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Australien: Schauspiel in Schutzgebiet für nistende Schildkröten


Schildkröten von Mon Repos
Ein seltenes Schauspiel im Schein der Taschenlampe


Aktualisiert am 11.02.2025 - 10:46 UhrLesedauer: 5 Min.
An einem Strand in Australien können Beobachter Meeresschildkröten ganz nah kommen.Vergrößern des Bildes
An einem Strand in Australien können Beobachter Meeresschildkröten ganz nah kommen. (Quelle: Bundaberg Tourism)
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Der Strand von Mon Repos wird jeden Sommer zur Bühne für ein einzigartiges Naturschauspiel: Hunderte Meeresschildkröten legen ihre Eier in den Sand.

Das kleine weiße Ei ist noch warm. Im Licht der Taschenlampe wirkt es wie ein Golfball, fühlt sich aber weich und feucht an. Vorsichtig hält die Rangerin es in ihrer Hand, während sie durch die Menge geht. Leises Raunen, ein staunendes "Oh" und "Ah" – die Menschen, die es berühren dürfen, sind fasziniert. Im Inneren wächst ein Lebewesen heran, das auf diesem Planeten immer seltener wird. Ein einzigartiger Moment.

Am Strand von Mon Repos hat sich eine Meeresschildkröte mühsam die Sanddüne hinaufgeschleppt. Ihre Spuren im Sand erzählen von einem kräftezehrenden Weg. Doch eine Pause gibt es nicht. Mit beeindruckender Entschlossenheit beginnt sie, eine tiefe Kuhle in den Sand zu schlagen – ihr Brutplatz für diese Nacht.

Die Besucher des Mon Repos Turtle Centre hatten geduldig den Erzählungen der Rangerin gelauscht. "Die Natur kennt keinen Fahrplan", erklärte sie. Dieses Jahr sei der Saisonstart besonders vielversprechend – es gebe ungewöhnlich viele Sichtungen. Doch zunächst gilt es, Regeln einzuhalten: Die nistenden Schildkröten dürfen nicht im falschen Moment gestört werden. Es dauert noch eine Weile, gegen 20 Uhr erscheinen die ersten dunklen Silhouetten am Strand. In kleinen Gruppen werden die Wartenden nach draußen geführt.

Mon Repos ist die größte Brutstätte der Unechten Karettschildkröte an Australiens Ostküste. Rund 400 Kilometer nördlich von Brisbane, nahe der Küstenstadt Bundaberg, kommen hier zwischen November und Februar Hunderte Weibchen an Land, um ihre Eier abzulegen – bis zu 125 pro Nacht. Viele von ihnen sind selbst bei Mon Repos geschlüpft und kehren nach Erreichen der Geschlechtsreife mit 30 Jahren wieder an denselben Ort zum Nisten zurück. Hier schließt sich der Kreislauf.

Ab Januar kämpfen sich die winzigen Schlüpflinge aus dem Sand und begeben sich auf ihren gefährlichen Weg ins offene Meer. Nur eines von tausend wird das Erwachsenenalter erreichen.

Der Strand liegt in dunkler Stille, nur am Horizont flackern vereinzelte Lichter. Die Ranger knipsen ihre Kopflampen an, ihr sanftes Licht fällt auf die große Schildkröte. Atemlos verfolgen die Zuschauer, wie sie sich auf ihre frisch gegrabene Kuhle legt. Dann plumpst das erste Ei in den Sand. Dann das zweite, dritte, vierte… Die Zeit scheint stillzustehen.

Für einen kurzen Moment ist das Klicken der Kameras erlaubt. Die Ranger rücken näher, und vermessen das Tier. Sie bekommt den Namen "QB22807", ihr Rückenpanzer ist 91 Zentimeter lang – und zum ersten Mal wird sie dieses Jahr hier dokumentiert.

Nur Minuten später hievt die Schildkröte sich erschöpft aus ihrer Grube und verschwindet in der Dunkelheit. Ihre Mission für diese Nacht ist erfüllt.

