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Künstliche Befruchtung: So viel kostet der Kinderwunsch


Unerfüllter Kinderwunsch
So viel kostet eine künstliche Befruchtung

Von dpa, t-online, lk

Aktualisiert am 04.08.2016Lesedauer: 5 Min.
3-D-Illustration einer In-vitro-Fertilisation.Vergrößern des Bildes
Künstliche Befruchtung: Für viele Paare die große Hoffnung, den Kinderwunsch doch noch zu erfüllen. (Quelle: man_at_mouse/getty-images-bilder)
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Künstliche Befruchtung ist schon lange kein Tabu mehr und für viele Paare ab 35 die große Hoffnung, den Kinderwunsch doch noch zu erfüllen. Die Methoden sind ausgefeilt, die Behandlungen oft erfolgreich, doch wer bezahlt dafür? Krankenkassen und Fiskus?

Künstliche Befruchtung: Wann zahlt die Kasse?

Viele Paare wünschen sich ein Kind und bleiben doch ohne Nachwuchs. Per künstlicher Befruchtung versuchen vor allem jenseits der 35 viele, eine Schwangerschaft herbeizuführen. Nach der Gesundheitsreform 2004 galt lange die Regel, dass die Krankenkassen nicht mehr alle Kosten solcher Behandlungen tragen, sondern nur noch 50 Prozent, und sich auch nur an maximal drei Versuchen beteiligen. Hier hat jedoch inzwischen ein Umdenken eingesetzt. Zum einen gibt es mittlerweile einige Krankenkassen, die unter bestimmten Voraussetzungen wieder 100 Prozent der Kosten übernehmen und zahlreiche weitere Kassen, die Zuschüsse oder Beteiligungen in verschiedenen Höhen anbieten.

Zum anderen erhalten Paare in den Bundesländern Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen einen Zuschuss über 25 Prozent des Eigenanteils für die ersten drei Versuche und 50 Prozent für einen vierten. Die Kosten dafür tragen der Bund und die beteiligten Länder.

Das kostet eine künstliche Befruchtung

Eine In-Vitro-Fertilisation (IVF) oder eine Intracytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI), auch Mikro-Injektion genannt, ist teuer. Mit etwa 2.000 Euro rechnet der Gynäkologe Ulrich Hilland aus Bocholt für die IVF, rund 500 Euro mehr veranschlagt er über den Daumen gepeilt für die ICSI-Therapie. "Das sind Durchschnittswerte für einen Behandlungszyklus", sagt Hilland, der auch Vorsitzender des Bundesverbands Reproduktionsmedizinischer Zentren Deutschlands (BRZ) ist. Oft werde es noch teurer, ergänzt er. Viele Paare hoffen daher, die Kriterien der Kassen zu erfüllen. Denn der Eigenanteil pro Versuch liegt in jedem Fall bei mehr als 1.000 Euro.

Krankenkasse zahlt nur für Verheiratete

Nicht wenige Paare treten für die Verwirklichung ihres Kinderwunsches vor den Standesbeamten. Denn eine Voraussetzung für die Kostenübernahme durch die Kasse ist, dass Mann und Frau miteinander verheiratet sind. "Beide müssen zu Behandlungsbeginn mindestens 25 Jahre alt sein, die Frau darf das 40. Lebensjahr, der Mann das 50. noch nicht vollendet haben", fügt Hilland hinzu. Denn es soll nicht zu früh zu solchen Maßnahmen gegriffen werden, und ab einem bestimmten Alter spricht die medizinische Statistik gegen einen Erfolg. Dabei darf die sogenannte Indikation – das, was die erfolgreiche Befruchtung auf natürlichem Weg verhindert – bei Mann oder Frau liegen.

Richtlinien für künstliche Befruchtung

Die Liste der Indikationen und weitere Umstände, welche die Kassen akzeptieren, hat der Gemeinsame Bundesausschuss von Ärzten und Krankenkassen (G-BA) festgelegt. Dabei geht es etwa um die Beweglichkeit der männlichen Spermien. Erfüllt ein Paar diese medizinischen Bedingungen, erstattet die Kasse maximal drei Behandlungszyklen, wenn in mindestens einem der ersten beiden eine Befruchtung erfolgt ist – "wenn sich also schon im Labor, außerhalb des Körpers, ein Embryo gebildet hat", erläutert Hilland.

Unterschiedliche Regelung für private Kassen

In der privaten Krankenversicherung liege der Fall mitunter nicht so einfach, lautet die Erfahrung von Hilland. "Da gibt es immer wieder Streit. Aber wenn eine medizinisch nachweisbare Störung vorliegt, ist eine Leistungspflicht der Versicherung gegeben." Der Verband der Privatversicherer in Berlin verweist auf "das Urteil der Ärzte und den Einzelfall", so ein Sprecher. Grundsätzlich würden die Kosten aber nach ähnlichen Kriterien wie denen der Richtlinien des G-BA übernommen. "Die Privaten zahlen längst nicht alles. Die Leute müssen das vorher klären – wie bei jeder anderen Behandlung auch", rät Christine Klemm von der Unabhängigen Patientenberatung Deutschland (UPD) in Hamburg. Schwer haben es demnach außerdem Paare, die gemischt versichert sind, also ein Partner gesetzlich, der andere privat. Der Bundesverband Reproduktionsmedizinischer Zentren (BRZ) informiert auf der Internetseite www.pkv-contra-kinderwunsch.de, welche Rechte Versicherte haben, wenn es um die Kostenerstattung einer Kinderwunschbehandlung geht.

