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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Neue Zahlen zeigen es So hart trifft Corona unsere Autobauer

Flüge gestoppt, Grenzen dicht, Ausgangsverbote: Corona hält Europa in Gefangenschaft. Auch die Autoindustrie leidet an dem Virus – und zwar noch sehr lange. Ein Experte sagt, wie hart die Einschnitte werden.
Vom kleinen Zuliefererbetrieb bis zum Weltkonzern – auch die Autoindustrie bekommt die Coronakrise deutlich zu spüren. Welche Folgen die Epidemie für die Branche selbst im besten Fall hat, zeigen neue Berechnungen.
Europa ist "Kernland der deutschen Autobauer"
Die Zahlen sind beeindruckend, aber sie offenbaren auch ein Dilemma: Mehr als jeden dritten Neuwagen (35 Prozent) ihrer weltweiten Produktion verkaufen die deutschen Autobauer in Europa. Und davon wiederum 90 Prozent in Westeuropa. Fast 4,7 Millionen waren es allein im Jahr 2019. Kurzum: Wenn Westeuropa weniger Autos kauft, dann hat Deutschland ein gewaltiges Problem.
Marke | Zulassungen in Europa | Weltweite Produktion | Europa-Anteil |
---|---|---|---|
Audi | 743.000 | 1,8 Mio. | 41,2 Prozent |
BMW-Mini | 1,05 Mio. | 2,56 Mio. | 40,9 Prozent |
Mercedes-Smart | 1,02 Mio. | 2,39 Mio. | 42,6 Prozent |
Porsche | 80.000 | 274.000 | 29 Prozent |
VW (ohne Seat und Skoda) | 1,77 Mio. | 6.24 Mio. | 28,3 Prozent |
Insgesamt | 4,66 Mio. | 13,27 Mio. | 35,1 Prozent |
"Wie groß am Ende die Auswirkungen sein werden, können wir heute nicht absehen, sagte Daimler-Chef Ola Källenius dem Magazin "Der Spiegel" über die Folgen von Corona für die Branche. "Aber klar ist: Sowohl die Produktion als auch der Verkauf werden beeinträchtigt sein."
Gravierende Folgen – selbst im besten Fall
Ein Szenario für das "Kernland der deutschen Autobauer" stellt Prof. Dr. Ferdinand Dudenhöffer auf. Der Autoexperte vom Institute Customer Insight (ICI) der Universität St. Gallen sagt: Sogar im besten Fall "ergeben sich für den europäischen Automarkt erhebliche Einschnitte".
Der beste Fall – das bedeutet unter anderem:
- das Finanzsystem in Europa bricht nicht zusammen
- Bankenpleiten werden verhindert
- die Wirtschaft kann nach drei Monaten auf niedrigem Niveau stabilisiert werden
Ob all das gelingt, ist derzeit jedoch unklar.
Selbst wenn sich die Lage binnen drei Monaten deutlich beruhige, blieben die Auswirkungen auf den Automarkt gravierend. Dudenhöffers Berechnungen besagen: Gegenüber dem Vorjahr mit 14,316 Millionen verkauften Neuwagen in West-Europa bricht der Markt in diesem Jahr um 1,577 Millionen Neuwagen ein. Das ist ein Minus von 11 Prozent – im besten Fall. Zwar wäre für 2020 ohnehin ein Einbruch zu erwarten. Aber allein Corona koste die Autobauer nochmals fast eine Million verkaufte Neuwagen.
Entwicklung der Einzelmärkte durch Corona
Nicht nur unter der Epidemie leidet Italien in Europa derzeit am meisten, sondern auch unter den Folgen für den Automarkt: Er wird nach den ICI-Berechnungen in diesem Jahr um 16,2 Prozent einbrechen. Nur wenig besser sieht es in Deutschland mit einem Minus von 14 Prozent aus. Allerdings: "Das Minus in Deutschland fällt auch deshalb so hoch aus, weil im Jahr 2019 ein extrem hoher Neuwagen-Markt vorlag," sagt Dudenhöffer. Auch ohne Corona wäre der deutsche Markt geschrumpft – allerdings etwas weniger.
Land | Absatz 2019 | Absatz 2020 (Prognose) | Veränderung |
---|---|---|---|
Italien | 1,92 Mio. | 1,6 Mio. | -16,2 Prozent |
Deutschland | 3,6 Mio. | 3,1 Mio. | -14 Prozent |
Frankreich | 2,21 Mio. | 1,93 Mio. | -13 Prozent |
Spanien | 1,26Mio. | 1,13 Mio. | -10 Prozent |
Großbritannien | 2.31 Mio. | 2,15 Mio. | -7 Prozent |
Krise noch lange spürbar
Die Corona-Krise auf dem Automarkt – sie wird selbst dann noch zu spüren sein, wenn die Epidemie bereits seit vielen Jahren vorbei ist. Selbst im Idealfall werde sich der Markt erst im Jahr 2030 so weit erholen, dass er wieder auf dem Niveau von 2019 ankommt, sagt Dudenhöffer.
- ICI Universität St. Gallen
- "Der Spiegel"
- Nachrichtenagentur dpa