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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Liebe Darf man ab 40 noch Liebeskummer haben?
Wenn Teenies mit Liebeskummer monatelang in die Kissen heulen und dem Ex hinterherjammern, wundert sich niemand darüber. Bei älteren Menschen ist das anders. Spätestens wenn Frauen und Männer die 40 überschritten haben, erwartet man von ihnen, dass sie sich zusammenreißen. Darf man ab 40 noch Liebeskummer haben? Hier antwortet ein Beziehungsexperte.
"Ich kann mir ein Leben ohne dich nicht mehr vorstellen"
Das erste Mal hatte sich Brigitte an einem See mit ihm getroffen. Klaus hieß er, 45 Jahre alt, also fünf Jahre älter als Brigitte. Charmant, attraktiv und aufmerksam war er. Sie redeten stundenlang, es folgten weitere Treffen; Kino, Restaurant, eine Ausstellung. Brigitte verliebte sich schnell, glaubte, die lang ersehnte, große Liebe gefunden zu haben. Doch als sie zum ihm sagte "Du bist mir jetzt schon total wichtig geworden, ich kann mir ein Leben ohne dich nicht mehr vorstellen", da freute er sich nicht, sondern ergriff die Flucht. Auf die Anrufe und SMS von Brigitte reagierte er nicht mehr.
Positive Menschen wirken anziehend
Die Reaktion von Klaus ist nicht ungewöhnlich. Wer zu bedürftig wirkt, schreckt potentielle Partner schnell ab. Eric Hegmann, Parship-Single- und Beziehunsgexperte, erklärt: "Menschen fühlen sich naturgemäß angezogen von Personen, die positiv, selbstbewusst und lebensbejahend wirken." Wer sich in seiner Haut wohl fühle, signalisiere das auch für die Partnersuche und werde so eher erfolgreich sein, als jemand, der sein ganzes Lebensglück von dem Partner abhängig macht. Eine solche Verantwortung macht eine ausgewogene Beziehung mit persönlichem Freiraum nahezu unmöglich. Auch Brigitte hatte zu viel von Klaus verlangt - und kämpfte von da an mit heftigem Liebeskummer.
Ist monatelanger Trauer in diesem Alter noch legitim?
Über Monate hinweg weinte sie sich die Augen aus. Der Liebeskummer raubte ihr die Konzentrationsfähigkeit. Ihren Job und ihre Hobbies vernachlässigte sie. Stattdessen analysierte sie jeden Tag die kurze Bekanntschaft mit Klaus und lag ihren Freunden mit ihrem Liebeskummer in den Ohren. Anfangs hörten die noch geduldig zu und versuchten, ihr mit Ratschlägen zu helfen. Doch nach vier Monaten machte ausgerechnet ihre beste Freundin eine klare Ansage: "Mensch, ich versteh' das nicht, dass du dem Typ immer noch hinterhertrauerst! Du bist doch kein Teenie mehr, für den die große Liebe das wichtigste ist. Du hast doch so viele andere Sachen in deinem Leben, die dich glücklich machen können!" Für Brigitte ein Gefühl, als wäre sie gegen eine Betonwand gelaufen. Es ist ein Gefühl, das viele Menschen über 40 kennen. Oft fragen sie sich: Darf ich ab 40 keinen Liebeskummer mehr haben?
Liebeskummer tut in jedem Alter weh
Doch, natürlich, ist die Antwort. Eric Hegmann erklärt, warum Liebeskummer in jedem Alter erlaubt und natürlich ist: "Verlust wird von den meisten Menschen als ein besonders starkes Gefühl empfunden. Die Trennung von einem geliebten Menschen kann durchaus wahrgenommen werden wie der Tod einer geliebten Person. Kummer ist daher nicht nur möglich und erlaubt sondern auch notwendig, um mit der eigenen Gefühlswelt wieder zurecht zu kommen."
Wenn die Freunde nicht mehr helfen können
Allerdings ist es auch ganz normal, dass die Freunde nach einer gewissen Zeit genug von der Liebes-Trauer haben. Eric Hegmann erläutert: "Auch die besten Freundinnen und Freunde haben irgendwann alle Aspekte der Trennung gehört und alle ihre guten Ratschläge gegeben. Eine lange Trauerphase kann auch den Freundeskreis belasten. Das bedeutet nicht, dass man seine Emotionen nicht thematisieren soll, echte Freunde halten da schon einiges aus, aber externe Hilfe kann die Situation irgendwann erleichtern".
Die Trennung muss aufgearbeitet werden
Wer sich professionelle Unterstützung sucht, um eine Trennung zu verarbeiten, muss sich also nicht schämen. Im Gegenteil, wenn die Freunde mit ihrem Latein am Ende seien, sei es sogar ratsam, einen Profi zur Rate zu ziehen, denn ohne Aufarbeitung der Trennung stünden die Chancen für eine neue Liebe schlecht. "Um sich von einer Trennung zu erholen und wieder zu öffnen für eine neue Beziehung, ist die Aufarbeitung unabdingbar. Zu leicht werden sonst für eine neue Partnerschaft unverarbeitete Ängste und Erfahrungen zur Belastung", warnt der Experte. Um den Liebeskummer zu verarbeiten helfe es zudem, sich bewusst zu machen oder machen zu lassen, dass sich durch den Neuanfang auch viele neue Chance eröffnet haben.
Eine Beziehung muss nicht alles sein
Auch die Freundin, die Brigitte sagte, sie habe doch noch andere Dinge in ihrem Leben, die sie glücklich machen könnten, hat nicht Unrecht. Zwar sind Liebe und Nähe für die meisten Menschen die größten Antriebe, doch, so bestätigt Eric Hegmann, "natürlich lassen sich heute durch ein ausgewogenes Freundes- und soziales Netz viele Aspekte einer Partnerschaft auch als Single erfüllen".
Diese Altersgruppe hat es mit der Partnersuche schwer
So mancher über 40-Jährige trauert auch deshalb lange, weil er den Eindruck hat, dass es kaum noch zu ihm passende potentielle Partner gibt. Das ist nicht ganz unwahr. Eric Hegmann bestätigt: "Statistisch suchen Singles Partner etwa plus minus fünf Jahre. Aber gerade Männer ab 40 bevorzugen jüngere Frauen, während Frauen ab 40 sich einen aktiven, lebenslustigen Partner wünschen, der nicht allzu viel älter ist als sie. Rein rechnerisch hat es diese Altersgruppe also bei der Partnersuche schwer."
"Wichtig ist, die Komfortzone zu verlassen"
Um die Chancen auf die Begegnung mit einem passenden Partner zu erhöhen, rät er dazu, sich von gewohnten Strategien zu verabschieden. Single-Events oder Online-Partnersuche seien zum Beispiel Möglichkeiten, lange erfolglose Muster zu durchbrechen. Eric Hegmann betont: "Wichtig ist, die Komfortzone zu verlassen und sich neuen Situationen und Erfahrungen zu stellen, vielleicht sogar bewusst auszusetzen." Das kann auch dabei helfen, ein angekratztes Selbstbewusstsein wieder zu stärken und frisch gestärkt in den nächsten Flirt zu starten.