Für diesen Beitrag haben wir alle relevanten Fakten sorgfältig recherchiert. Eine Beeinflussung durch Dritte findet nicht statt.
Zum journalistischen Leitbild von t-online.Krankenstation zuhause Wie können Hundebesitzer ihren kranken Hund pflegen?
Wochenlang ein Häufchen Elend pflegen, verlangt Hundebesitzern einiges ab: Sie sollen das Tier ruhig und bei Laune halten, aber vor Dummheiten abhalten. Dabei ist fast alles erlaubt – sogar Leckerlis.
Endlich sind das verlassene Körbchen im Wohnzimmer und der seit Tagen nicht angerührte Wassernapf Geschichte: Wer schon einmal seinen Hund auf dem Weg der Besserung aus der Tierklinik abholen durfte, weiß, was Euphorie ist – bei Hund und Herrchen. Das Problem: Die Entlassung nach stationärer Behandlung oder OP bedeutet noch lange nicht, dass das Tier geheilt ist.
Der Hund allerdings – und da kommt das Raubtier durch, das nie Schwäche zeigen darf – ist da wenig vernünftig: Befeuert von ordentlicher Medikation, ist er schnell das blühende Leben. Toll – wenn da nicht die Wunde wäre.
"Eine Wundheilung dauert in der Regel vier bis fünf Tage. Nach etwa zehn Tagen zieht man die Fäden", erklärt Tierarzt Andreas Zohmann aus Bad Wildungen. So lange sollte das Tier den Vorgang keinesfalls sabotieren können. Damit das nicht passiert, greift man in der Praxis meist zu dem bei Tieren allseits unbeliebten Plastikkragen in Trichterform. Er schränkt die Bewegungen so ein, dass die Naht am Körper zwar geschützt ist. Die Tiere können damit meistens auch fressen und trinken, aber sie fühlen sich natürlich gestört, bleiben hängen oder versuchen ihn abzuschubbern.
Kragen muss sein: erste Priorität hat die Wundheilung
Alternativen sind ein aufblasbarer Kragen in Satellitenschüssel-Form oder eine Art Ganzkörper-Body. "Wobei letzterer von ambitionierten Hunden durchaus manchmal aufgebissen wird", fügt Tierarzt Carsten Grußendorf aus Bramsche hinzu. Der sperrige Plastikkragen bleibt daher die sicherste Version. "Die Einrichtung im Haus muss hinterher vielleicht erneuert werden, aber die Wunde kann immerhin ungestört heilen."
Mitleidigen Besitzern erzählt er traditionell die Geschichte einer frischoperierten Hündin, deren Besitzer den Kragen für eine halbe Stunde entfernten. In der Zeit gelang es dem Tier, die komplette Wunde aufzunagen. Die Besitzer kamen mit dem Hund und einer Waschwanne mit Eingeweiden in die Praxis, die dann wieder im Hund verstaut werden mussten. "Die allermeisten Hunde, etwa 90 Prozent würde ich sagen, gehen nicht an die Wunde. Aber wenn sie es doch tun, hat es eben dramatische Folgen."
Die Geschichte tut in der Regel ihren Dienst: Der Kragen von Grußendorfs Patienten bleibt seitdem an. Bei orthopädischen Operationen gibt es noch mehr als nur die Wundheilung zu beachten. Tierarzt Zohmann berichtet von einem am Knie frisch operierten Boxer, der ihm bei einem Hausbesuch über den Marmorboden seiner Besitzer entgegenschlitterte. "Gift für die Heilung einer Gelenkverletzung." Die Besitzer bat er eindringlich, dem Hund Brücken aus Teppich zu legen, damit er nicht mehr rutscht.
Heute beginnt die Physio schon kurz nach der OP
Zwar müssten Hunde, ebenso wie Menschen auch, nach einem Eingriff meistens erst einmal langsam machen. Aber auch hier hat sich mit der Zeit viel verändert. "Vor 20 Jahren hat man die Tiere nach orthopädischen Operationen noch wochenlang ruhig gehalten, das macht man heute nicht mehr", so Zohmann. Ähnlich wie in der Humanmedizin beginne man relativ bald nach der OP, manchmal sogar schon am nächsten Tag, mit Physiotherapie: "Erst Stabilisation, dann Mobilisation. Am Anfang sind das nur zarte Impulse, ein fast isometrisches Training."
Trotzdem gilt: Vorsichtig bleiben! Die Maßnahmen sollten von Fachleuten durchgeführt werden oder von den Besitzern unter Anleitung des Tierarztes. Viele Tierärzte arbeiten außerdem mit Physiotherapeuten zusammen, die sie empfehlen können. Das ist wichtig, weil der Physiotherapeut in der Tiermedizin keine einheitliche Ausbildung voraussetzt.
Ist der Hund wieder besser zu Fuß, können Besitzer beginnen, ihn durch Gedächtnistraining zu beschäftigen. "Hier bieten sich zum Beispiel Suchspiele an oder Hunde-Roulette, das im Fachhandel erhältlich ist", so Grußendorf. Wild rumhüpfen, Fahrradfahren oder Ballspielen bleiben vorerst verboten.
Im Notfall Käfighaltung oder ruhigstellende Medikamente
Einen unausgelasteten Hund trotzdem bei Laune zu halten, das ist alles andere als einfach. Carsten Grußendorf weiß aus der Praxis: "Es gibt vereinzelt Kandidaten, die wir mit Medikamenten ruhigstellen müssen." Das ist zum Beispiel der Fall, wenn sich ein Hund mit Bettruhe "wie irre" in Rage bellt und zur Tür rast, wenn es klingelt. Eine weitere Möglichkeit ist die Zuhilfenahme einer Transportbox, gewissermaßen eine Käfighaltung.
Ein orthopädisches Hundebett macht für Zohmann nicht unbedingt Sinn. "Viele Hunde liegen viel lieber auf hartem Boden. Sie werden immer neben dem Bett liegen. Das ist eine Geschmackssache – und zwar die des Hundes."
Wenn der Hund Tabletten und Pülverchen nicht mag
Apropos Geschmack: Weniger gut kommen diverse Pülverchen und Tabletten bei Hunden an. Doch die müssen sein. Es mag den einen oder anderen Labrador geben, der unbeeindruckt alles frisst, was man ihm vor die Nase hält. Doch es gibt auch andere. "Die Spezialisten", wie Grußendorf sie nennt. Die, die den liebevoll geformten Leberwurstmantel um die Tablette herumfressen oder schon beim Drücken der Tablette aus dem Blister Lunte riechen und weg sind.
"Da hilft nur noch eins: Die Tablette vorsichtig rein ins Maul und mit der Hand über den Zungengrund schieben, da muss der Hund schlucken", so der Tiermediziner. Und nicht vergessen: noch ein bisschen Futter hinterhergeben. Das hebt auch die Laune wieder.
Futter – ein kritisches Thema überhaupt. Denn der direkte Impuls wohl fast aller Besitzer ist, seinem Tier doch wenigstens mit Leckerlis eine Freude zu machen, wenn schon alles andere was Spaß macht, verboten ist. Hier ist Grußendorf entspannt: "Man wird ja auch nicht an den Feiertagen dick, sondern im Rest des Jahres." Viel wichtiger ist ihm der Appell: "Hören Sie auf ihren Tierarzt und halten sie seine Anweisungen ein – denn – das Herz sagt mitunter etwas anderes als der Verstand. Aber der ist in diesem Fall entscheidend."
- Nachrichtenagentur dpa-tmn