t-online - Nachrichten für Deutschland
t-online - Nachrichten für Deutschland
Such IconE-Mail IconMenü Icon



HomeMobilitätRecht und Verkehr

Tempolimit von 30 km/h innerorts: Vor- und Nachteile


Vor- und Nachteile
Was bringt Tempo 30 in Ortschaften wirklich?

Von t-online, ccn

27.01.2025Lesedauer: 4 Min.
Tempo-30-SchildVergrößern des Bildes
Tempo 30: Zugunsten der Verkehrssicherheit schlagen Experten eine Ausweitung der Begrenzung vor. (Quelle: Julian Stratenschulte/dpa/Archivbild/dpa)
News folgen

Eine flächendeckende Einführung von Tempo 30 in Ortschaften ist umstritten. Was dafür spricht – und was dagegen.

Tempo runter – Sicherheit rauf? Mit neun Prozent waren Fußgänger im Jahr 2023 nach Autofahrern die zweitgrößte Gruppe der Unfallbeteiligten. Die Zahl der verunglückten Fußgänger lag bei 33.504, die Zahl der Getöteten lag mit 449 sogar über dem Vor-Corona-Niveau (2019: 429). Unter 15-Jährige sowie Menschen über 75 Jahre waren dabei am häufigsten in Unfälle verwickelt.

Die Gewerkschaft der Polizei fordert daher neben höheren Bußgeldern eine Regelgeschwindigkeit von 30 Kilometern pro Stunde innerorts. Wo Fußwege ausreichend abgesichert seien, könne auch mit 50 km/h oder schneller gefahren werden. Mit einer Änderung der Straßenverkehrsordnung wurde es Kommunen 2024 bereits erleichtert, 30er-Zonen einzuführen.

Verkehrsminister Wissing lehnt generelles Tempo 30 ab

Doch in der Diskussion um flächendeckende Tempo-30-Zonen in Städten verwies Bundesverkehrsminister Volker Wissing (Ex-FDP) im Interview mit t-online auf vorhandene Regelungen. "Ich habe kein Problem damit, dass überall dort, wo es einen Grund gibt, Tempo 30 eingeführt werden kann. Aber in Deutschland gilt grundsätzlich eine Regelgeschwindigkeit von 50 km/h innerorts. Das ist unter anderem wichtig für den Durchgangsverkehr, der sich sonst seinen Weg durch Wohngebiete suchen würde. Und wenn eine Gemeinde von dieser Geschwindigkeitsregelung abweichen will, dann bedarf das Ganze einer Begründung".

Diese Argumente sprechen für Tempo 30:

Verkehrssicherheit

Ein Tempolimit von 30 km/h kann die Anzahl und Schwere von Verkehrsunfällen erheblich reduzieren: Niedrigere Geschwindigkeiten geben den Fahrern mehr Zeit, die Umgebung im Blick zu behalten, insbesondere in unübersichtlichen Bereichen wie Kreuzungen oder auf Schulwegen. Bei Tempo 30 beträgt der Bremsweg nur etwa 14 Meter, bei Tempo 50 dagegen 28 Meter. Dadurch können Fahrer schneller auf plötzliche Gefahren wie querende Fußgänger oder Radfahrer reagieren.

Falls es doch zu einem Unfall kommt, sinkt die Wahrscheinlichkeit erheblich, dass Fußgänger oder Radfahrer tödlich verletzt werden: Während die Überlebenswahrscheinlichkeit eines ungeschützten Verkehrsteilnehmers laut dem österreichischen Verkehrsclub VCÖ bei einem Aufprall mit 50 km/h nur etwa 20 Prozent beträgt, steigt sie bei Tempo 30 auf ca. 90 Prozent.

Weniger Lärm

Tempo 30 kann den Verkehrslärm verringern, da der Motor weniger hochdreht und der Rollwiderstand der Reifen bei niedrigerer Geschwindigkeit geringer ist. Der Lärmpegel sinkt durch die Verringerung der Geschwindigkeit von Tempo 50 auf Tempo 30 durchschnittlich um ca. 3 dB(A). Das ist ungefähr die Halbierung der wahrgenommenen Lautstärke – und das kann zu weniger Stress und Schlafstörungen bei Anwohnern führen.

Bessere Luftqualität

Niedrigere Geschwindigkeiten führen zu einer gleichmäßigeren Fahrweise, was den Schadstoffausstoß verringert. Untersuchungen zeigen zudem, dass durch weniger abruptes Bremsen und Beschleunigen der Ausstoß von CO2, Stickoxiden und Feinstaub reduziert wird.

Einige Studien zeigen aber auch, dass die Umweltbilanz bei Tempo 30 nicht eindeutig positiv ist, da der Energieverbrauch in bestimmten Fahrzeugen bei niedrigen Geschwindigkeiten höher sein kann: So hieß es 2012 von der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg, dass die motorbedingten Belastungen durch Feinstaub (PM 10) bei Tempo 30 stiegen. Die Belastung durch Feinstaub, der durch Abrieb (Reifen, Bremsen, Straßen) und Verwirbelung entsteht, sank aber.

