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Australien: Kritik am 12 Milliarden $ Projekt zur Förderung von Gas von Uniper


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Deutscher Staatskonzern in der Kritik
"Ihr zerstört unser Land"


Aktualisiert am 11.10.2023Lesedauer: 7 Min.
Raelene Cooper bei einem Protest: "Ich bin sehr zufrieden mit dem Ergebnis".Vergrößern des Bildes
Raelene Cooper bei einem Protest: "Ich bin sehr zufrieden mit dem Ergebnis." (Quelle: IMAGO/AAP/GettyImages/think4photop Montage: U.Frey/t-online)
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In Australien soll ein Mega-Gasprojekt im Wert von 12 Milliarden Dollar entstehen, dessen Abnehmer unter anderem der deutsche Konzern Uniper sein soll. Die Pläne sorgen nicht nur bei Umweltschützern für großen Ärger.

Aus Brisbane berichtet Anna-Lena Janzen.

Die Burrup-Halbinsel sollte eigentlich zu den größten Touristenattraktionen Australiens zählen. Murujuga – so nennen sie die Einheimischen – fasziniert mit aufragenden roten Felsen, Wildblumen, Kängurus sowie unendlichen Meeresblicken. Doch das ist nicht alles: Die Region im Nordwesten Australiens zählt zu den bedeutendsten Orten für alte indigene Kunst. Auf der Halbinsel sind unschätzbar wertvolle, prähistorische Felsgravuren zu finden, die von den Aborigines hergestellt wurden und bis zu 40.000 Jahre zurückdatieren.

Nun geht in Murujuga die Angst um, dass das alles bald zerstört werden könnte. Denn Murujuga beherbergt seit fast 40 Jahren eines der größten Gasförderungsprojekte Australiens, das sogenannte "North West Shelf". Dort entdeckt man neben zahllosen Naturschönheiten auch dampfende Schornsteine, Pipelines, Bagger und Maschinen in der Landschaft.

Zwei Millionen Tonnen Gas pro Jahr nach Europa

Dahinter steckt der australische Öl- und Gaskonzern Woodside. Die Arbeiten an einem zwölf Milliarden Dollar teuren Gasprojekt haben schon begonnen. Woodside will neue Erdgasfelder im Meer erschließen und die bereits bestehende Gasförderung in der Region deutlich ausweiten. Und das hat auch mit Deutschland und der von Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) ausgerufenen Energiewende zu tun. Einer der Hauptabnehmer des Gases aus Westaustralien wird der deutsche Staatskonzern Uniper sein. Ab 2026 sollen etwa zwei Millionen Tonnen Flüssiggas pro Jahr nach Europa und in die Bundesrepublik verschifft werden. Aber es gibt einen Haken: Der Großteil der LNG-Lieferungen hängt den Verträgen zufolge von einer endgültigen Investitionsentscheidung über die Erschließung des sogenannten "Scarborough"-Gasvorkommens vor der Küste Westaustraliens ab.

Dass Uniper künftig mehr Gas aus dem fernen Australien beziehen möchte, hängt damit zusammen, dass Wladimir Putin dem deutschen Konzern seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine den Gashahn zugedreht hat. Um sich aus der Abhängigkeit vom russischen Pipeline-Gas zu befreien, setzen Deutschland und die EU als Teil ihrer Klimastrategie auf verflüssigtes Erdgas aus Übersee – und investieren dafür auch zu Hause Milliarden in den Bau neuer LNG-Terminals. Die Verträge für LNG-Exporte, die Woodside mit Uniper abgeschlossen hat, sind bis 2039 gültig.

Cooper: "Ihr kommt hierher, ihr zerstört unser Land"

Doch das alles geschieht zum Leidwesen der Ureinwohner in Australien. Die brachten den Fall zuletzt sogar bis vor das australische Bundesgericht. Die indigene Aktivistin Raelene Cooper konnte in einer Klage gegen eine Genehmigung von Arbeitsplänen von Woodside einen Erfolg verbuchen. Ein Umweltplan, auf dem der Startschuss für seismische Tests im Meer durch Woodside basierte, wurde von dem Gericht als ungültig erklärt. Das Unternehmen hat demnach vor Beginn seiner Arbeiten nicht ausreichend mit den Ureinwohnern beraten. Die seismischen Untersuchungen wurden gestoppt.

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(Quelle: imago images / Cindy Miller Hopkins)

Was steckt hinter seismischen Tests?