Gefährdete Überlebenskünstler

Jährlich reisen rund 30.000 Menschen nach Mon Repos, um das uralte Ritual der Schildkröten aus nächster Nähe zu erleben. Doch ihre Existenz ist bedroht – nicht nur durch natürliche Feinde, sondern vor allem durch menschliche Eingriffe: Plastikmüll, Meeresverschmutzung, die Auswirkungen der Klimakrise und die Fischerei fordern ihren Tribut. Schutzprogramme wie das Mon Repos Turtle Centre setzen alles daran, den Bestand zu sichern.

Problematisch sind etwa künstliche Lichtquellen an den Küsten: Sie können den natürlichen Kompass der Schildkröten stören und Jungtiere in die falsche Richtung lenken. Die Ranger erzählen, dass Jungtiere wohl einen angeborenen Instinkt haben. Wenn sie aus dem Nest schlüpfen, den Strand überqueren und auf das Wasser zusteuern, orientieren sie sich wahrscheinlich am hellsten Horizont. Die Weibchen orientieren sich bei der Suche nach ihrem Nistplatz dagegen am Magnetfeld der Erde. Veränderungen an ihren Niststränden wie Hotelanlagen oder Metallstrukturen können den natürlichen Kreislauf aus der Bahn werfen.

Noch in den 1960er-Jahren wurden die Tiere hier schutzlos von Touristen bedrängt. Heute gilt Mon Repos als Modellprojekt für nachhaltigen Tourismus. Seit 1994 stehen die Schildkröten unter dem Schutz des Nature Conservation Act von Queensland. Der angrenzende Woongarra Marine Park und das neue Schildkrötenzentrum in Bundaberg, ein 22-Millionen-Dollar-Projekt, symbolisieren Hoffnung in der Region – für die Tiere und den Naturschutz insgesamt. Die Einnahmen aus den Touren fließen direkt in Schutzmaßnahmen und lokale Umweltinitiativen.

Ein heiliger Ort für die Taribelang Bunda

Doch nicht nur die Ranger von Mon Repos setzen sich für den Naturschutz ein. Für die Taribelang Bunda People – Ureinwohner aus dem Gebiet rund um Bundaberg – ist Mon Repos weit mehr als ein Schutzgebiet. Es ist ein heiliger Ort. Ihre spirituelle Verbindung zur Natur und den Tieren reicht weit zurück.

Waszanna ist eine Nachfahrin dieses Volkes und erzählt Besuchern der Region von uralten Überlieferungen. Traditionell wurde das Wissen vieler First Nation Peoples in Australien durch sogenannte Traumzeitgeschichten weitergegeben. "Mon Repos ist ein sehr bedeutendes Gebiet für unsere Familie, unseren Stamm, ein Initiationsgebiet", erklärt sie.

Ein zentrales Ritual in Waszannas Taribelang-Bunda-Stamm war die Initiation junger Männer, die auch am Strand von Mon Repos stattfand. "Sie verließen ihre Mütter und verbrachten viele Monate in der Wildnis – je nachdem, wie schnell sie die Prüfungen bestehen konnten", so Wazsanna. Teil dieser Prüfungen waren rituelle Narbenzeichnungen: "Drei Bumerangs wurden mit einem scharfen Stein in die Brust geritzt, dann wurde Asche auf die Wunden gelegt – das verhinderte Infektionen und ließ die dicken Narben entstehen."

Ihr Urgroßvater war der letzte initiierte Gesetzeshüter hier. In den indigenen Gemeinschaften gelten Gesetzeshüter als angesehene Führer und Hüter traditioneller Gesetze, Bräuche und spiritueller Praktiken. Sie besitzen Kenntnisse, die das soziale Verhalten, die Landverwaltung und die kulturellen Verpflichtungen in der Gesellschaft regeln. "Viele Männer vor ihm wurden fortgebracht. Dass er noch hier initiiert wurde, war sehr wichtig für uns." Somit konnte er sein Wissen weitergeben, damit es nicht verloren geht.

