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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Infektionszahlen steigen rasant So dramatisch ist die Corona-Lage in den Niederlanden
Es sah gut aus für die Niederlande, die Infektionszahlen waren niedrig. Doch nachdem im Nachbarland im Juni alle Maßnahmen gelockert wurden, schlägt jetzt die Delta-Variante zu.
Inhaltsverzeichnis
- Wie hoch ist die Zahl der Infektionen aktuell?
- Welche Rolle spielt die Delta-Variante?
- Musikfestival in Utrecht als Auslöser?
- Wie ist der Stand der Impfungen in den Niederlanden?
- Wie sieht es auf den Intensivstationen aus?
- Welche Corona-Maßnahmen gelten in den Niederlanden?
- Was gilt für Reisen in die Niederlande?
- Wie können Sie einreisen?
- Können Sie wieder Hotels und Unterkünfte buchen?
Die Niederlande hatten zunächst zum 26. Juni fast alle Corona-Maßnahmen aufgehoben, nachdem die Infektionszahlen stark gesunken waren. Jetzt befindet sich unser Nachbarland offenbar mitten in der vierten Corona-Welle – und die Zahlen steigen weiter an. Zuletzt infizierten sich rund 8.000 Menschen innerhalb von 24 Stunden. Die Sieben-Tage-Inzidenz liegt bei mehr als 300 Infektionen auf 100.000 Einwohner.
Nach diesem explosionsartigen Anstieg der Infektionen wurden einige Lockerungen jetzt wieder rückgängig gemacht. Ein Überblick über die aktuelle Corona-Lage in den Niederlanden: Wie hoch sind die Zahlen, welche Maßnahmen gelten, was ist bei Reisen zu beachten?
Wie hoch ist die Zahl der Infektionen aktuell?
Mittlerweile sind die Niederlande von der Corona-Pandemie wieder stärker betroffen als Deutschland. Im Nachbarland breitet sich das Coronavirus durch die Delta-Variante rasant aus. Die Reproduktionszahl in den Niederlanden liegt bei 2,17, das ist der höchste Wert seit Ausbruch der Pandemie im März 2020, wie das zuständige Amt für Gesundheit und Umwelt RIVM am Dienstag mitteilte. Die Zahl bedeutet, dass rechnerisch 100 Infizierte 217 weitere Personen anstecken.
Für den großen Anstieg der Infektionen sind nach Angaben der Gesundheitsbehörden vor allem Jugendliche und junge Erwachsene verantwortlich. Mehr als 60 Prozent der Neuinfektionen wurden bei jüngeren Menschen zwischen 15 und 25 Jahren entdeckt. Infektionsherde waren vor allem Festivals, Diskotheken und Gaststätten.
Vor allem in den vergangenen Tagen haben sich die Infektionszahlen wieder erhöht, sodass die landesweite Inzidenz aktuell bei mehr als 300 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner in den vergangenen sieben Tagen gestiegen ist. Demnach ist es nahezu sicher, dass die Niederlande am kommenden Freitag auch wieder auf die Liste der Risikogebiete aufgenommen werden.
Laut Johns Hopkins University gab es bisher (Stand: 14. Juli 2021) insgesamt mehr als 1,7 Millionen bestätigte Corona-Infektionen in den Niederlanden und mehr als 18.000 Tote.
Welche Rolle spielt die Delta-Variante?
Nicht nur die Infektionszahlen, sondern auch der R-Wert ist in den Niederlanden gestiegen. Das deutet bereits darauf hin, dass sich eine ansteckendere Variante als das Ursprungsvirus verbreitet. Das RIVM schätzt, dass bereits 60 bis 65 Prozent aller Infektionen auf die Delta-Variante zurückzuführen sind.
Die GISAID (Global Initiative on Sharing All Influenza Data), eine weltweite Wissenschaftsinitiative, die Genomdaten von Influenza- und SARS-CoV-2-Viren erhebt, nennt zusätzlich Zahlen zur Delta-Variante: Demnach gab es insgesamt bisher 835 Fälle der Variante, 333 davon in den vergangenen Wochen. Da die Zahlen erst kürzlich stark angestiegen sind, ist anzunehmen, dass auch bei GISAID die Daten bald aktualisiert werden und die Zahlen in die Höhe schießen.
Musikfestival in Utrecht als Auslöser?
Allein bei einem Musikfestival in Utrecht haben sich rund 1.000 Besucher mit dem Coronavirus infiziert. Nach Angaben der Gesundheitsbehörden vom Dienstagabend könnten die Zahlen noch steigen. Die Organisatoren reagierten geschockt und betonten, dass sie sich an alle Auflagen gehalten hätten. Rund 20.000 Menschen hatten das zweitägige Open-Air-Festival "Verknipt" (Durchgeknallt) am 3. und 4. Juli besucht. Am ersten Tag infizierten sich mindestens 448 Besucher und am zweiten Tag weitere 516, wie die Nachrichtenagentur ANP berichtete.
Festivalbesucher mussten nachweisen, dass sie geimpft oder negativ getestet waren. Nach Angaben der Veranstalter wurde am Eingang streng kontrolliert. Für Besucher seien Zeitfenster eingerichtet worden, um Andrang zu verhindern.
Wie ist der Stand der Impfungen in den Niederlanden?
Mittlerweile sind in den Niederlanden rund 6,7 Millionen Menschen und damit fast 40 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft. Trotzdem gab es in der vergangenen Woche wieder fast 52.000 Neuinfektionen – in Deutschland waren es zur gleichen Zeit nur rund 5.700 bei fast fünfmal so vielen Einwohnern.
