Zweites Referendum Bleibt Großbritannien nun doch in der EU?
Labour-Chef Jeremy Corbyn hat in Großbritannien ein zweites Referendum vorgeschlagen. Wird der Brexit also nicht kommen? Und wann ist das klar? Die wichtigsten fünf Fragen und Antworten.
Der nahende Brexit ist zu einer Zitterpartie geworden. Regierungschefin Theresa May muss mit einer Meuterei im Parlament rechnen. Am Mittwoch stimmt das Unterhaus über die nächsten Schritte ab. Sollte die Premierministerin mit ihrem verhandelten Austrittsabkommen scheitern, will sie abstimmen lassen, ob der für den 29. März geplante Austritt aus der Europäischen Union verschoben wird.
Dutzende Abgeordnete aus der Regierungsfraktion und mehrere Minister drohen damit, May die Kontrolle über das Verfahren aus der Hand zu nehmen. Zudem stellte sich die oppositionelle Labour-Partei am Montagabend überraschend hinter die Forderung nach einem zweiten Brexit-Referendum.
1. Was haben die Abgeordneten vor, die den Austrittstermin verschieben wollen?
Die Rebellen wollen einen ungeordneten EU-Austritt verhindern, indem sie May zwingen, das Austrittsdatum zu verschieben. Der No-Deal-Brexit könnte Staat und Bevölkerung wirtschaftlich auf eine schwere Probe stellen. Die Premierministerin hat deswegen angekündigt, über die Verschiebung abstimmen zu lassen, wenn sie mit ihrem Abkommen scheitert.
Einige Abgeordneten hoffen, dadurch Zeit für Verhandlungen mit der EU zu gewinnen. Andere setzen auf ein zweites Brexit-Referendum in der britischen Bevölkerung – um den Brexit letztendlich doch noch zu verhindern. Labour-Chef Jeremy Corbyn gab dem Vorstoß zu einem zweiten Referendum am Montag offiziell seinen Segen.
2. Wie wahrscheinlich ist ein zweites Referendum und dass die Briten dann dafür stimmen, in der EU zu bleiben?
Das kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt niemand sicher sagen. Es haben mehrere Minister und Abgeordnete aus der Regierungsfraktion May signalisiert, dass sie ihre aktuellen Brexit-Strategie nicht gutheißen. Doch sie haben sich bislang nicht dazu geäußert, ob sie sich damit Jeremy Corbyn anschließen möchten, der ein zweites Referendum will. Sollte dies aber der Fall sein, könnte eine Überraschung kommen: Nach einer Umfrage Anfang 2019 ist eine Mehrheit der Briten aktuell gegen den Brexit.
3. Warum will Theresa May einen No-Deal-Brexit nicht mehr ausschließen?
May nutzt die Furcht vor einem chaotischen EU-Austritt ohne Abkommen als Druckmittel, um proeuropäische Abgeordnete davon zu überzeugen, dass ihr Deal das kleinere Übel ist. Gleichzeitig hält sie Brexit-Hardliner bei der Stange, denn die würden rebellieren, sollte May den EU-Austritt vertagen.
Sie braucht beide Flügel ihrer Konservativen Partei, um das Abkommen durchs Parlament zu bringen. Weitgehende Zugeständnisse an die Oppositionsparteien lehnt May bislang strikt ab, denn das könnte ihre ohnehin wackelige Minderheitsregierung zu Fall bringen.
4. Worüber wird im Moment noch mit der EU verhandelt?
Das ist ziemlich nebulös. Offiziell will die britische Regierung eine Öffnung des EU-Austrittsvertrags und "rechtlich verbindliche Änderungen" am sogenannten "Backstop".
Das ist die von der EU geforderte Garantie für eine offene Grenze zwischen dem EU-Staat Irland und dem britischen Nordirland, die von Brexit-Befürwortern abgelehnt wird. Sie fürchten, dass die Klausel Großbritannien auf Dauer an die EU kettet. May will sie beschwichtigen, indem sie den Backstop zumindest befristet. Doch die EU will keine Änderung des Vertrags.
Deshalb sucht man eine Art Formelkompromiss. Es gehe um "Garantien mit Blick auf den Backstop" und "rechtliche Zusicherungen", heißt es in einer gemeinsamen Erklärung von voriger Woche. Diese nennt noch zwei andere Themen: "Alternative Regelungen" als Ersatz für den Backstop; und Änderungen an einer politischen Erklärung zu den künftigen Beziehungen beider Seiten. Bliebe Großbritannien auf Dauer in einer Zollunion mit der EU oder ginge gar eine Bindung an den EU-Binnenmarkt ein, müsste man den Backstop nicht nutzen.
5. Kommt man in den Verhandlungen um die Irland-Grenze voran?
Ja, beteuern die Unterhändler. "Wir machen gute Fortschritte", sagte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker am Montag. An diesem Dienstag soll wieder ein britisches Team mit EU-Unterhändler Michel Barnier beraten.
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Trotzdem könnte sich alles noch fast einen Monat hinziehen: Als neue Frist für einen Abschluss der Gespräche setzten sich beide Seiten den 21. März, dem ersten Tag des nächsten EU-Gipfels in Brüssel. Womöglich könnte dort der große Showdown inszeniert werden – nur rund eine Woche vor dem angekündigten Brexit-Datum.
- Nachrichtenagenturen dpa, AFP