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Schildkröten als Totem – und ihre Bedrohung

Für die Taribelang Bunda ist die Meeresschildkröte – in ihrer Sprache Meebar genannt – ein zentrales Totem. Doch nicht nur Meebar ist ihnen heilig, sondern auch Milbi, die Süßwasserschildkröte, die im nahegelegenen Burnett River lebt. Während Meebar, die Meeresschildkröten, durch den Tourismus Millionen Dollar an Unterstützung erhalten, bekommt Milbi weniger Aufmerksamkeit und benötigt dringenden Schutz.

Waszanna erzählt von einer besonders bedrohten Art, der Weißkehl-Schnappschildkröte: "Wenn man bedenkt, dass die Milbi-Schildkröten traditionell nur in drei Flüssen in ganz Australien leben ... Ihr drohendes Aussterben ist ein großer Verlust". Die Schildkröte legt jährlich nur zwölf Eier im Durchschnitt und im Gegensatz zu ihren Meeresverwandten ist Milbi dafür auch noch auf Regen angewiesen. "Sie tauchen nur auf und legen ihre Eier, wenn es regnet. Ohne den Klang des prasselnden Wassers bleiben sie verborgen."

Um die Art zu retten, arbeitet ihr Volk mit Wissenschaftlern, der Non-Profit-Organisation W.Y.L.D. und dem Ministerium für Umwelt und Wissenschaft zusammen. Mit künstlichen Regenereignissen etwa konnte die Zahl der geschlüpften Milbi deutlich erhöht werden. "Letztes Jahr hatten wir 500 Schlüpflinge. Dieses Jahr – durch das, was wir mit dem künstlichen Regen gemacht haben – mehr als doppelt so viele: 1.200", erklärt Waszanna.

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Das Wissen der Taribelang Bunda über die Natur beruht auf uralten Beobachtungen. So nutzten sie in der vergangenen Saison Umweltindikatoren wie das Blühen eines Baumes, der australischen Kastanie, um zu bestimmen, dass die Nistsaison der Flussschildkröten früh beginnen wird.

Auch um die Nistzeit der Meeresschildkröten zu bestimmen, nutzen die Ureinwohner eine faszinierende Methode. "Wir wussten, wann wir nach Mon Repos gehen mussten, indem wir in den Himmel schauten", so Wazsanna.

"Wir schauen aber nicht auf die Sterne, sondern auf das Schwarze dazwischen." Ein zentrales Zeichen ist die Himmelsformation der Schildkröte. Sie erscheint das ganze Jahr über aufrecht, doch zur Nistzeit ist sie im Himmel von "Eiern" umgeben – dunkle Flecken, die diesen Eindruck erzeugen.

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Sunset over the river in Bundaberg, The sun sets over the rive in Bundaberg, Queensland, a city famous for it`s sugar cane and rum. (Quelle: Copyright: xDreamstimexAbuttersx/imago)

Höhepunkte für Besucher in Mon Repos:

Lage: Queensland, Australien, etwa 360 Kilometer nördlich von Brisbane
Mon Repos Turtle Centre: Besucher können Meeresschildkröten beim Eierlegen und Schlüpfen in ihrer natürlichen Umgebung beobachten und über den Schutz der Tiere lernen.
Die Taribelang Bunda Cultural Tours werden von den engagierten Gastgeberinnen Bec und Waszanna geleitet, die beide tief in der Kultur und Geschichte der Taribelang Bunda verwurzelt sind. Sie teilen das Wissen ihres Volkes und bieten den Gästen einen authentischen Einblick in die Traditionen und Geschichten.
Unterkunftsmöglichkeiten: Der Turtle Sands Camping & Holiday Park bietet komfortable Optionen für Familien und Abenteurer, darunter Campsites, Öko-Zelte und Kabinen. Turtle Sands grenzt an den Schildkröten-Schutzpark Mon Repos und legt großen Wert auf Naturschutz.
Weitere Informationen zu Aktivitäten und Unterkünften finden Sie auf der offiziellen Tourismus-Website der Region.

Transparenzhinweis: Dieser Bericht wurde von Tourism and Events Queensland unterstützt.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtung
  • Interview mit Waszanna von "Taribelang Cultural Tours"

Quellen anzeigenSymbolbild nach unten

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