Samenspende ist ausgeschlossen

Grundsätzlich ausgeschlossen sind im Kassenkatalog alle Behandlungen mit "Fremdsamenspenden". In der Medizinsprache heißt das: Die Behandlung muss im 'homologen System' erfolgen. Das Paar muss verheiratet sein, und es müssen eigene Eizellen und eigene Samenzellen verwendet werden. Denn, so erklärt Hilland, Eizellenspenden sind in Deutschland verboten. Samen können Paare ankaufen, dann zahlt die Kasse die Behandlung aber nicht, und es wird noch teurer.

Kinderwunschbehandlung steuerlich geltend machen

Wer Kosten für die künstliche Befruchtung selbst trägt, kann diese unter Umständen in seiner Steuererklärung geltend machen. Denn der Gesetzgeber bewertet den Aufwand als außergewöhnliche Belastung, so wie viele andere Krankheitskosten auch. Voraussetzung ist, dass die "zumutbare Eigenbelastung" überschritten ist. Der Betrag richtet sich nach dem Einkommen. Ist diese Voraussetzung erfüllt, sieht der Fiskus die Angelegenheit sogar moderner als das Versicherungsrecht der Kassen. Denn Paare müssen nicht verheiratet sein, um Kosten geltend zu machen – eine sogenannte fest gefügte Partnerschaft reicht laut Einkommensteuerrecht aus. Der Vater muss aber die Vaterschaft anerkennen.

Eine Behandlung nach freiwilliger Sterilisation scheidet aus. Denn die Logik des Gesetzes ist folgende: Wenn sich die Frau hat sterilisieren lassen, ist das Paar medizinisch betrachtet nicht in einer Zwangslage – es liegt keine Krankheit vor. Die Kosten sind dann also keine Aufwendungen, die eine Krankheit heilen könnten.

Definition: IVF und ICSI

Bei der In-Vitro-Fertilisation (IVF) werden bei der Frau Eizellen entnommen und im Labor befruchtet. Bei dieser Methode werden Eizellen und Spermien in einer Petrischale zusammengefügt. Kommt es zur Befruchtung, werden nach zwei bis drei Tagen Embryonen in die Gebärmutter eingebracht. Bei der Intracytoplasmatischen Spermieninjektion (ICSI) dagegen muss manuell ein Spermium direkt in die Eizelle injiziert werden, weil zum Beispiel die Spermien deformiert oder wenig beweglich sind. Diese Behandlung ist aufwendiger und daher teurer.

So viele Paare lassen sich jährlich behandeln

Nach Angaben des Deutschen IVF-Registers (D.I.R), dem die meisten in Deutschland tätigen Kinderwunschzentren ihre Daten liefern, wurden im Jahr 2016 in Deutschland gut 90.000 IVF- und ICSI-Behandlungen durchgeführt. Bei nahezu jedem dritten Versuch kam es zu einer Schwangerschaft (32,2 Prozent). Von 95 Prozent der Schwangerschaften kennt das IVF-Register das Ergebnis: 73 Prozent aller Schwangerschaften führen zur Geburt. Das entspricht einer sogenannten baby-take-home-Rate von 20 Prozent pro Behandlungszyklus. 78 Prozent sind Einlinge, 21 Prozent Zwillinge und 0,6 Prozent sind Drillinge. Damit entsprechen die Ergebnisse etwa denen des Jahres 2015. Jede fünfte Schwangerschaft endete in einer Fehlgeburt.

Besonders 2003, vor der Einführung des Eigenanteils, ließen sich viele Paare behandeln – damals lag die Zahl bei mehr als 80.000. Die Zahlen beziehen sich auf zu Ende geführte Behandlungen von IVFs und ICSI-Therapien.

Fiskus muss auch bei älteren Frauen zahlen

Auch Gerichte setzen sich mit der Frage der Finanzierung und der steuerlichen Auswirkung auseinander, wie dieser Fall zeigt: Paare können Ausgaben für eine künstliche Befruchtung auch dann noch in Abzug bringen, wenn die Frau 45 Jahre alt ist. Außerdem müssen sie in einem solchen Fall nicht vorher ein Gutachten einholen. Das geht aus einem Urteil des Finanzgerichts München aus dem Jahr 2008 hervor, auf das der Bund der Steuerzahler in Berlin hinweist (Az.: 10 K 2156/08). Die Krankenkasse erstattet die Kosten nicht, wenn die Frau älter als 40 ist – der Fiskus muss das dem Urteil nach aber tun. Die Kosten für den Gutachter seien dem Paar nicht zuzumuten, weil das Ergebnis ungewiss sei, heißt es in der Urteilsbegründung.

Die Erfolgsaussichten seien in dem Alter eher gering. Die Ausgaben für die Behandlung entstünden dem Paar aber zwangsläufig. Behandlungskosten im Rahmen einer künstlichen Befruchtung sind außergewöhnliche Belastungen und damit abzugsfähig. In dem Fall war auch strittig, ob die Kosten mit Blick darauf absetzbar seien, dass das Paar bereits ein Kind aus einer künstlichen Befruchtung hatte. Auch in dieser Frage entschieden die Richter zugunsten des Paares – die vorliegende gesundheitliche Störung sei beachtlich und daher steuerlich relevant. Die Spermien mussten injiziert werden, weil bei dem Mann eine verminderte Spermienbeweglichkeit vorlag.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
Verwendete Quellen
  • dpa
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