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Zum journalistischen Leitbild von t-online."Ohne Dich ist alles doof" So ungewöhnlich können Grabsteine aussehen
Er soll auf dem Friedhof an den Verstorbenen erinnern: der Grabstein. Angehörige haben für dieses Gedenken oft ganz besondere Ideen. Doch nicht jede Friedhofssatzung lässt diese auch zu.
Sie dienen vor allem dazu, eine Grabstelle zu markieren – und doch waren und sind Grabsteine weitaus mehr. Als Symbole des Erinnerns und der Trauer reicht ihre Tradition bis in die Antike zurück. Denn schon die alten Römer versahen ihre Grabstätten mit besonderen Grabmalen. Inschriften oder Reliefbilder gaben Auskunft über die an dieser Stelle beigesetzten Toten.
Statt "Unvergessen" jetzt "Born to be Wild"
Heute erzählen Grabsteine aber nicht mehr nur, wer an dieser Stelle beerdigt wurde und wann jemand gelebt hat. Oftmals sind es individuelle Statements vom Toten selbst oder von seinen Angehörigen, in Stein gemeißelt – von ironisch über philosophisch bis berührend.
Thorsten Benkel und Matthias Meitzler haben darüber in den 2010er-Jahren zwei Bildbände veröffentlicht. Sie wollten herausfinden, wie sich Gräber im Laufe der Jahre verändert haben. Dafür besuchten die beiden Soziologen der Universität Passau über 1.000 Friedhöfe im deutschsprachigen Raum. Ihre Funde dokumentierten sie später auf Farbfotos.
Dabei zeigte sich, dass es auf Friedhöfen bei Weitem nicht so betulich zugeht wie oft angenommen. Statt "Unvergessen" oder "In Liebe" stehen da plötzlich Inschriften wie "Lach doch mal", "Born to be Wild" oder "Hier liegt meine Dicke".
Und auf den Grabsteinen sitzen längst nicht mehr nur traurige Engel und Putten aus Naturstein herum. Einmal baumeln Granit-Fußballschuhe am Grabmal, ein anderes Mal sind die Lebensdaten in eine E-Gitarre aus Marmor eingraviert. Persönliche Symbole, die zeigen, welches Hobby oder welche Leidenschaft im Leben eine Rolle gespielt hat.
Grabsteine aus Metall, Glas oder recycelten Kunststoffen
Auf ihrer Homepage Friedhofssoziologie.de zeigen die beiden Wissenschaftler eine umfangreiche Bildergalerie, "die wir in regelmäßigen Abständen mit unseren neuesten Funden aktualisieren", sagt Meitzler auf Anfrage von t-online. Da wäre doch ein dritter Bildband über ungewöhnliche Grabsteine die logische Folge?
"Der ist aktuell aber aus zeitlichen Gründen leider schwer umzusetzen, da wir noch an anderen Projekten arbeiten." So erschien im Frühjahr ihr Fachbuch "Wissenssoziologie des Todes", in dem es neben Bestattungskultur auch um Sterbehilfe oder um die Frage geht, wie trauernde Kinder begleitet werden können.
Während Meitzler und Benkel demnach die Grabstein-Kultur erforschen, gehören die Brüder Stephan und Simon Weber zu denjenigen, die individuelle Grabmäler entwerfen. Statt traditionellem Granit verwenden sie Metall, Glas oder recycelte Kunststoffe. Auch sie merken: Der Umgang mit dem Tod hat sich verändert. Angehörige von Verstorbenen wollen heute alternative Gedenkstätten, keine Grabsteine von der Stange.
Opa bekommt keinen klassischen Grabstein
Auslöser ihrer Geschäftsidee "AndersAndenken" war der Tod des Großvaters. Den beiden Enkeln war damals klar: Opa bekommt keinen klassischen Grabstein aus Granit. Weil er ein leidenschaftlicher Metallbau-Unternehmer war, fertigten die beiden eine ganz besondere Erinnerungstafel aus Stahl und Bronze. Dank neuartiger Schneid- und Drucktechniken können die Mittdreißiger ihre verwendeten Materialien formen und gestalten. Dabei lassen sich auch Fotos der Verstorbenen oder Gedichtauszüge als Inschrift verwenden.
Doch individuell designte Grabmäler sind nicht auf jedem Friedhof gern gesehen. Denn in Deutschland ist die Größe und auch die Gestaltung des Grabsteins von der jeweiligen Friedhofssatzung abhängig. "Die Friedhofsordnungen sind die erste Hürde beim Genehmigen eines modernen Grabmals", sagt Simon Weber auf t-online-Anfrage. Diese seien aber meistens sehr alt und sehen Grabmäler, wie er sie mit seinem Bruder herstelle, nicht vor.
So erlauben die teils über 100 Jahre alten Satzungen einige alternative Materialien nicht. Nachhaltigkeit und Bestattungskultur schließen sich offenbar aus. Deshalb müssen Stephan und Simon Weber in manchen Städten und Gemeinden noch einige Überzeugungsarbeit leisten. Denn es gehe schließlich um die Wünsche der Verstorbenen und der Hinterbliebenen.
- Eigene Recherche
- Benkel, Thorsten/Meitzler Matthias: "Gestatten Sie, dass ich liegen bleibe. Ungewöhnliche Grabsteine – Eine Reise über die Friedhöfe von heute" (2014), "Game Over. Neue ungewöhnliche Grabsteine" (2016), beide erschienen bei Kiepenheuer & Witsch.