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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Neuvorstellungen & Fahrberichte BMW 319/1 Sport: Erster Rennwagen mit der Doppelniere
Bei Oldtimer-Rallyes dominieren meist die Fahrzeuge aus den 1950er - und 60er Jahren. Vorkriegsmodelle sind viel seltener, Vorkriegsrennwagen erst recht. Ein herausragender Vertreter dieser Gattung ist der . Der Bolide ist der erste Renner mit der typischen Doppelniere. Der schnelle BMW bot damals noch weitere technische Schmankerl - und ist für viele Fans bis heute der schönste Oldie.
Ein besonders anspruchsvolles automobiles Sammelgebiet sind die Vorkriegsfahrzeuge, die bis 1939 gebaut wurden.
BMW 319/1 Sport: nur 178 Modelle gebaut
Damals waren die Stückzahlen noch äußerst überschaubar und in Europa fielen viele Fahrzeuge den zahllosen Bomben zum Opfer. Wir durften aus dem Münchener BMW-Museum ein echtes und echt seltenes Schätzchen für eine ausgiebige Ausfahrt entführen – den BMW 319/1 Sport, gebaut 1936 in der BMW-Zweigniederlassung in Eisenach.
Gerade einmal 178 Stück wurden von diesem Vorkriegs-Oldtimer von Februar 1935 bis Ende Juli 1936 gebaut. Wie viele es heute noch gibt, kann nur geschätzt werden – "so zirka 30 BMW 319 sollten es schon noch sein", mutmaßt ein BMW-Historiker. >>
Anständig restaurierte Modelle kosten heute um die 250.000 Euro. Keine schlechte Rendite möchte man denken, da der Verkaufspreis vor fast 80 Jahren gerade einmal bei 5800 Reichsmark lag. Aber dieser Betrag entsprach Mitte der 1930er-Jahre auch schon dem vierfachen Jahreslohn eines Arbeiters.
Maximales Drehmoment bei 98 Newtonmetern
Kommen wir nun zu den technischen Daten des 3,9 Meter langen und 1,44 Meter breiten zweisitzigen Roadsters mit 55 PS, der als Nachfolger des 15 PS schwächer motorisierten, aber optisch nahezu identischen 315/1 Ende 1934 vorgestellt wurde. Der wassergekühlte Sechszylinder-Reihenmotor hatte einen Hubraum von 1,9 Litern und die Dreivergaseranlage war mit 1:6,8 höher verdichtet, als beim Vorgänger mit 1:5,6. Das bringt ein maximales Drehmoment von 98 Newtonmetern auf die angetriebenen Hinterräder. >>
Diese sind an einer Starrachse mit Halb-Elliptik-Blattfedern und hydraulischen Hebelstoßdämpfern aufgehängt. Das manuelle Mittelschaltgetriebe hat vier Vorwärtsgänge und ein Rückwärtsgang und lässt sich erstaunlich hakelfrei bedienen, wobei die Synchronisierung des dritten und vierten Ganges dem Fahrer das Leben auch bei höherer Geschwindigkeit deutlich leichter macht. Die Höchstgeschwindigkeit liegt laut Datenblatt bei 135 Stundenkilometer, wobei der von uns getestete 319/1 mit der Wagen- und Motornummer 56257 sogar noch etwas mehr Vmax zu bieten hatte.
Erste Rennerfolge für BMW
Kein Wunder also, dass mit dem 319/1 Sport bei BMW die ersten großen Erfolge im automobilen Rennsport erzielt wurden. So fuhr der Wagen auch auf der legendären Nordschleife am Nürburgring. Der BMW stand jedoch im Schatten eines berühmten Nachfolgers in der Vorkriegsära, dem BMW 328, mit dem der Autobauer beim legendären 24-Stunden-Rennen von Le Mans oder der Mille Miglia unterwegs war.
Und dennoch braucht sich der 319er BMW nicht hinter dem legendären BMW 328 zu verstecken. Denn seine Motorpower war allemal ausreichend, um in der Prestige-trächtigen 2,0-Liter Klasse anzutreten. Was den Fahrleistungen der damaligen Autos zugute kam, war auch das geringe Gewicht. So wog der BMW 319/1 Sport weniger als 800 Kilo.
Hoher Verschleiß bei den Bremsen
Allerdings ist die Bremsleistung nach heutigen Maßstäben eher bescheiden. Alle vier Trommelbremsen haben einen Durchmesser von 230 Millimeter und sind durch Seilzüge mit dem Bremspedal verbunden. In bergigen Gegenden bietet es sich zwingend an, viel mit der Motorbremse zu arbeiten, da ansonsten der Bremsverschleiß an einem einzigen Nachmittag die Verzögerungsanlage unbrauchbar macht. >>
Von außen fallen besonders die verkleideten Radkästen der Hinterräder auf. Das kommt der Aerodynamik zu Gute und sieht auch noch verdammt gut aus. Von vorn erkennt man sofort, dass es sich hier um einen BMW handelt. Die Doppelniere mit dem mittig platzierten weiß-blauen BMW-Propeller-Logo gab es schon damals. Das für alle späteren BMW charakteristische Designelement wurde erstmals 1933 beim BMW 303 vorgestellt. Der BMW 319/1 Sport war dann wenige Jahre später der erste BMW-Rennwagen mit der Doppelniere.
Erstmals Hintergrundbeleuchtung für Kennzeichen am Heck
Mit dem 319 feierte BMW damals eine Weltpremiere, denn hier wurde erstmals das hintere Kennzeichen hintergrundbeleuchtet. Um in den Roadster einsteigen zu können, müssen Fahrer und Beifahrer die Türen andersrum, also nach hinten öffnen. Dann gleitet man durch den relativ engen Raum mehr oder weniger elegant in die ledernen Klappsitze.
Hinter den Sitzen ist genug Stauraum für zwei mittelgroße Sporttaschen oder etwas Werkzeug für den Notfall. Mit einem satten Rumms fallen die Türen wieder ins Schloss. Das große aber dünne und servofreie Bakelit-Lenkrad sollte man stets mit beiden Händen festhalten, denn gerade auf schnellgefahrenen, kurvenreichen Straßen ist stets mit über- und untersteuern zu rechnen. Das erhöht zwar deutlich den Fahrspaß, strengt aber Körper und Geist an – wenn auch auf angenehmste Weise.
Den kernigen Sound des Motors, wie auch sonst alle anderen Geräusche hört man in einem Roadster ohne Seitenscheiben besonders schön und intensiv. An Frischluft mangelt es zu keiner Zeit, nur wenn Regen aufkommt, kann es verständlicherweise etwas ungemütlich werden. Bei Bergabfahrten mit der erwähnten Motorbremse knattern ganz herrlich und motorsportlich die Fehlzündungen aus dem einflutigen Endrohr der Auspuffanlage. Alles in allem ist der BMW 319/1 Sport ein rundum spaßbringender Oldtimer, der auch heute noch auf Landstraßen und Autobahnen zügig mitfahren kann.