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Wie testet eigentlich die Stiftung Warentest? Ein Besuch im Labor


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Mit Normstaub und Flammen
So prüft die Stiftung Warentest


Aktualisiert am 09.04.2022Lesedauer: 4 Min.
Spielzeug im Test: Kinderspielzeug muss besonders strenge Normen einhalten, bevor es überhaupt verkauft werden darf. Kuscheltiere werden unter anderem auf ihre Entflammbarkeit getestet.Vergrößern des Bildes
Spielzeug im Test: Kinderspielzeug muss besonders strenge Normen einhalten, bevor es überhaupt verkauft werden darf. Kuscheltiere werden unter anderem auf ihre Entflammbarkeit getestet. (Quelle: Hendrik Rauch, Stiftung Warentest)

Sie ist die Institution, der die Deutschen in Sachen Produktbewertung vertrauen. Die Stiftung Warentest prüft und vergleicht jährlich Zehntausende Artikel. Wie geht sie dabei vor? Ein Besuch im Prüflabor.

Es rumst, als der kleine Hartschalenkoffer aus einem Meter Höhe auf den Boden fällt. Der Reißverschluss, der eigentlich seine beiden Teile zusammenhalten soll, reißt auf, ein paar Gewichte aus seinem Inneren fallen heraus. Aber hier rennt gleich kein Passagier aufgeregt zu seinem Gepäck. Der Fall aus der Höhe war geplant. Sogar genormt. Denn wir befinden uns in einem Prüflabor, das für die Stiftung Warentest Produkte testet.

Die Stiftung Warentest prüft 30.000 Produkte pro Jahr

Über 100 solcher Institute werden regelmäßig von der Stiftung beauftragt. Von ihnen lässt sie pro Jahr rund 30.000 Produkte in über 200 Warentests untersuchen – vom Autokindersitz übers Fahrrad, von der Spülmaschine bis hin zur Zahnpasta. Die Institute arbeiten unabhängig, ihre Namen bleiben unter Verschluss. So soll vermieden werden, dass Hersteller Einfluss auf die Tests ihrer Produkte nehmen.

Deshalb sei nur so viel verraten: Der aufgeplatzte Koffer liegt in einem Raum in einem Prüflabor irgendwo in Süddeutschland. Dieser erinnert an eine Mischung aus Daniel Düsentriebs Werkstatt und einem Tierlabor – nur dass sich darin keine Tiere befinden, sondern allerhand technisches Gerät. Drei Käfige stehen an den Wänden, an ihnen viele Knöpfe, Kabel und kleine Bildschirme. In einem Käfig ist der Koffer gerade von der Hebebühne gefallen.

In dem zweiten zieht eine Maschine einen anderen Koffer an seinem Teleskopgriff über ein Laufband, auf dem Holpersteine angebracht sind. Es klackert und rumpelt, der Koffer wippt in alle Richtungen. Er muss eine zehn Kilometer lange Fahrt überstehen, im besten Falle unbeschädigt. "Und das fünf Mal hintereinander", erklärt ein Laborleiter, dessen Name nicht genannt werden darf.

Im dritten Käfig wird ein Gepäckstück an seinem Griff wenige Zentimeter hochgehoben, dann abgesetzt. Immer und immer wieder. Die Maschinen zischen. Die Kofferrollen klackern beim Aufsetzen. Das Display daneben zeigt an, dass das Zisch-Klack bisher 463 von 5.000 Mal erklungen ist.

Die Haltbarkeitsprüfung ist die "Königsdisziplin"

5.000 Mal, ein Meter Höhe, zehn Kilometer – alle Parameter sind hier genau festgelegt. Schließlich müssen die Testergebnisse miteinander vergleichbar sein. Bei den drei Untersuchungen handelt es sich um eine typische Haltbarkeitsprüfung. Holger Brackemann, der bei der Stiftung Warentest den Bereich Untersuchungen leitet, bezeichnet diese als "Königsdisziplin".

Der Deutsche Bundestag gründete die Stiftung Warentest 1964. Ihr oberstes Gebot ist Neutralität. So darf die Stiftung keinerlei Einnahmen durch Werbeanzeigen erzielen. Der Staat unterstützt sie deshalb einmal im Jahr mit einer Ausgleichszahlung. Diese beträgt derzeit rund drei Prozent aller Einnahmen. Zum größten Teil finanziert sich die Stiftung Warentest durch den Verkauf ihrer Publikationen.

Denn: "Das ist immer aufwendig, zeitintensiv und man muss vorab viel überlegen, bis man dafür einen vernünftigen Prüfaufbau hinbekommt." Dabei werden Produkte oft auch in ihre Einzelteile zerlegt. Bei Fahrrädern etwa landen Rahmen und Lenker einzeln in Maschinen, die verschiedene Fahrweisen simulieren.