Bei seismischen Tests werden Luftkanonen eingesetzt, um Öl- und Gasreserven unter dem Meeresboden zu erkunden. Durch die entstehenden Schallmuster wird ein genaues Bild der geologischen Strukturen erstellt, um potenzielle Vorkommen zu identifizieren. Die möglichen Auswirkungen auf Meeresbewohner und Ökosysteme durch die Arbeiten sind jedoch umstritten und langfristig schwer vorhersehbar. Umweltschützer befürchten unter anderem, dass die lauten Geräusche der Luftkanonen – um die 250 Dezibel – Wale in der Umgebung taub und orientierungslos machen könnten.

"Die Burrup-Halbinsel ist mein Wohnzimmer. Sie ist mein Zuhause und das von allen anderen in unserer Gemeinde. Trotzdem sind wir die Einzigen, die kein Mitspracherecht haben, und das finde ich extrem beleidigend", erklärt Cooper zu ihrem Vorgehen gegen Woodsides Pläne. Als "Mardudhunera"-Frau – so nennt sich Coopers indigene Bevölkerungsgruppe – gehört sie zu den traditionellen Beschützerinnen von Murujuga. Das australische Gesetz erkennt an, dass Ureinwohner Rechte und Interessen am Land haben, die sich aus ihren traditionellen Gesetzen und Bräuchen ergeben.

Die seismischen Tests von Woodside könnten laut Cooper Auswirkungen auf bedrohte Tierarten wie Schildkröten und Wale haben, die für ihre Gruppe von spiritueller Bedeutung sind. Zum anderen sorgt sie sich um die Felsgravuren in Murujuga. "Wie kann man auf die Idee kommen, solche Kunstwerke zu zerstören, auch wenn sie nicht in einer offiziellen Galerie ausgestellt sind?", so Cooper. "Ihr kommt hierher, ihr zerstört unser Land. Ihr übernehmt und stehlt alles von uns. Ihr versucht, unsere Existenz als indigene Völker zu rauben. Ihr nehmt uns unsere Geschichte und unsere Kultur weg, und zwar unsere uralte Geschichte, und trotzdem wollt ihr, dass wir uns zurücklehnen und einfach zusehen, wie ihr alles zerstört, was uns ausmacht."

Woodside: "Setzen unsere Gespräche fort"

Woodside teilte nach dem Urteil des Bundesgerichts mit, das Unternehmen werde weiterhin mit der zuständigen Umweltbehörde zusammenarbeiten, um einen akzeptierten Plan zur Verfügung zu stellen. "Wir haben viel Zeit und Mühe investiert, um über unsere Umweltpläne umfassend beraten zu lassen", sagte ein Pressesprecher des Unternehmens. "Wir setzen die Gespräche mit allen relevanten Interessengruppen über den Umweltplan für die seismischen Tests und unsere anderen Projekt-Umweltpläne fort."

Es ist nicht der erste Protest gegen die Gasförderung von Woodside in Westaustralien. Im vergangenen Jahr hatten mehr als 750 Organisationen und Einzelpersonen Einspruch gegen eine Empfehlung der lokalen Umweltschutzbehörde erhoben, nach der das Unternehmen seine Gasverarbeitungsanlage in der Region um weitere 50 Jahre – bis 2070 – betreiben darf. Trotz heftiger Widerstände gegen diese Empfehlung wurde sie dennoch genehmigt.

In einem offenen Brief an die Regierung von Westaustralien äußerten sich im März 2022 20 indigene Führungspersönlichkeiten gegen die weiteren Pläne des Konzerns in dem Bundesstaat. "Woodsides Gasentwicklungen auf Murujuga haben bereits viele heilige Stätten und Tausende von alten Felszeichnungen unserer Vorfahren zerstört oder beschädigt", heißt es in dem offenen Brief. Bis dato fehlen dem Konzern für die geplanten Erweiterungen noch drei von fünf Genehmigungen, einschließlich der für Gasbohrungen.

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Greenpeace: "Wale leiden auf Staatskosten"

Auch Greenpeace in Deutschland setzt sich gegen die Pläne von Woodside in Westaustralien ein. Meeresexpertin Franziska Saalmann war im vergangenen Mai vor der Westküste Australiens mit dem Greenpeace-Schiff "Rainbow Warrior" auf Tour.

"Wir haben eine riesige Artenvielfalt dort, jedoch ist diese bereits jetzt bedroht. Wenn nun noch mehr Gasprojekte hinzukommen, die zusätzliche Emissionen in Luft und Gewässer freisetzen und konkret in Schutzgebieten gebaut werden, Plattformen aufgestellt und Pipelines verlegt werden, insbesondere in Gebieten mit Korallenriffen und Seegraswiesen sowie entlang der Migrationsrouten von Walen, wird die Natur noch weiter unter Druck gesetzt und im schlimmsten Fall sogar zerstört", so Saalmann. Zum einen sei die Gefahr von Unfällen real und zum anderen werde durch die Arbeiten und den Betrieb Zerstörung verursacht.

