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Noten: "Fehlerquotient erweckt eine Scheinobjektivität"


Schlechtes Deutsch - Punktabzug
Diese Formel treibt Lehrer in die Notenfalle

Alle Fragen in der Klassenarbeit richtig beantwortet und trotzdem keine Eins? Das kann passieren - Schuld ist der Fehlerquotient. Ist dieser Punktabzug pädagogisch sinnvoll? t-online.de hat Heinz-Peter Meidinger, den Vorsitzenden des Deutschen Philologenverbandes, gefragt. Er ist skeptisch.

22.06.2016|Lesedauer: 3 Min.
t-online, Maria M. Held
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Noten sind immer ein Aufreger, zumal wenn sie nicht nachvollziehbar sind. Kommt dann noch die ominöse Formel des Fehlerquotienten ins Spiel, steigen die meisten Eltern aus.

Nicht nur der gute Inhalt eines Textes zählt im Test.Vergrößern des Bildes
Nicht nur der gute Inhalt eines Textes zählt im Test. (Quelle: imago/Tack)

"Ich hab Fehlerquotient" - ist das die Entschuldigung für schlechte Noten schlechthin? Da steht ein Essay auf dem Blatt, das richtig gut ist und trotzdem gibt es für den Oberstufenschüler nur eine Drei im Englischtest. Für Schüler gemein, für Eltern nicht nachvollziehbar.

Diese Formel mindert die Note

"Verstöße gegen die sprachliche Richtigkeit führen zu Punktabzug in der Gesamtbewertung. Hierfür ausschlaggebend ist der Fehlerindex (FI)" - so heißt es offiziell. Es geht um Rechtschreibung, Zeichensetzung und Grammatik. Bei Flüchtigkeitsfehlern drückt man ein Auge zu. Wird beispielsweise ein i-Punktchen vergessen, wird es zwar markiert, aber nicht gezählt.

Diesen Punktabzug wegen mangelnder sprachlicher Kompetenz gibt es nur in manchen Bundesländern. Der Fehlerquotient wird beispielsweise in Hessen in der Oberstufe in allen Fächern angewandt, außer in Mathe und Physik. Es kann in Deutsch bis zu vier Punkte Abzug geben, in den anderen Fächern höchstens zwei. In Englisch gibt es eine eigene Note für Rechtschreibung, neben Inhalt und Formulierung - ebenso in Deutsch.

"Fehlerzahl x 100 : Zahl der Wörter". So berechnet sich in Hessen und Brandenburg der Fehlerindex, der aus einer guten Leistung eine nicht mehr ganz so gute macht.

Grundsätzlich wird in der Oberstufe mehr Wert auf Inhalt als auf Rechtschreibung gelegt. Doch "wer eine katastrophale Rechtschreibung abliefert, kann selbst mit dem tollsten Inhalt nicht auf eine Eins kommen", räumt Meidinger ein.

"Erweckt eine Scheinobjektivität"

Heinz-Peter Meidinger (Foto: DPHV) ist Rektor eines Gymnasiums im bayrischen Deggendorf. Er kann diesem System, das es in Bayern gar nicht gibt, nicht viel abgewinnen. "Es schränkt den pädagogischen Ermessensspielraum der Lehrer unangemessen ein." Ist also ein Text enorm schwierig und verlangt dem Schüler ein großes Maß an Verständnis ab, wiegen die Rechtschreibfehler genauso viel wie bei einem sehr leicht verständlichen Text. "Ich bin kein Anhänger des Fehlerquotienten."

Meidinger gibt zu bedenken: "Dies erweckt eine Scheinobjektivität." Er setzt dagegen auf ein System der positiven Benotung, bei der Punkte vergeben, statt Fehler gezählt werden. Deshalb werden auch keine reinen Text-Übersetzungen mehr gefordert, sondern Transferleistungen, Latein ist allerdings eine Ausnahme.

Warum der Fehlerquotient demotiviert

Gerade in der Oberstufe verbessert sich nach Erfahrung der Lehrer die Rechtschreibung nicht mehr. Wer diese nicht bis zur Mittelstufe gelernt hat, hat hier einen klaren Nachteil, der demotivierend wirkt. Zudem kann der Fehlerquotient die Note drücken, so dass ein Wunschstudium wegen Zugangsbeschränkung nicht aufgenommen werden kann. Eventuell ist sogar das Abitur gefährdet, da dies die Note in einzelnen schwachen Fächern unter die Mindestpunktzahl rutschen lässt.

"Eine ganze Generation von Jungs nicht für das Lesen gewonnen"

Gerade Jungs sieht Meidinger bei diesem System im Nachteil. Katastrophale Rechtschreibung ist eine der auffälligsten Schwächen, mangelnde Lesekompetenz die Ursache. "Wir haben eine ganze Generation von Jungs nicht für das Lesen gewonnen", das beobachtet Meidinger seit rund zehn Jahren an Gymnasien.

Ihnen kommt die Aufwertung der mündlichen Leistungen entgegen. "Sie können gut präsentieren, sind aber im Schriftlichen schwach", weiß Meidinger, "vor allem in den modernen Fremdsprachen zeigt sich das." Er setzt noch drauf: "Manche sind stolz darauf, in ihrer gesamten Gymnasialzeit keine einzige Deutschlektüre gelesen zu haben, für eine Fünf reicht es dann immer noch." Wikipedia sei Dank - und für Lesefaule gibt es sogar Video-Tutorials zum Lernstoff. Bei Hausarbeiten wird dem Rechtschreibprogramm vertraut.

So muss Notengebung aussehen

Gerecht und transparent muss ein Notensystem sein. "Eine Note ist nicht unbedingt gerecht, wenn strenge Notengrenzen eingehalten werden", gibt Meidinger zu bedenken.

Diese Faktoren sind aus seiner Sicht notwendig, damit Schüler und Eltern die Notengebung nachvollziehen und akzeptieren können:

  • Musterlösung angeben
  • System der Benotung und Gewichtung
  • Notendurchschnitt der Klausur auf dem benoteten Test angeben.
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