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Brexit-Stress: Wie hält Theresa May das aus?


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Mit dem Rücken zur Wand
Wie hält Theresa May das aus?


Aktualisiert am 28.01.2019Lesedauer: 4 Min.
Theresa May: Die britische Premierministerin hat ein klares Ziel vor Augen. Die Briten sollen ihren Brexit bekommen.Vergrößern des Bildes
Theresa May: Die britische Premierministerin hat ein klares Ziel vor Augen. Die Briten sollen ihren Brexit bekommen. (Quelle: imago-images-bilder)

Die britische Premierministerin kämpft für das Versprechen, das sie Großbritannien gegeben hat: Das Land aus der EU zu führen. Dabei muss sie unvereinbare Positionen zusammenbringen. Woher nimmt sie ihre Kraft?

Es könnte fast in Vergessenheit geraten, so glühend wie die britische Premierministerin dem EU-Austritt ihres Landes entgegenfiebert: Vor dem Referendum im Juni 2016 war Theresa May keine Befürworterin des Brexits. Als Innenministerin hatte sie sich noch für den Verbleib Großbritanniens in der Europäischen Union ausgesprochen. Es war für sie die vernünftigere Option. Nach dem Rücktritt ihres Vorgängers stellte sie sich mit Zuversicht und Tatendrang ihrer neuen Aufgabe: Großbritannien aus der Europäischen Union zu führen – als Regierungschefin.

Schon mit 18 Jahren war Theresa Brasier – so lautet ihr Mädchenname – sich sicher: Ich werde Premierministerin. Das berichten ehemalige Kommilitonen aus ihrer Studienzeit in Oxford der britischen Zeitung "The Telegraph". Sicher ahnte sie da noch nicht, was auf sie zukommen würde.

Monatelang haben die britischen Vertreter mit der Europäischen Union verhandelt, um einen Deal, ein Abkommen für einen geregelten Austritt, zu bekommen. Doch May kämpft gegen Windmühlen. Unvereinbar scheinen die Interessen der Abgeordneten im Parlament, die über den Entwurf abgestimmt haben. Ihr Deal wurde abgelehnt. Einen echten Plan B gibt es nicht. Statt Anerkennung für ihr Durchhaltevermögen und ihre Entschlossenheit erntet May vor allem Kritik. Von der Europäischen Union, ihrer Opposition und längst auch von der eigenen Partei.

Theresa May muss ihren eigenen Ansprüchen gerecht werden

Trotz aller Kritik, aller Rückschläge: Theresa May beißt die Zähne zusammen, gibt sich kämpferisch. Wo andere schon eingeknickt wären, bleibt sie stur. Ihre Entschlossenheit, schreiben britische Medien unisono, sei ihre größte Stärke. Richtig ist sicher auch, dass genau diese Entschlossenheit zugleich ihre größte Schwäche ist.

Auf dem damaligen Höhepunkt ihrer Karriere, wohlwissend um die Rückendeckung ihrer Partei und der vielen Brexit-Befürworter, leitet Theresa May im Frühjahr 2017 völlig ohne Not den Austrittsprozess ein. Sie wollte sich inszenieren als eine, die nicht lange fackelt. Eine, die die Ärmel hochkrempelt.

Immer wieder wurde sie schon als Innenministerin mit der großen Margret Thatcher, der Eisernen Lady, verglichen. So wurde sie damals gefragt, wie viel Schlaf sie eigentlich pro Nacht bekäme. Fünf bis sechs Stunden war die Antwort. Es gäbe immer viel zu tun. Gerüchten zufolge kam Thatcher mit vier Stunden pro Nacht aus – mehr dürfte May in ihrer aktuellen Rolle auch nicht bekommen. Auf ihrem Terminkalender stehen derzeit Gespräche mit den Abgeordneten im Parlament, mit ihren Beratern und mit Vertretern der Europäischen Union. Alle wollen Ergebnisse sehen.

Patt-Situation beim "Backstop"

Theresa May muss an mehreren Fronten gleichzeitig kämpfen, die Zeit rennt ihr davon. Weder die EU noch die Parlamentarier wollen einlenken. Das Parlament erwartet von May, bei der Europäischen Union mehr für Großbritannien rauszuholen. Besonders der "Backstop" zur vorläufigen Klärung der Nordirland-Frage stört viele Landsleute. Doch das EU-Mitglied Irland will kein bilaterales Abkommen, die EU die Passage nicht ändern. Eine Patt-Situation. May steht mit dem Rücken zur Wand.

Wie schafft sie das? Wenig Schlaf, viel Druck, mindestens genauso viel Kritik. Der Rückhalt, der Glaube an sie – hinweg. Wenig ist über Theresa Mays Privatleben, über ihren Charakter bekannt. Einzig, dass sie leidenschaftlich gern kocht. Über 100 Kochbücher soll sie mit nach Downing Street 10 gebracht haben. Doch bei den aktuellen Belastungen dürfte sie dafür keine Zeit finden.

In einem Radiointerview mit der BBC verriet May einst, ihr Mann sei für sie der Fels in der Brandung. Als ihre Eltern kurz hintereinander verstarben – der Vater bei einem Autounfall, die Mutter wenig später an Multipler Sklerose – gab er ihr Halt. Er hat sie begleitet auf ihrem Weg, der sie von der Hinterbänklerin über einen bedeutenden Ministerposten bis hin zur Regierungschefin führte. Als Theresa May im Herbst des vergangenen Jahres ihr erstes Misstrauensvotum überstand, war er ihr stürmischster Gratulant. Er bangte auch vor zwei Wochen mit seiner Frau, steht immer hinter ihr. Und das seit mehr als 40 Jahren.

Nur May kann den Brexit über die Bühne bringen

Und das obwohl sie sehr eigen ist. Das zumindest haben ehemalige Wegbegleiter, Kollegen und Freunde wissen lassen. Die Kommilitonen, die sich an Mays ehrgeizige Ziele erinnern, erinnern sich auch daran, dass sie schwer zugänglich gewesen sei. Während Philip stets offen war. Sie ergänzten sich. Er hielt und hält ihr den Rücken frei.

Theresa May hatte ein Ziel, das sie nun verpflichtet: Sie wollte Premierministerin werden, nun ist sie es. Sie hat den Brexit versprochen, nun soll Großbritannien ihn bekommen. Sie wird mit der Eisernen Lady verglichen, nun muss sie eisern bleiben. Ihre Entschlossenheit und die Angst, den eigenen Ansprüchen nicht gerecht zu werden, scheinen Theresa May die Kraft zu geben, die sie braucht, um im Sturm zu bestehen.


Wie lange das ausreicht, wird sich zeigen. Noch ist der Kampf nicht verloren. Dass Theresa May zwei Misstrauensvoten überstanden hat, ist kein Zufall. Den Abgeordneten ist klar: Es gibt derzeit niemanden außer Theresa May, der den Willen und die Kraft hat, um den Brexit über die Bühne zu bringen. Dieser Verantwortung ist sie sich bewusst.

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