Auf die Bedenken der Umweltschützer angesprochen verweist Woodside auf eine Reihe von Risikoanalysen und erarbeiteten Kontroll- und Managementmaßnahmen in den Umweltschutzplänen, die von dem Konzern an die zuständigen Behörden übermittelt wurden. Durch diese sollen mögliche Auswirkungen auf die Meeresfauna vermieden oder minimiert werden. Das Unternehmen ist zudem nach eigenen Angaben einer der größten Geldgeber für die Walforschung in Australien – "um glaubwürdige wissenschaftliche Erkenntnisse über Wale zu gewinnen und das langfristige Management der Walpopulationen in den Regionen, in denen wir tätig sind, zu unterstützen".

"Australien ist zwar weit weg, aber die Klimakrise ist global"

Neben den potenziellen Auswirkungen vor Ort in Australien sehen die Umweltschützer aber einen weiteren Haken: die Klimakrise. Sie kritisieren den Ausbau fossiler Infrastrukturen im Hinblick auf das Erreichen der Klimaschutzziele. Greenpeace bezeichnet die Expansionspläne von Woodside als das "klimaschädlichste Projekt Australiens". "Australien ist zwar weit weg, aber die Klimakrise ist global und die Biodiversitätskrise ebenfalls. Daher betrifft alles, was wir dort an neuen Gasvorhaben ermöglichen und unterstützen, letztendlich auch uns hier", sagt Saalmann.

Doch auch die EU und Deutschland bauen daheim ihre Gasinfrastruktur aus: Der Weg zu Net Zero führe zunächst über eine Ausweitung der Gasproduktion, heißt es. Solange der Strom aus erneuerbaren Energien nicht reicht, soll Erdgas die Lücke schließen.

Das Bundesfinanzministerium teilt auf Anfrage mit, Uniper sei einer der wichtigsten Versorger und Betreiber kritischer Infrastruktur im Bereich Energie im Bundesgebiet und stelle die Energieversorgung für Stadtwerke, Unternehmen sowie Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland sicher. Der Bund hatte sich im Dezember 2022 wegen des Ukraine-Kriegs entschieden, das Unternehmen zu stützen. Diese Beteiligung sei laut Antwort des Finanzministeriums notwendig gewesen, um die Energieversorgung in Deutschland zu gewährleisten. Hier lesen Sie die Details zur Beteiligung des Bundes an dem Unternehmen.

In Woodsides Antwort auf die Bedenken der Klimaschützer heißt es, Woodsides Erdgas unterstütze die Dekarbonisierungsziele seiner Kunden – etwa durch den Ersatz von Kohle in Asien. "Woodsides Unternehmensziele zur Emissionsreduzierung sind mit denen Australiens abgestimmt", so ein Pressesprecher. Ziel sei es, bis 2050 oder früher netto null Emissionen zu erreichen.

Der erste Anleger für Schiffe mit Flüssigerdgas in Wilhelmshaven: Rund 170.000 Kubikmeter verflüssigtes Erdgas brachte die "Maria Energy".
Der erste Anleger für Schiffe mit Flüssigerdgas in Wilhelmshaven: Rund 170.000 Kubikmeter verflüssigtes Erdgas brachte die "Maria Energy". (Quelle: Wolfhart Scheer/NPorts/dpa)

Wie klimaschädlich ist (verflüssigtes) Erdgas?

Erdgas wird oft als umweltfreundlichere Alternative zur Kohle angepriesen, da es bei der Verbrennung effizienter ist und weniger Treibhausgase freisetzt. Doch US-Forscher von "Global Energy Monitor" haben jüngst gewarnt, dass dies nur die halbe Wahrheit sei. Denn neben dem CO2, das bei der Verbrennung entsteht, werden beim Abbau, Transport und der Lagerung von Erdgas zusätzlich andere Gase wie Methan freigesetzt. Methan hat ein 25-mal höheres Treibhauspotenzial als Kohlendioxid und trägt erheblich zum Klimawandel bei. Daher ist fraglich, ob Erdgas tatsächlich eine bessere Alternative zu anderen fossilen Brennstoffen darstellt.

Erdgas zu Zeiten der Energiewende?

