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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Mode & Beauty Schnellschwinger: Diese Uhren geben Gas
Hunderte von großen Herstellern und kleinen Manufakturen bieten heute eine schier unübersichtliche Vielfalt an mechanischen Armbanduhren. Egal ob als elegantes Luxusmodell oder günstige Einstiegsuhr - die meisten Modelle laufen mit der gleichen Geschwindigkeit. Doch manche Zeitmesser ticken deutlich schneller und bringen die Mechanik an ihre Grenzen. WANTED.DE erklärt die faszinierende Technik der so genannten Schnellschwinger und zeigt aktuelle Modelle.
Wie schnell eine Uhr letztendlich tickt, ergibt sich aus der Frequenz, mit der die Unruh schwingt. Bei vielen Zeitmessern oszilliert die Unruh mit acht Halbschwingungen pro Sekunde und damit 28.800 Halbschwingungen pro Stunde, was vier Hertz entspricht. Auch eine Geschwindigkeit von 21.600 Halbschwingungen ist ein typischer Wert für viele Uhren.
Das sind die Schnellschwinger
Dabei geht es auch deutlich schneller. Einer der wenigen Uhrenbauer, die solche Modelle ständig im Sortiment haben, ist der japanische Hersteller Seiko mit seiner Luxus-Tochter Grand Seiko. Diese Modelle laufen mit zehn Halbschwingungen pro Sekunde und damit 36.000 Halbschwingungen pro Stunde. Das entspricht fünf Hertz und bietet den Uhrenträgern einige Vorteile: "Eine höhere Schwingungszahl verbessert nicht nur die Ganggenauigkeit, sie stabilisiert sie auch", erläutert Eric Thomas, Shopmanager der Seiko Boutique in Frankfurt gegenüber WANTED.DE. "Daraus ergibt sich eine geringere Störanfälligkeit gegen Stöße und eine verbesserte Gangkonstanz, was in der Folge auch zu einer höheren Präzision führt", so Shopmanager Thomas.
Höhere Energieverbrauch durch schnellere Taktung
Doch die höhere Geschwindigkeit birgt auch einige Nachteile. "Bei Schnellschwingern wird durch die höhere Taktung die in der Hauptfeder gespeicherte Energie schneller verbraucht als in einer normalen Uhr", sagt Thomas. Das geht auf Kosten der Gangreserve. Zudem müssen die filigranen Bauteile bei Schnellschwinger-Uhren des Kalibers 9S von Grand Seiko ganz andere Belastungen aushalten. Um dem höheren Verschleiß zu begegnen, verwendet der Hersteller spezielle Legierungen und belastbarere Baugruppen. Auch eine geeignete Schmierung spielt eine wichtige Rolle, denn bei den höheren Drehgeschwindigkeiten kommen handelsübliche Schmiermittel schnell an ihre Grenzen.
Schnellschwinger klingen anders
Ein Vorteil ist die gleichmäßigere und deutlich flüssigere Bewegung der Zeiger auf dem Zifferblatt. Die höhere Geschwindigkeit macht sich auch im Sound bemerkbar, da diese Uhren deutlich schneller ticken.
Stoppen auf die Zehntelsekunde genau
Von einem besonderen technischen Merkmal dieser Uhren profitieren Uhrenträger, welche die Zeit stoppen. Typische Modelle mit einer Frequenz von 28.800 Halbschwingungen erlauben lediglich eine Messung mit der Genauigkeit einer achtel Sekunde. Präziser geht das mit den Chronographen von Zenith mit dem "El Primero"-Kaliber, zu Deutsch "der Erste". Das berühmte "El Primero"-Kaliber gibt es bereits seit 1969. Der Name ist bei diesen Uhren Programm, handelt es sich doch um das erste Chronographenwerk mit Automatik-Aufzug. Die höhere Unruhfrequenz von 36.000 Halbschwingungen pro Stunde erlaubt eine Messung in Zehntelsekunden. Zenith zählt heute zu den bekanntesten Anbietern von solchen Schnellschwingern.
Spezielles Uhrwerk für Zeitmessung
Interessante Modelle gibt es auch von Blancpain. Im Bathyscaphe Chronographe Flyback verrichtet das Kaliber F385 mit einer Frequenz von fünf Hertz seine Arbeit. Von Breguet kommt der Tradition Independent Chronograph 7077. Das Besondere an diesem Modell ist, dass es mit zwei unabhängigen Uhrwerken arbeitet. Während das Hauptwerk mit einer Frequenz von drei Hertz arbeitet, verrichtet das Werk, mit dem die Zeit gestoppt wird seinen Dienst mit fünf Hertz. Das erlaubt Messungen im Zehntelsekunden-Bereich.
Höhere Frequenzen dank Silizium
Das Modell Type XXII von Breguet arbeitet sogar mit einer Frequenz von 72.000 Halbschwingungen pro Stunde, was zehn Hertz entspricht. Das ist laut Breguet nur dank des Werkstoffes Silizium möglich. Dadurch erübrigt sich das Ölen, was bei so hohen Frequenzen ansonsten problematisch wäre.
Tag Heuer lotet die Grenzen der Technik aus
Doch solche Geschwindigkeiten sind noch gar nichts im Vergleich zu den hohen Frequenzen einiger Modelle von Tag Heuer. Der traditionsreiche Schweizer Hersteller zeigte 2011 auf der Baselworld den Mikrotimer Flying 1000. Wie der Name bereits andeutet, lässt die Uhr eine Messung auf eine Tausendstelsekunde zu. Die Stoppfunktion arbeitet mit einer Frequenz von 500 Hertz. Ein Jahr später folgte die Mikrogirder mit einer Frequenz von 1000 Hertz. Das lässt sogar eine Messgenauigkeit von einer 5/10.000-Sekunde zu.
Kein neuer Trend
Letztendlich handelt es sich bei solchen Zeitmessern nur um Konzept-Uhren für große Messen oder Modelle in einer limitierten Kleinserie. Schnellschwinger-Uhren sind übrigens kein neuer Trend. Schon in den 60er- und 70er-Jahren boten zahlreiche Hersteller Uhren mit einer höheren Unruhfrequenz. Doch die meisten Modelle verschwanden wieder recht schnell vom Markt und es setzten sich die heute üblichen Geschwindigkeiten durch.