Verbesserte Lebensqualität

Ein flächendeckendes Tempolimit schafft nicht nur mehr Sicherheit: Weniger Lärm und eine entspanntere Verkehrssituation können den öffentlichen Raum attraktiver machen und auch weitere Fußgänger und Fahrradfahrer ermutigen, am Straßenverkehr teilzunehmen. So könnten, wie es sich einige Verkehrsexperten erhoffen, mehr Menschen vom Auto auf andere Verkehrsmittel umsteigen.

Besserer Verkehrsfluss, weniger Staus

Ein flächendeckendes Tempolimit kann den Verkehrsfluss verbessern: Bei geringeren Geschwindigkeiten fahren Autos gleichmäßiger, wodurch die Wahrscheinlichkeit von Stop-and-Go-Verkehr sinkt. Zudem benötigen Autos weniger Brems- und Beschleunigungszeit.

Beispiele aus dem Ausland

Seit 2021 gilt in Spaniens Städten und Gemeinden ein Tempolimit von 30 km/h. Mit dem Ergebnis, dass die Unfallzahlen um etwa 20 Prozent zurückgegangen sind. Zudem wurde der Lärmpegel in Wohngebieten um bis zu 3 Dezibel gesenkt.

In Amsterdam ist Tempo 30 in vielen Wohnvierteln Standard und wird in den kommenden Jahren auf wichtige Hauptstraßen ausgeweitet.

Auch in Brüssel gilt seit 2021 flächendeckend Tempo 30, mit Ausnahmen für einige Hauptverkehrsachsen. Die Zahl der Verkehrsunfälle sank um fast 50 Prozent. Gleichzeitig stieg die Nutzung von Bus und Straßenbahn, da sich die Verkehrssituation insgesamt beruhigt hat.

Paris führte 2021 nahezu flächendeckend Tempo 30 (bis auf Ring- und Ausfallstraßen) ein, um den Verkehr sicherer und die Stadt lebenswerter zu machen. Erste Auswertungen zeigen weniger Lärm, geringere Schadstoffbelastung und eine verbesserte Nutzung des öffentlichen Raums.

Tempo 30 in Deutschland

Daten des Leibniz-Instituts für Länderkunde zeigen, wie Tempo-30-Zonen in größeren Städten verteilt sind. Demnach ist die Streuung zwischen Großstädten mit hohen und niedrigen Tempo-30-Anteilen erheblich. Vor allem im Norden und im Süden, außerdem in Berlin und Potsdam, gebe es viele Straßen mit Tempo 30. Umgekehrt gibt es ein breites Band zwischen Mönchengladbach und Dresden, in dem die Anteile eher gering sind.

Mit 60 Prozent hat Berlin den höchsten Tempo-30-Anteil am gesamten Straßennetz aller 80 deutschen Großstädte (mehr als 100.000 Einwohner). An zweiter Stelle folgt Reutlingen mit 58 Prozent, Schlusslichter sind Salzgitter und Koblenz mit Anteilen von weniger als 20 Prozent. Der überwiegende Teil der Tempo-30-Straßen befindet sich im Nebenstraßennetz. Nur in Berlin gibt es auch einen nennenswerten Anteil von Tempo 30 im Hauptstraßennetz.

 
 
 
 
 
 
 

Kritik an Tempo 30 innerorts

Neben Verweisen auf die Einschränkung der persönlichen Freiheit führen Kritiker häufig an, dass Tempo 30 auf Hauptverkehrsstraßen zu mehr Rückstaus führen könne, insbesondere in Städten mit hohem Verkehrsaufkommen. Der langsamere Verkehr könnte auch die Kapazität von Straßen reduzieren und auch Busse und Straßenbahnen behindern.

Lieferdienste und Handwerker könnten durch Tempo 30 längere Fahrzeiten und damit höhere Betriebskosten haben. Dies könnte sich negativ auf die lokale Wirtschaft auswirken, zumal unter Umständen auch Kunden abgeschreckt und diese lieber Einkaufszentren außerhalb der Stadtzentren aufsuchen würden. Zusätzliche Verkehrszeichen und Neuplanungen könnten zusätzliche Kosten verursachen, eine uneinheitliche Regelung mit Ausnahmen zu Verwirrung führen. Vor allem, wenn es auch Hauptstraßen betrifft: Während Tempo 30 in Wohngebieten allgemein akzeptiert ist, gibt es Kritik daran, es auf Hauptverkehrsstraßen auszuweiten. Dort könnte der Nutzen geringer sein, da diese Straßen weniger Fußgänger und Radfahrer aufweisen und für den schnellen Verkehrsfluss konzipiert sind.

Teilen Sie Ihre Meinung mit

Sollte Tempo 30 in Ortschaften gelten? Schreiben Sie eine E-Mail an Lesermeinung@stroeer.de. Bitte nutzen Sie den Betreff "Tempo 30" und begründen Sie.

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...

ShoppingAnzeigen

Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...
Loading...



Telekom