Professor Peter Newman von der Curtin University in Perth widerspricht der Darstellung von Woodside: Sollte das gesamte in der erweiterten Anlage verarbeitete LNG nach Übersee verschifft und dort verbrannt werden, würden die dadurch freigesetzten Treibhausgasemissionen alles übertreffen, was Australien bisher gegen die Klimakrise unternommen habe. Newman ist Experte für Nachhaltigkeit und hat unter anderem drei Gutachten für das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) verfasst.

"Königin Öl und Gas steht kurz vor der Entthronung, zusammen mit König Kohle", sagt er im Gespräch mit t-online. "Die sicherste Form der Energie ist Sonnenschein. Sonne und Wind – das sind die widerstandsfähigsten Formen von Energie", so Newman. "Wir werden eine Todesspirale bei Öl und Gas erleben. Deshalb können es sich Staaten eigentlich nicht leisten, ihr Geld, ihre Ressourcen, ihre Innovationen, ihre jungen Leute und die gesamte Zukunft für den Bau von LNG-Anlagen zu vergeuden."

Greenpeace fordert sogar, dass Uniper sich aus den Verträgen mit seinem Handelspartner Woodside zurückzieht. "Wenn Uniper dort aussteigen oder ankündigen würde, dass sie kein Gas mehr aus diesen Gasfeldern beziehen, dann würde dem Projekt die wirtschaftliche Grundlage entzogen werden. Zumindest würde auch ein großer Rufschaden für das Projekt entstehen", sagt Saalmann.

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Dafür nehmen die Umweltschützer auch die Bundesregierung in die Verantwortung. "Das für Uniper zuständige Finanzministerium von Christian Lindner windet sich aus seiner Verantwortung damit heraus, dass sie in das operative Geschäft nicht eingreifen wollen und ein Rückzug von Uniper das Projekt nicht verhindern würde, da sonst jemand anderes das Gas kaufen würde – ein wirklich absurdes Argument", so die Meeresexpertin. Auch hier sei kein echter Wille zur Transformation erkennbar. "Das gilt leider auch für die gesamte verfehlte und überdimensionierte deutsche Gasstrategie unter Olaf Scholz im Moment."

Der Sprecher des Finanzministeriums sagte t-online, dass Uniper auch nach dem Einstieg des Bundes für die operative Geschäftsführung selbst verantwortlich bleibe und nicht weisungsgebunden sei.

Uniper teilt mit, man habe die Firma Woodside sowie das Projekt in Westaustralien einer ausführlichen Prüfung unterzogen. "Zudem sind wir im regelmäßigen Austausch mit Woodside, um die potenziellen Auswirkungen auf die Umwelt und die Steinkunst der Ureinwohner zu adressieren und im Falle gemeinsam Abhilfemaßnahmen zu erarbeiten", heißt es. Zur Klage der indigenen Aktivistin Raelene Cooper vor dem australischen Bundesgericht wollte der Konzern auf t-online-Anfrage keine Stellungnahme abgeben.

Verwendete Quellen
  • Gespräche mit und Stimmen von Peter Newman, Franziska Saalmann und Raelene Cooper, Woodside Energy, Uniper SE und dem Bundesfinanzministerium
  • australiasnorthwest.com: Dampier Archipelago
  • iea.org: Net Zero Roadmap: A Global Pathway to Keep the 1.5 °C Goal in Reach
  • woodside.com: North West Shelf
  • edo.org.au: Woodside’s seismic blasting approval thrown out after legal challenge by Traditional Custodian
  • woodside.com: Whales and Woodside
  • woodside.com: Woodside expands long-term LNG supply agreement
  • woodside.com: Stakeholder Information sheet: Scarborough 4D baseline marine seismic survey
  • nopsema.gov.au: Acceptance of Scarborough Offshore Project Proposal
  • smh.com.au: Woodside contradicts CSIRO report debunking key climate claims
  • smh.com.au: Open Letter from Traditional Owners and Custodians of Murujuga
  • greenpeace.de: Mega-Gasprojekt bedroht Wale in Australien
  • uniper.energy: Uniper and Woodside sign agreement for LNG supply to Europe
  • abc.net.au: "Humpback whale struck in head by boat propeller off Pilbara coastline in WA"
  • guardian.com: "Woodside LNG: Australia’s ‘biggest’ contribution to climate crisis a step closer to 50-year extension"
  • ccwa.org.au: Woodside back in Supreme Court as CCWA challenges key gas project approval
  • faz.net: Investitionsruine LNG-Terminal (kostenpflichtig)
  • Eigene Recherchen
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