In weiteren Disziplinen untersuchen die Labormitarbeiter die Artikel auf Schadstoffe und beurteilen die Qualität von Nähten oder Verschlüssen. Bei elektrischen Geräten messen sie, wie viel Energie sie verbrauchen und wie sicher sie sind. In einem Raum mit viel Schaumstoff und wenig Schall ermitteln die Prüfer zudem, wie viel Lärm zum Beispiel Wasch- und Spülmaschinen machen.

Und natürlich wird auch die jeweilige Funktion der Produkte umfassend untersucht. Staubsauger müssen genau abgemessene Mengen an Staub, Spülmaschinen in stundenlanger Handarbeit gleichmäßig auf Teller aufgetragenen Spinat entfernen. Wird hingegen der Spinat selbst getestet, bewertet streng geschultes Personal seinen Geschmack, seinen Geruch, sein Mundgefühl.

Die Stiftung Warentest hat hohe Anforderungen an ein Produkt

Was bei den jeweiligen Produkten geprüft wird, legen ein Wissenschaftler und ein Redakteur der Stiftung Warentest fest. Für sie beginnt jeder Test damit, dass sie zu der jeweiligen Produktgruppe recherchieren.

"Sie schauen, was es für Normen und Gütezeichen gibt und sprechen mit den Prüfinstituten, die schon einmal solche oder ähnliche Produkte getestet haben", erzählt Brackemann. Die Haltbarkeitsprüfungen der Koffer etwa sind angelehnt an die Prüfungen, die sie für ein GS-Zeichen (Geprüfte Sicherheit) erfüllen müssen.

Bei Kinderspielzeug orientiert man sich an Normen und Verordnungen, die aus vielen Großbuchstaben und Zahlen bestehen. Da wären etwa EN 71-2, REACH EG 1907/2006 oder R&TTE Richtlinie 199/5/EG, die unter anderem erfordern, dass Plüschteddys angezündet oder Spielzeugautos in Speichel gelegt werden müssen. "Häufig aber gehen unsere Anforderungen über solche Gesetze und Normen noch hinaus", sagt Brackemann.

Denn sie sollen sich stärker an den Verbrauchern orientieren. So schaue der Redakteur vor allem aus dessen Sicht auf das Produkt. Er analysiert, welche Ansprüche es im Alltag erfüllen muss. Er liest Bewertungen im Internet, um eventuelle Probleme ausfindig zu machen.

Im Anschluss erstellt er gemeinsam mit dem Wissenschaftler das Prüfprogramm. Dieses diskutieren sie im Fachbeirat mit Verbraucherschützern, unabhängigen Experten und Anbietervertretern. Bei der Arbeit von Redakteur und Wissenschaftler handelt es sich um ein Zusammentragen von wissenschaftlichen Methoden, die es bereits gibt. "Wir entwickeln keine komplett neuen Prüfmethoden, wir sind kein Uniinstitut", erklärt Brackemann, der seit 19 Jahren für Warentest tätig ist.

Die Einkäufer kaufen die Produkte, ohne sich erkennen zu geben

Steht das Prüfprogramm, werden die konkret zu testenden Waren ausgewählt, nach Marktbedeutung. "Wir beziehen keine Produkte nur auf Wunsch eines Anbieters ein", macht Brackemann klar. Die neun Einkäufer, die bei der Stiftung arbeiten, ziehen los und kaufen die Koffer, Spülmaschinen oder anderen Artikel ein. Bis zu 30 Exemplare werden von ein und demselben Produkt benötigt.

"Die Einkäufer müssen sich schon für das Detail begeistern können", sagt Brackemann und schmunzelt. Schließlich müssten sie schon mal 30 Joghurts mit dem gleichen Mindesthaltbarkeitsdatum oder 20 Mascara der gleichen Charge heraussuchen. Der Einkauf erfolgt anonym vor Ort im Handel oder online – eben dort, wo auch der "normale Verbraucher" einkaufe.

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Die Produkte landen dann in einem der unabhängigen Labore in Deutschland oder im Ausland. Wenn dort das Zisch-Klack irgendwann verstummt, der Koffer also fertig getestet ist, schickt das Labor seine Gutachten an die Stiftung Warentest. Dort werden sie ausgewertet, nach fachlich-wissenschaftlichen Kriterien und im Vergleich untereinander. Projektleiter und Redakteur schreiben den Testbericht, vergeben Noten von "sehr gut" bis "mangelhaft" und erstellen die bekannten Tabellen.

Aber damit ist das Prüfen noch nicht vorbei: Sogenannte Verifizierer schauen sich die Auswertung noch einmal genau an und die Hersteller erhalten die Messergebnisse ihres Produktes. Sie haben die Möglichkeit, vor Veröffentlichung der Ergebnisse Stellung zu beziehen. Etwa, wenn es beim Fall aus einem Meter Höhe mal so richtig gerumst hat.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
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