Die höchste Zahl der Neuinfektionen binnen einer Woche in den Niederlanden lag bei knapp 77.000 Mitte Dezember 2020. Unser Nachbarland nähert sich also wieder seinem bisherigen Höhepunkt der Pandemie.
Wie sieht es auf den Intensivstationen aus?
Medienberichten zufolge hat die Zunahme der Infektionen bisher nicht zu mehr Patienten in den Krankenhäusern geführt. Im vergangenen Jahr war die Lage auf den niederländischen Intensivstationen jedoch dramatisch, das Land hat trotz Impfungen Sorge vor einer erneut gefährlichen Entwicklung.
"Der Inzidenzwert bleibt ein entscheidender Faktor", sagt auch Christian Karagiannidis vom deutschen Divi-Register für Intensivbetten gegenüber der "FAZ". Ziel der Politik in Deutschland müsse es daher sein, einen sprunghaften Anstieg, wie ihn derzeit die Niederlande erlebten, zu vermeiden. Sind die Infektionszahlen extrem hoch, nehme auch in den jüngeren Altersgruppen der Anteil schwerer Verläufe zu – auch in den Niederlanden könnte dieses Szenario dann bald eintreffen. "Wenn man alle Maßnahmen wegließe, hätten wir es angesichts eines natürlichen R-Werts der Delta-Variante von sechs mit einer schnellen Durchseuchung all jener zu tun, die nicht geimpft sind."
Welche Corona-Maßnahmen gelten in den Niederlanden?
Ende Juni hatten die Niederlande die meisten ihrer Corona-Maßnahmen außer Kraft gesetzt. Es galten noch die Grundregeln: Wer Symptome hat, sollte zu Hause bleiben und grundsätzlich soll auf Händehygiene und Abstandsregelungen geachtet werden.
Die Kontaktbeschränkungen wurden aufgehoben, Freizeiteinrichtungen und die Gastronomie wieder geöffnet. Auch die Maskenpflicht gilt größtenteils nicht mehr und nur noch dort, wo der Mindestabstand von 1,50 Metern nicht eingehalten werden kann wie beispielsweise im ÖPNV, an Haltestellen und in Bahnhöfen sowie in Flugzeugen und an Flughäfen. Großveranstaltungen wurden ebenfalls wieder erlaubt – mit teils dramatischen Folgen, wie am Beispiel Utrecht zu sehen ist.
Wegen der wieder steigenden Zahlen wurden erste Lockerungen jedoch bereits zurückgenommen: Diskotheken und Nachtklubs wurden wieder geschlossen und Festivals verboten. Diese Orte sollen die Hauptinfektionsorte der vergangenen Wochen gewesen sein. Zudem gelten wieder strengere Kontaktbeschränkungen für die Gastronomie und Kulturveranstaltungen. Ministerpräsident Mark Rutte hat sich für die zu frühe Öffnung bereits entschuldigt. Die neuen Einschränkungen gelten zunächst bis Mitte August.
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Was gilt für Reisen in die Niederlande?
Auch wenn die Infektionszahlen in den Niederlanden wieder steigen, wird aktuell nur der überseeische Teil St. Maarten als Corona-Risikogebiet eingestuft. Auch umgekehrt gilt Deutschland für die Niederländer nicht mehr als Hochrisikogebiet. Deshalb müssen Sie für Reisen ins Nachbarland aktuell keinen negativen Corona-Test mehr vorweisen und auch nicht mehr in Quarantäne.
Flugreisende müssen unabhängig von ihrer Herkunftsregion ein Gesundheitsformular ausfüllen und vorweisen können. Seit dem 1. Juli gibt es zudem das Digitale Corona-Zertifikat, das die Einreise weiter erleichtert. Im Juli und August bietet die niederländische Regierung zudem kostenlose Corona-Tests für Reisende an. Grenzkontrollen gibt es nicht, es können aber Stichprobenkontrollen durchgeführt werden.
Wie können Sie einreisen?
Es bestehen immer noch Einschränkungen, Streichungen und Ausfälle bei Flugverbindungen und Fernbussen in die Niederlande. Die meisten Verbindungen funktionieren jedoch wieder.
Auch die internationalen Bahnverbindungen, beispielsweise von Köln nach Amsterdam, werden wieder angeboten. Gleiches gilt für die Fährverbindungen zu den Westfriesischen Inseln Texel, Vlieland, Terschelling, Ameland und Schiermonnikoog. Da die Kapazitäten verringert wurden, sollten Sie allerdings vorab reservieren.
Können Sie wieder Hotels und Unterkünfte buchen?
Ja, Sie sollten sich allerdings vor Anreise über mögliche Einschränkungen bei den Unterkünften informieren.
Hotels, Ferienwohnungen und Campingplätze haben zwar regulär wieder geöffnet, aber auch hier gelten besondere Hygiene- und Abstandsregelungen. Sie sollten sich darüber direkt bei Ihrer Unterkunft informieren, um so gut wie möglich vorbereitet zu sein.
- Eigene Recherche
- Robert Koch-Institut
- Auswärtiges Amt
- Gesundheitsministerium Niederlande
- Johns Hopkins University
- ADAC: "Holland-Urlaub: Was Reisende jetzt wissen müssen"
- FAZ: "Welche Corona-Parameter im Herbst wichtig werden", 13. Juli 2021.
- GISAID-Register zur Delta-Variante
- Nachrichtenagenturen dpa, Reuters