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Bundestagswahl: Die Zukunft von Deutschland wird vergessen


Wahlkampf
Diese Gruppe wurde völlig vergessen

MeinungEine Kolumne von Bob Blume

06.02.2025 - 14:36 UhrLesedauer: 3 Min.
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Olaf Scholz (SPD) und Friedrich Merz (CDU): Im Wahlkampf konzentriert sich vieles auf das Thema Migration. (Quelle: Kira Hofmann/imago)
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Im Wahlkampf spielen Kinder und Jugendliche kaum eine Rolle. Und das, obwohl von ihnen die Rente, der gesellschaftliche Zusammenhalt und nicht zuletzt die Zukunft des Industrielandes Deutschlands abhängen.

Dass in einem auf wenige Wochen verkürzten Bundestagswahlkampf nicht alle wichtigen Probleme des Landes diskutiert werden können, hätte man sich denken können. Es ist aber schon bemerkenswert, dass es nach dem schrecklichen Attentat von Aschaffenburg neben der Begrenzung von Migration kaum ein anderes Thema auf die politische Agenda schafft.

Oder wissen Sie, welche Ideen die Parteien für den Wirtschaftsstandort Deutschland haben? Oder den Kulturstandort? Den Bildungsstandort? Kennen Sie auch nur eine einzige bildungspolitische Idee einer Partei, die für die Bundestagswahl antritt?

Nun könnte man sagen: Es gibt ja auch Wichtigeres. Die Frage nach dem weiteren Umgang mit dem russischen Angriffskrieg ist ungeklärt, die Finanzmärkte schwanken und Unternehmen blicken ängstlich in die USA, wo die über Jahrzehnte gewachsenen wirtschaftlichen Beziehungen durcheinanderwirbeln.

Bob Blume ist Lehrer und Autor.
Bob Blume ist Lehrer und Autor. (Quelle: privat)

Zur Person

Bob Blume ist Lehrer, Bildungsinfluencer und Podcaster. Er schreibt Bücher zur Bildung im 21. Jahrhundert und macht in den sozialen Medien auf Bildungsthemen aufmerksam. In seiner Kolumne für t-online kommentiert er aktuelle Bildungsthemen mit spitzer Feder. Man findet Blume auch auf Threads und auf Instagram als @netzlehrer, wo ihm mehr als 160.000 Menschen folgen. Sein neues Buch "Warum noch lernen?" ist ab sofort im Handel erhältlich.

Aber wie will man Deutschland zukunftsfest machen, wenn man die Kinder und Jugendlichen einfach ignoriert? Lassen wir mal humanistische oder solidarische Aspekte beiseite und argumentieren nur mit harten Fakten: Während in den 60er-Jahren noch sechs Arbeitnehmer die Rente für einen Rentner zahlten, sind es jetzt ungefähr zwei. Und die Tendenz geht in Richtung 1,5. Das umlagefinanzierte Beitragssystem gerät da an seine Grenzen. Wenn nicht rund 100 Milliarden Euro Steuergelder in die Rentenkasse abfließen würden, würde es knapp werden.

Aber um Beiträge und Steuern zahlen zu können, muss man Geld verdienen. Das ist trivial. Und in den Berufen, in denen es Arbeitsplätze gibt, müssen diese auch durch qualifiziertes Personal besetzt werden. 50.0000 Schüler verlassen jedes Jahr die Schulen ohne Abschluss. Die können wir also schon mal herausrechnen. Ein Viertel der Grundschüler kann vor dem Übertritt in die weiterführende Schule nicht richtig lesen und schreiben. Wie genau sollen die dann später jahrelang für Berufe studieren, die ein tiefes Verständnis von Komplexität voraussetzen?

20 Prozent sind psychisch auffällig

Währenddessen befinden sich die Jugendlichen in einer mentalen Gesundheitskrise. Die Ergebnisse der sechsten und siebten COPSY-Studie (Corona und Psyche) zeigen, dass die psychische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen auch Jahre nach der Corona-Pandemie deutlicher schlechter ist als vor der Pandemie. Über 20 Prozent der Kinder und Jugendlichen berichten von einer anhaltenden Beeinträchtigung der Lebensqualität und leiden unter psychischen Auffälligkeiten. Das ist jedes fünfte Kind. Nebenbei bemerkt: Das ist die gleiche Zahl an Kindern, die in Deutschland von Armut betroffen sind: drei Millionen.

Wenn diesen Kindern nicht geholfen wird, sie nicht gefördert werden, ist das nicht nur ein Problem der Eltern – sondern der gesamten Gesellschaft. Es bedeutet einen unermesslichen volkswirtschaftlichen Schaden. Eine ifo-Studie ergab, dass sich die Lernrückstände, die allein durch Corona verursacht wurden, auf 2,5 Billionen Euro belaufen können. Andersherum könnte ein erfolgreiches Förder- und Aufholprogramm, das über mehrere Jahre läuft, ein Wirtschaftswachstum von 6 bis 7 Prozent bedeuten. Zum Vergleich: 2024 schrumpfte die deutsche Wirtschaft um 0,2 Prozent. Diese Wirkung eines solchen Programms würde aber nur erzielt, wenn es langfristig angelegt wird. Das sogenannte "Corona-Aufholprogramm" ging in die richtige Richtung, aber weder die Begrenzung auf zwei Jahre noch das Volumen von zwei Milliarden Euro wurde der Größe der Herausforderung gerecht.

Wer nicht investiert, zahlt drauf

Der Nobelpreisträger James Heckmann hat nachgewiesen, dass Investitionen in frühkindliche Bildung dazu führen, dass das investierte Geld sich im Verlauf der Bildungsbiografien vervielfacht. Kurz gefasst: Je früher Geld investiert wird, desto mehr hat die gesamte Gesellschaft davon.

Das bedeutet aber im Umkehrschluss auch: Wir werden alle leiden – Familien, Rentner, die Wirtschaft –, wenn wir die Kinder und Jugendlichen weiterhin sich selbst überlassen. Wenn wir kein Geld investieren und nicht dafür sorgen, dass alle auf einem guten sprachlichen Niveau sind. Wenn wir Bildung und Familienpolitik weiterhin so stiefmütterlich behandeln. Kurz: Wenn wir die Kinder und Jugendlichen vergessen.

Wollen wir uns das wirklich leisten? Es wird Zeit, dass dieses dringendste aller Probleme auf die politische Agenda gesetzt wird.

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