber wir sind auch vorbereitet, wenn es einen solchen verhandelten Austritt nicht gibt." Merkel betonte zudem die Position der EU: Eine Abschaffung des Backstops sei nicht verhandelbar.
Merkel sagte aber, dass sie eine Lösung der Irland-Frage bis zum geplanten EU-Austritt Ende Oktober für möglich halte. Das würde den Backstop möglicherweise überflüssig machen. Der Backstop sei nur als Übergangsregel für die nicht endgültig gelöste Irland-Frage gedacht gewesen. Man sei bislang davon ausgegangen, eine endgültige Lösung in den nächsten zwei Jahren zu finden. "Aber man kann sie vielleicht ja auch in den nächsten 30 Tagen finden. Warum nicht? Dann sind wir ein ganzes Stück weiter."
Der Backstop soll dazu dienen, Grenzposten zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Staat Irland und damit neue politische Spannungen auf der Insel zu vermeiden. Großbritannien soll Teil der EU-Zollunion bleiben, bis eine Lösung für die Grenze verhandelt wurde. Das lehnen Johnson und andere Brexit-Hardliner ab, weil Großbritannien bis zu dieser Lösung keine eigene Handelspolitik machen könnte und zum Teil an EU-Regeln gebunden bliebe.
Bundespräsident zweifelt an Absichten
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zeigte sich kurz vor Johnsons Berlin-Besuch pessimistisch. "Alle Varianten, die jetzt noch vorgeschlagen werden können, sind eigentlich schon Gegenstand von Gesprächen gewesen", sagte er. Steinmeier "halte es deshalb für wenig wahrscheinlich, dass Verhandlungen darüber noch einmal in Gang kommen".
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Der Bundespräsident stellte auch die Ernsthaftigkeit des Verhandlungswunsches von Johnson in Frage. "Möglicherweise geht es eher um Schuldzuweisungen als um die Frage von wirklicher Veränderung der Datenleiste." Das lasse sich aber erst nach den Gesprächen genau beurteilen.
Johnson will Backstop durch "Verpflichtungen" ersetzen
Johnson hat sich verpflichtet, Großbritannien am 31. Oktober aus der EU zu führen – mit oder ohne Abkommen. In einem Brief an EU-Ratschef Donald Tusk hatte Johnson offiziell die Streichung der von der EU verlangten Garantieklausel für eine offene Grenze in Irland gefordert. Anstelle dieses sogenannten Backstops stellte er andere "Verpflichtungen" Großbritanniens in Aussicht. Was damit gemeint ist, ließ er offen.
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Merkel hatte Johsons Forderung nach Nachverhandlungen bereits am Tag vor dessen Antrittsbesuch zurückgewiesen, genau wie die EU-Kommission auch. Frankreich sieht einen ungeregelten Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union - also einen Brexit ohne Abkommen - inzwischen als sehr wahrscheinlich an. "Heute ist das zentrale Szenario des Brexits das eines No-Deals", hieß es nach Angaben der französischen Nachrichtenagentur AFP am Mittwoch vom Pariser Präsidialamt.
- Pressekonferenz von Johnson und Merkel via TV
- Nachrichtenagentur dpa